BGH Urteil v. - VII ZR 14/04

Leitsatz

[1] Die VOB/B enthält für das Preisanpassungsverlangen keine zeitliche Begrenzung. Die Vertragspartner sind gehalten, das Preisanpassungsverlangen möglichst beschleunigt geltend zu machen. Das Recht auf Preisanpassung kann nach den allgemeinen Grundsätzen verwirkt werden.

Gesetze: VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 2

Instanzenzug: OLG Naumburg vom LG Halle

Tatbestand

Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn und als Verzugsschaden die Erstattung von Rechtsanwaltskosten. In der Revision streiten die Parteien vor allem über ein Preisanpassungsverlangen der Beklagten nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin durch Einheitspreisvertrag vom Oktober 2001 mit den Maurer-, Beton- und Stahlbetonarbeiten beim Umbau eines Pflegeheimes. Die VOB/B war vereinbart. Auf Aufforderung der jeweils anderen Seite stellten die Klägerin eine Vertragserfüllungsbürgschaft und die Beklagte eine Bürgschaft nach § 648 a BGB. Die Vertragserfüllungsbürgschaft sollte nach Abnahme zurückgegeben werden, falls bei dieser keine Mängel festgestellt würden.

Die Klägerin führte die Arbeiten aus. Dabei wurden die Mengenansätze im Leistungsverzeichnis bei mehreren Positionen jeweils um mehr als 10 % überschritten. Am wurden die Arbeiten der Klägerin als mangelfrei abgenommen. Die Beklagte gab die Vertragserfüllungsbürgschaft jedoch nicht zurück.

Unter dem erstellte die Klägerin ihre Schlußrechnung. Sämtliche Berechnungs- und Aufmaßunterlagen hatte sie der Beklagten bereits mit der neunten und letzten Abschlagsrechnung vom übersandt. Die Beklagte prüfte beide Rechnungen und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20. August bzw. das Ergebnis der Prüfung mit. Mit dem Schreiben vom verlangte sie ferner wegen der angefallenen Mehrmengen neue Verhandlungen nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B.

Nach der Abnahme forderte die Klägerin durch ihren Rechtsanwalt die Beklagte mehrfach mündlich und schriftlich auf, die Vertragserfüllungsbürgschaft zurückzugeben. Die Beklagte kam dem erst nach, nachdem sich die Klägerin mit einer Reduzierung der von der Beklagten gestellten Bürgschaft einverstanden erklärt hatte. Der Rechtsanwalt der Klägerin berechnete dieser für seine Tätigkeit nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 211,99 €. Die Beklagte erstattete unter Hinweis auf § 120 BRAGO lediglich 57,59 €.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 29.423,59 € gerichteten Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage in Höhe von 659,85 € zurückgenommen. Im übrigen ist die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt sie weiterhin Klageabweisung.

Gründe

Die Revision hat überwiegend Erfolg.

Das für die Beurteilung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Anspruch der Beklagten auf Preisanpassung nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B sei verwirkt. Sie habe ihn erst nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B mit ihrem Schreiben vom geltend gemacht. Jedoch seien bereits die in der neunten Abschlagsrechnung vom enthaltenen Berechnungen der Klägerin aufgrund der beigefügten Aufmaßunterlagen und Erläuterungen vollständig gewesen und hätten der Beklagten als Grundlage für ihre eigene Abrechnung vom gedient. Den von ihr errechneten Nettorestwerklohn habe sie gegenüber der Klägerin ausdrücklich bestätigt. Zwar sei darin kein Anerkenntnis im Sinne von § 781 BGB zu sehen. Die Klägerin habe jedoch darauf vertrauen dürfen, daß die abgerechneten Mehrmengen außer Streit gestellt werden sollten. In diesem Abrechnungsverhalten der Beklagten liege sowohl ein Zeit- als auch ein Umstandsmoment für die Annahme einer Verwirkung. Im übrigen sei es treuwidrig, im Rahmen der Abrechnung vom wegen der Mehrmengen die Offenlegung der Kalkulation der Klägerin zu verlangen, obwohl die Beklagte bereits vorher im Rahmen der eigenen Abrechnung die verbleibende Restsumme ausdrücklich anerkannt habe. Jedenfalls habe die Klägerin das Abrechnungsverhalten der Beklagten als Antrag auf Abschluß eines Teilvergleichs werten dürfen, den sie spätestens dadurch angenommen habe, daß sie im Rahmen ihres Mahnschreibens vom die von der Beklagten bestätigte Summe berücksichtigt habe.

Die Klägerin könne auch die Rechtsanwaltskosten nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO abrechnen. Die Beklagte habe sich in Verzug befunden. Auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Rückgabe der von ihr gestellten Bürgschaft habe sie sich erst nach Klageerhebung berufen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.

1. Nicht zu beanstanden ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin könne gemäß § 286 BGB von der Beklagten noch 154,40 € (211,99 € abzüglich gezahlter 57,59 €) für die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts beim Zurückfordern der Vertragserfüllungsbürgschaft verlangen.

a) Daß der Berechnung der Gebühr § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO und nicht § 120 BRAGO zugrunde zu legen ist, wird von der Revision zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen.

b) Die Beklagte war mit der Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in Verzug.

Die Revision wendet insoweit nur ein, Verzug sei nicht eingetreten, weil der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zugestanden habe. Diese Ansicht trifft nicht zu.

Im Revisionsverfahren kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Beklagte ihrerseits Anspruch auf Rückgabe der von ihr gestellten Bürgschaft nach § 648a BGB hat. Das bloße Bestehen dieses Anspruchs schließt Verzug der Beklagten mit der Rückgabe der von der Klägerin gestellten Vertragserfüllungsbürgschaft nicht aus (vgl. , BauR 2003, 1561). Denn der Beklagten steht kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB, sondern ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zu. § 320 BGB setzt voraus, daß die sich gegenüberstehenden Ansprüche synallagmatisch miteinander verknüpft sind. Der Vortrag der Parteien gibt für eine derartige Verknüpfung nichts her. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB muß, um den Eintritt des Verzugs zu verhindern, vorher geltend gemacht werden (, WM 1971, 1020). Das hat die Beklagte nicht getan.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Preisanpassungsverlangen der Beklagten wegen der entstandenen Mehrmengen nicht berücksichtigt.

a) Nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ist bei einer über 10 % hinausgehenden Überschreitung des Mengenansatzes im Leistungsverzeichnis auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Diese Klausel begründet hinsichtlich der Mehrmengen einen vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in einen neuen Preis (, LM Nr. 36 zu VOB/B = MDR 1969, 655; Hdb. priv. BauR (Kleine/Möller), 3. Aufl., § 10 Rdn. 410, 416). Kommt es trotz der insoweit bestehenden Kooperationspflicht der Parteien zu keiner Vereinbarung, kann der neue Preis unmittelbar zum Gegenstand eines Rechtstreits gemacht werden (allgemeine Meinung; vgl. z.B. Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, Rdn. 150 zu § 2 VOB/B; Ingenstau/Korbion/Keldungs, 15. Aufl., § 2 Nr. 3 VOB/B Rdn. 27).

b) Die Beklagte war nicht gehindert, ihr Verlangen nach Preisanpassung mit ihrem Schreiben vom und später im Prozeß geltend zu machen.

aa) Der VOB/B lassen sich zeitliche Schranken für das Preisanpassungsverlangen nicht entnehmen. § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B enthält insoweit keine Regelung. Der Verlust des Rechts auf Preisanpassung kann auch nicht aus einer Versäumung der Frist nach § 16 Nr. 3 VOB/B hergeleitet werden. Denn das Verlangen nach Preisanpassung ist nicht Gegenstand dieser Regelung.

bb) Die Beklagte hat ihr Recht, Preisanpassung zu verlangen, nicht verwirkt.

(1) Verwirkung setzt voraus, daß zum Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (, BauR 2003, 379 = NZBau 2003, 213 = ZfBR 2003, 147).

(2) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Zeitmoment. Zwar ist der Auftraggeber gehalten, das Preisanpassungsverlangen möglichst beschleunigt geltend zu machen. Dagegen hat die Beklagte jedoch nicht verstoßen, indem sie nur wenige Tage nach Ablauf der Frist von zwei Monaten für die Prüfung der Schlußrechnung das Preisanpassungsverlangen gestellt hat.

Weiter fehlt es an den erforderlichen Anhaltspunkten dafür, daß die Klägerin sich darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, die Beklagte werde keine Preisanpassung mehr verlangen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich nicht aus der Reaktion der Beklagten auf die von der Klägerin übersandten Rechnungen und dem von ihr gezeigten Abrechnungsverhalten, das sich in erster Linie auf die neunte Abschlagsrechnung und nicht auf die Schlußrechnung bezogen hat.

cc) Auch aus anderen Gründen kann der Beklagten das Preisanpassungsverlangen nicht versagt werden.

Die Beklagte war an das Ergebnis ihrer Prüfung der neunten Abschlagsrechnung nicht gebunden, selbst wenn sie, wie das Berufungsgericht pauschal in den Raum stellt, wegen der Mehrmengen bereits Abzüge vom Werklohn vorgenommen haben sollte. Diese Prüfung stellte keine rechtsgeschäftliche Erklärung und insbesondere kein Anerkenntnis dar (vgl. , BauR 2002, 465 = NZBau 2002, 153 = ZfBR 2002, 254). Die Beklagte durfte daher im Rahmen des Preisanpassungsverlangens von der Klägerin die Offenlegung der Kalkulation fordern.

Aus denselben Gründen trifft auch die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu, das Verhalten der Beklagten stelle ein Angebot auf Abschluß eines Teilvergleichs über die Abrechnung der Mehrmengen dar, das die Klägerin mit ihrem Mahnschreiben vom angenommen habe.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
NJW-RR 2005 S. 1041 Nr. 15
KAAAC-03281

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein