BGH Beschluss v. - VII ZB 161/05

Leitsatz

[1] Zu den Gläubigern im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO gehören nicht Gläubiger von Schadensersatzansprüchen nach § 844 Abs. 2 BGB aus fahrlässig begangener unerlaubter Handlung.

Gesetze: InsO § 89 Abs. 2; BGB § 844 Abs. 2

Instanzenzug: AG Hannover 701 M 15991/05 vom LG Hannover 52 T 145/05 vom

Gründe

I.

Die Schuldnerin ist durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom u.a. zur Zahlung einer monatlichen Geldrente von je 375 € an die Gläubiger verurteilt. Dem liegt ein auf § 844 Abs. 2 BGB gegründeter Anspruch der Gläubiger gegen die Schuldnerin zugrunde.

Die Gläubiger haben deswegen am gegen die Schuldnerin, eine Ärztin, den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe von 19.300,77 € (Rentenbeträge für die Zeit ab ) in deren Forderungen aus dem Abrechnungsverhältnis zur Drittschuldnerin, einer Kassenärztlichen Vereinigung, beantragt. Die Pfändung sollte auch die Ansprüche auf künftig fällig werdende Leistungen erfassen. Über das Vermögen der Schuldnerin ist am das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Der Rechtspfleger hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Gläubiger ihr Begehren weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die Vorinstanzen sind der Ansicht, aufgrund des Vollstreckungsverbotes des § 89 InsO könne keine Pfändung erfolgen. Ersatzansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB könnten zwar nach § 850 f Abs. 2 ZPO vollstreckt werden, nicht jedoch nach § 850 d ZPO. Von § 850 f Abs. 2 ZPO seien nur Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erfasst. Eine hierauf gestützte Anordnung könne nicht erfolgen, da sich aus dem zu vollstreckenden Versäumnisurteil nicht ergebe, dass aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt werde. Im Übrigen gehe der Gläubigervertreter selbst davon aus, dass dem Titel ein Anspruch wegen fahrlässiger Tötung zugrunde liege.

2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

a) Gemäß § 89 Abs. 2 InsO sind Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung von Gläubigern, die keine Insolvenzgläubiger sind, wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.

§ 89 Abs. 2 Satz 2 InsO unterfallen danach Forderungen für Unterhalts- und Deliktsgläubiger, die nach § 850 d, § 850 f Abs. 2 ZPO in erweitertem Umfang pfändbar sind, soweit diese Gläubiger keine Insolvenzgläubiger sind (Kroth in Braun, InsO, 2. Aufl., § 89 Rdn. 12; MünchKommInsO-Breuer, § 89 Rdn. 36; Eickmann, Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 89 Rdn. 3), etwa für Unterhaltsgläubiger nach Maßgabe des § 40 InsO.

b) Zu diesen Gläubigern gehören die Beschwerdeführer nicht.

aa) Der Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB ist kein Unterhaltsanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch (MünchKommBGB-Wagner, 4. Aufl., § 844 Rdn. 29 m.w.N.). Für die Vollstreckung hieraus gilt nicht § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO; denn darunter fallen nur Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615 l, § 1615 n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen (Stein/Jonas/Brehm, 21. Aufl., § 850 d Rdn. 10 m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 850 d Rdn. 2; Rupp/ Fleischmann, Rpfleger 1983, 377, 378).

bb) Die Vorinstanzen haben auch nicht festgestellt, dass der Anspruch, aus dem die Vollstreckung betrieben wird, ein Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne des § 89 Abs. 2, Satz 2, 2. Alt. InsO, § 850 f Abs. 2 ZPO ist. Aus dem Versäumnisurteil ergibt sich das nicht; dem Vollstreckungsgericht wäre eine weitere Prüfung auch untersagt (vgl. zum Vollstreckungsbescheid , NJW 2005, 1663). Nach dem Vortrag der Gläubiger ist das Versäumnisurteil wegen eines Schadensersatzanspruchs aus fahrlässiger Tötung ergangen. Auf die weitere Frage, ob und inwieweit die Gläubiger wegen der geltend gemachten Ansprüche Insolvenzgläubiger sind, kommt es daher nicht an.

3. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist § 89 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. InsO auch nicht analog auf den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB anzuwenden, weil keine Regelungslücke besteht (Stein/Jonas/Brehm, aaO Rdn. 10). Die Erweiterung der Vollstreckung wegen Schadensersatzansprüchen wird in § 89 Abs. 2, Satz 2, 2. Alt., § 850 f Abs. 2 ZPO geregelt. Danach ist die Zwangsvollstreckung bei einer unerlaubten Handlung nur dann privilegiert, wenn diese vorsätzlich begangen wurde. Würde man den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB als Unterhaltsanspruch im Sinne des § 89 Abs. 2, Satz 2, 1. Alt. InsO qualifizieren, würde dieser eindeutigen gesetzgeberischen Wertung zuwider gehandelt, wenn dem Anspruch eine fahrlässig begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt.

Die Rechtsbeschwerde beruft sich zur Begründung vergeblich auf § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO, in dem der Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB dem Unterhaltsanspruch gleichgestellt ist. § 850 b ZPO betrifft zum einen die Pfändbarkeit von Unterhaltsrenten und nicht die Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen. Die Gleichstellung beruht dort zudem nicht darauf, dass der Anspruch § 844 Abs. 2 BGB als Unterhaltsrente im Sinne des § 850 b Abs. 1, Nr. 2, 1. Alt. ZPO angesehen wird, sondern weil die Unpfändbarkeit in § 850 b Abs. 1, Nr. 2, 2. Alt. ZPO ausdrücklich geregelt ist.

Die von der Rechtsbeschwerde zur weiteren Begründung des Erfordernisses einer analogen Anwendung behauptete Gefahr, dass sich der Schuldner des Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB im Falle der Insolvenz Restschuldbefreiung erlangen kann, ist Ergebnis einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung. Verbindlichkeiten des Schuldners aus unerlaubter Handlung werden gemäß § 302 InsO nur dann nicht von der Erteilung einer Restschuldbefreiung berührt, wenn diese vorsätzlich begangen wurden.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch keine verfassungskonforme Auslegung des § 89 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. InsO dahin geboten, den Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs.2 BGB einem Unterhaltsanspruch gleichzustellen. Die Regelung lässt keine Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Schadensersatzgläubigers erkennen.

Fundstelle(n):
WM 2006 S. 1730 Nr. 36
ZIP 2006 S. 1604 Nr. 34
IAAAC-03140

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein