BGH Beschluss v. - VI ZB 53/03

Leitsatz

[1] Wird in der Berufungsschrift eine Partei fälschlich als Klägerin und Berufungsführerin bezeichnet, so ist bei den gebotenen strengen Anforderungen an eine eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers regelmäßig davon auszugehen, daß die so bezeichnete Partei der Rechtsmittelführer ist, wenn sich nicht aus anderen Umständen Gegenteiliges mit der erforderlichen Klarheit ergibt.

Gesetze: ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: AG Düsseldorf

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage des Beklagten zu 2 den Kläger und die Widerbeklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner verurteilt, 2.119,40 € nebst Zinsen an den Beklagten zu 2 zu bezahlen. Das Urteil vom ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers und der Widerbeklagten am zugestellt worden. Am ist die Berufungsschrift der damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers und der Widerbeklagten beim Berufungsgericht eingegangen. Der Text der Berufungsschrift lautet auszugsweise:

"In dem Rechtsstreit

1. unter der Firma H. L. Elektrische Anlagen handelnden Elektromeisters H. L.,

- Kläger zu 1 und Berufungskläger -

2. des Herrn W., ...

- Kläger zu 2 und Berufungskläger -

3. der V. Versicherungs AG ....

- Klägerin zu 3 und Berufungsklägerin -

- Prozeßbevollmächtigte: ....

gegen

1. Herrn M.S., ....

- Beklagter zu 1 und Berufungsbeklagter -

2. Herrn N. S., ....

- Beklagter zu 2 und Berufungsbeklagter -

3. die D. Allgemeine Versicherungs AG, ....

- Beklagte zu 2 und Berufungsbeklagte -

Aktenzeichen 1. Instanz: 43 C 4904/00

Namens und in Vollmacht der Klägerin legen wir hiermit gegen das am verkündete und am zugestellte Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung ein.

Anträge und deren Begründung bleiben einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

(Unterschrift)".

Eine Ablichtung des Urteils des Amtsgerichts war nicht erkennbar beigefügt, doch ist die Berufungsschrift dem gegnerischen Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom - beim Landgericht am selben Tag eingegangen - haben die Prozeßbevollmächtigten die Berufung namens des Klägers begründet und den Antrag angekündigt, das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Beklagten zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 4.451,20 € nebst 10% Zinsen hieraus seit zu zahlen.

Mit Beschluß vom hat das Landgericht die Berufungen des Klägers und der Widerbeklagten zu 3 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Berufung vom könne nur dahin verstanden werden, daß sie lediglich für die Widerbeklagte zu 3, die in der Berufungsschrift fälschlich als Klägerin zu 3 bezeichnet worden sei, eingelegt worden sei. Nach dem Inhalt der Berufungsschrift sei die Berufung ausdrücklich namens und in Vollmacht der "Klägerin" eingelegt worden. Als Klägerin sei in der Berufung nur die Widerbeklagte zu 3 bezeichnet worden. Auch unter Berücksichtigung des Rubrums der angefochtenen Entscheidung könne die Berufungsschrift nur in diesem Sinne ausgelegt werden, denn auch die Widerbeklagte zu 3 sei durch die angefochtene Entscheidung infolge ihrer Verurteilung auf die Widerklage beschwert. Eine Berufung für den Kläger sei daher nicht fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519 ZPO). Die Berufung der Widerbeklagten zu 3 sei nicht gemäß § 520 ZPO begründet worden. Für den Widerbeklagten zu 2 sei keine Berufung eingelegt.

Gegen den seinen Prozeßbevollmächtigten am zugestellten Beschluß hat der Kläger am Rechtsbeschwerde eingelegt und innerhalb verlängerter Frist am begründet.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO).

a) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung allerdings dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Das kann insbesondere auch bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Fall sein, etwa wenn der angefochtene Beschluß die Parteien in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder wirkungsvollen Rechtschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt (vgl. Senatsbeschluß vom - VI ZB 32/03 - z.V.b.). Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten muß allerdings aus den Darlegungen des Beschwerdeführers im Einzelfall klar zu Tage treten, also offenkundig sein, und die angefochtene Entscheidung muß hierauf beruhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 16/02 - BGHZ 151, 221, 226 f.; vom - V ZR 291/02 - NJW 2003, 1943, 1946 f.).

b) Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einem entscheidungserheblichen und klar zu Tage tretenden Verstoß gegen die Verfahrensgrundrechte des Klägers; sie ist zudem einzelfallbezogen und erfordert deshalb keine korrigierende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

aa) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (früher: § 518 Abs. 2 ZPO a.F.) nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll (vgl. Senat, Urteil vom - VI ZR 316/97 - VersR 1999, 900; Beschluß vom - VI ZB 12/00 - VersR 2000, 1299, 1300; vom - VI ZB 12/95 - VersR 1996, 251). Daran fehlt es beispielsweise, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer, mit ihm nicht identischer Beteiligter bezeichnet wird (vgl. - VersR 1998, 1529). Das bedeutet zwar nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (vgl. - VersR 1999, 636, 638; vom - VI ZR 316/97 - aaO; Senatsbeschlüsse vom - VI ZB 1/00 - NJW-RR 2000, 1371, 1372 sowie vom - VI ZB 12/00 - aaO). An Umständen, die eine solche Klärung ermöglichen könnten, fehlt es vorliegend jedoch.

bb) Die entscheidende Frage, wer mit der Berufungsschrift vom Berufung eingelegt hat, ist allein anhand dieses Schriftsatzes nämlich nicht zuverlässig zu beantworten. Zwar sind der Kläger und die beiden anderen Widerbeklagten jeweils einzeln als "Berufungskläger" bezeichnet; andererseits sollte die Berufung ausdrücklich "namens und in Vollmacht der Klägerin" eingelegt werden. Die einzige weibliche (juristische) Person auf Klägerseite war jedoch die Widerbeklagte zu 3. Nur diese war im Eingang der Berufungsschrift zudem mit dem Zusatz "Klägerin" kenntlich gemacht. Hierdurch und durch den textlichen Hinweis kam in dem Schriftsatz zum Ausdruck, daß die Berufung für die Widerbeklagte zu 3) eingelegt werden sollte.

Wenn zusätzlich berücksichtigt wurde, daß der Kläger durch seine Firma bezeichnet worden war (vgl. § 17 Abs. 1 HGB), blieb unklar, wer Berufungsführer sein sollte, der Kläger unter seiner Firma, die Widerbeklagte zu 3, die irrig als Klägerin bezeichnet war, oder beide. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von der Fallgestaltung, die der von der Rechtsbeschwerde genannten Entscheidung des - NJW-RR 1999, 1587) zugrundelag.

Diese Unklarheiten die aus der Berufungsschrift allein nicht zu beheben waren, machten die Berufung unzulässig. Die Zweifel des Berufungsgerichts insoweit können nicht als lediglich theoretisch angesehen werden, wie die Rechtsbeschwerde meint.

c) Bei anderer Würdigung der Berufungsschrift wäre die Entscheidung des Landgerichts zwar möglicherweise fehlerhaft. Verfahrensgrundrechte des Klägers wären jedoch auch in diesem Fall nicht offenkundig verletzt. Auch eine Bedeutung der Entscheidung für die Allgemeinheit fehlt. Es handelt sich vielmehr um die Auslegung einer Berufungsschrift in einem Einzelfall, die keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 464 Nr. 9
QAAAC-02576

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja