BGH Beschluss v. - V ZR 120/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7; BGB § 124; BGB § 273; BGB § 320; BGB § 348

Instanzenzug: OLG München 5 U 2422/03 vom

Gründe

I.

Der Beklagte verkaufte durch notariellen Vertrag vom Miteigentumsanteile an einem in München belegenen Grundstück an die - am Berufungs- und Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligte - Klägerin. Mit einem als Kaufvertragsnachtrag bezeichneten notariellen Vertrag vom verkaufte der Beklagte mit Zustimmung der Klägerin einen Teil dieser Miteigentumsanteile an die Drittwiderbeklagte, die den hierfür vereinbarten Preis von 80.000 DM an den Beklagten zahlte. Im Jahr 2002 erklärte der Beklagte wegen Verzugs der Klägerin mit Fälligkeitszinsen den Rücktritt von dem mit ihr geschlossenen Kaufvertrag.

Im Hinblick auf den engen Zusammenhang beider Verträge betreibt der Beklagte auch die Rückabwicklung des Vertrags mit der Drittwiderbeklagten. Er hat deshalb eine Löschungsbewilligung für die zu ihren Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung verlangt. Gegen den von der Drittwiderbeklagten im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat der Beklagte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 52.000 € erklärt. Er hat den Anspruch mit dem Zinsschaden begründet, welcher ihm dadurch entstanden sei, dass er das Eigentum an den - zwischenzeitlich anderweit verkauften - Miteigentumsanteilen wegen der Auflassungsvormerkung nicht übertragen und deshalb den mit dem neuen Erwerber vereinbarten Kaufpreis nicht fällig stellen könne.

Das Landgericht hat die auf Erteilung einer Löschungsbewilligung gerichtete Drittwiderklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Drittwiderbeklagte zur Abgabe der Löschungsbewilligung verurteilt, jedoch nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von 40.903,35 € (= 80.000 DM). Den weitergehenden, auf die unbedingte Verurteilung der Drittwiderbeklagten gerichteten Antrag des Beklagten hat es zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten.

II.

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat.

1. Nicht zu beanstanden und von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht angegriffen ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich die Drittwiderbeklagte bei Anwendung der Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 ff. BGB a.F.) mit der Erteilung der Löschungsbewilligung nicht in Verzug befunden habe und deshalb für den geltend gemachten Zinsschaden des Beklagten nicht hafte. Da der Drittwiderbeklagten wegen des gezahlten Kaufpreises nach § 348 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht entsprechend § 320 BGB zusteht, konnte sie mit der Erteilung der Löschungsbewilligung nur in Verzug geraten, wenn der Beklagte mit der Handlung, die geeignet war, ihren Verzug zu begründen, hier also mit der Erhebung der Widerklage, die ihm obliegende Gegenleistung angeboten hätte (vgl. Senat, BGHZ 113, 232, 236; BGHZ 84, 42, 44; MünchKomm-BGB/Ernst, 4. Aufl., § 286 Rdn. 23). Daran fehlt es.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt aber zu Recht, dass die von dem Beklagten in erster Instanz erklärte Anfechtung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags und der dazu gehaltene Vortrag unberücksichtigt geblieben sind. Hierdurch ist der Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden. Zwar spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass ein Gericht seiner Verpflichtung zur Kenntnisnahme und Erwägung des Parteivorbringens nachgekommen ist. Das gilt aber dann nicht, wenn das Gericht Vortrag, welcher sich unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung als entscheidungserheblich darstellt, begründungslos übergeht (vgl. BVerfGE 86, 133, 146).

So liegt es hier. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass die von dem Beklagten erklärte Anfechtung des mit der Klägerin geschlossenen Kaufvertrags bei der Entscheidungsfindung erwogen worden ist. Das Berufungsgericht hätte auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung jedoch prüfen müssen, ob die Anfechtung zur Nichtigkeit dieses Vertrags und damit - weil beide Verträge nach seinen Feststellungen als untrennbare Einheit anzusehen sind und ein einheitliches rechtliches Schicksal haben sollten - auch zur Nichtigkeit des Kaufvertrags mit der Drittwiderbeklagten geführt hat. Sollte dies der Fall sein, könnte die Drittwiderbeklagte durch die Erhebung der (unbedingten) Widerklage mit der Erteilung der Löschungsbewilligung nämlich in Verzug geraten und der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch des Beklagten begründet sein.

Bei Nichtigkeit des Vertrags wären die erbrachten Leistungen nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln. In diesem Rahmen hätte der Beklagte die Rückzahlung des Kaufpreises nicht von sich aus anbieten müssen, da die Saldotheorie, die der synallagmatischen Struktur eines gegenseitigen Vertrags bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung Rechnung trägt, keine Anwendung findet, wenn ein Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist (vgl. BGHZ 57, 137, 150 f.; ; WM 1990, 1059, 1061). Der Drittwiderbeklagten stünde dann lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu. Ein solches Recht hindert den Eintritt des Verzugs aber nur, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird (vgl. , NJW 1971, 421; MünchKomm-BGB/Krüger, 4. Aufl., § 273 Rdn. 93). Dass sich die Drittwiderbeklagte bereits vor Erhebung der Widerklage auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hätte, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.

3. Der übergangene Vortrag des Beklagten erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als unerheblich.

a) Anfechtung und Rücktritt schließen sich nicht aus, sondern können nebeneinander geltend gemacht werden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 142 Rdn. 2). Kommt es für eine bestimmte Rechtsfolge auf die Unterscheidung an, ist die Anfechtung vorrangig, weil sie dazu führt, dass das Rechtsgeschäft von Anfang nichtig ist (§ 142 Abs. 1 BGB).

b) Eine arglistige Täuschung seitens des Geschäftsführers der Klägerin und Drittwiderbeklagten, die zur Anfechtung berechtigen könnte, ist schlüssig dargetan. Der Beklagte beruft sich darauf, dass er den Kaufvertrag mit der Klägerin nicht abgeschlossen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass deren Geschäftsführer ein Jahr zuvor die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und zumindest zweimal wegen Betrugs bzw. Steuerhinterziehung inhaftiert war. Trifft dies zu, könnte der Geschäftsführer der Klägerin, der sich als seriöser Geschäftsmann bezeichnet haben soll, eine Offenbarungspflicht verletzt haben. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin mit dem Kaufvertrag vom eine Verbindlichkeit von 1,5 Mio. DM übernommen hat, wovon mehr als 1,4 Mio. DM erst am , also über ein Jahr nach Vertragsabschluss fällig waren, musste sie nämlich bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten offenbaren, da diese geeignet waren, den Vertragszweck zu vereiteln (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 15/73, NJW 1974, 1505). Dass solche Schwierigkeiten tatsächlich bestanden haben, legen unter anderem die Ausführungen des Beklagten zu dem Zahlungsverhalten der Klägerin gegenüber Frau O. und der Umstand nahe, dass die Klägerin zwischenzeitlich wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden ist. Zur Einhaltung der Anfechtungsfrist des § 124 BGB hat der Beklagte ebenfalls vorgetragen.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

Fundstelle(n):
IAAAC-01948

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein