BGH Beschluss v. - VII ZB 32/01

Leitsatz

[1] Eine Glaubhaftmachung im Wiedereinsetzungsverfahren kann daran scheitern, daß der Anwalt einer Partei einen die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Sachverhalt eidesstattlich versichert, schriftsätzlich jedoch einen die Wiedereinsetzung nicht rechtfertigenden Sachverhalt vorträgt, ohne daß Anhaltspunkte dafür bestehen, welcher Sachverhalt wahrscheinlicher ist.

Gesetze: ZPO § 294

Instanzenzug: OLG Stuttgart LG Rottweil

Gründe

1. Die Klägerin hat am gegen ein die Klage teilweise abweisendes Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Bürokraft ihres Anwalts habe versehentlich die Vorfrist vom und Berufungsbegründungsfrist vom nicht im Fristenkalender, sondern in einem getrennt geführten Wiedervorlagekalender für nicht fristgebundene Sachen eingetragen. Die Akte habe der Anwalt zum Datum der Wiedervorlage nur als normale Wiedervorlage erhalten und diese wegen temporärer Arbeitsüberlastung nicht bearbeitet.

Diesen, von ihrem Anwalt schriftsätzlich vorgetragenen Sachvortrag hat sie durch eine eidesstattliche Versicherung ihres Anwalts glaubhaft machen wollen. Darin wird versichert, wegen Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter, bedingt durch Mitarbeiterwechsel, seien die einfachen Wiedervorlagen im Zeitraum vom 20. Juni bis nicht herausgesucht worden.

2. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen.

Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin müsse sich das Verschulden ihres Anwalts zurechnen lassen. Ein Verschulden ihres Anwalts liege sowohl bei dem in dem Wiedereinsetzungsantrag als auch bei dem in der eidesstattlichen Versicherung geschilderten Sachverhalt vor. Für den Fall, daß die Akte in dem Zeitpunkt vorgelegt worden sei, zu dem die Vorfrist als Wiedervorlagefrist notiert worden sei, hätte der Anwalt sie in angemessener Zeit durchsehen müssen und rechtzeitig gemerkt, daß die Begründungsfrist zu wahren ist. Für den Fall, daß ihm die Akte vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht vorgelegt worden sei, treffe ihn ein Organisationsverschulden, weil er hätte bemerken müssen, daß ihm keine Akten vorgelegt werden.

3. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Klägerin vorbringt, daß die Akten ihrem Anwalt vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht vorgelegt worden seien.

4. Die Beschwerde ist unbegründet.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Anwalt die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu vertreten hat, wenn ihm die Akten am vorgelegt worden sind. Er hätte die Akten in angemessener Zeit durchsehen müssen (, NJW 1998, 460, 461). Dabei wäre ihm aufgefallen, daß die Berufungsbegründungsfrist vom gewahrt werden mußte.

b) Ob den Anwalt der Klägerin ein für die Fristversäumung ursächliches Organisationsverschulden trifft, weil er es hingenommen hat, daß ihm über einen längeren Zeitraum die nicht fristgebundenen Sachen nicht vorgelegt wurden, kann dahin stehen. Diesen Sachverhalt hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht.

Die eidesstattliche Versicherung ihres Anwalts vermittelt keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für diesen Sachverhalt. Dem steht entgegen, daß der Anwalt gleichzeitig eine andere Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag gegeben hat. Es gibt keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, welcher Sachverhalt wahrscheinlicher ist. Es fehlt auch in der Beschwerdeschrift jegliche Erklärung dafür, wie es zu der angeblich fehlerhaften Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag gekommen ist. Die Beschwerde beschränkt sich vielmehr lediglich auf die Klarstellung, daß die Akte nicht herausgesucht worden ist. Die Klägerin hat keine weiteren Beweismittel zur Glaubhaftmachung des in der eidesstattlichen Versicherung ihres Anwalts vorgetragenen Sachverhalts vorgelegt, wie es angesichts der widersprüchlichen Darstellungen ihres Anwalts nahe gelegen hätte. Eine eidesstattliche Versicherung der Bürokraft liegt ebensowenig vor wie eine Kopie des Fristenkalenders oder Wiedervorlagekalenders.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2002 S. 542 Nr. 11
BAAAC-03177

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein