BGH Beschluss v. - IXa ZB 14/04

Leitsatz

[1] Nach § 95 AO eidesstattlich versicherte Angaben des Schuldners zu seinem Vermögen stehen der Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO nicht entgegen.

Gesetze: ZPO § 807; AO § 95

Instanzenzug: AG Waiblingen

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin aus dem Versäumnisurteil des ) die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung. Auf seinen Antrag hat der zuständige Gerichtsvollzieher einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den anberaumt. In diesem Termin erschien für die Schuldnerin deren Prozeßbevollmächtigter und widersprach der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit der Begründung, daß die Schuldnerin bereits am vor dem Finanzamt Waiblingen eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 95 Abgabenordnung (AO) abgelegt habe, welche auch dem Gläubiger mit Schreiben vom offengelegt worden sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestehe daher nicht. Das Amtsgericht Waiblingen hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht Stuttgart durch den angefochtenen Beschluß verworfen. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, daß ein Schuldner zur wiederholten Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 903 ZPO nur dann nicht verpflichtet ist, wenn er bereits eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO oder nach § 284 AO abgegeben hat. Der Umstand, daß die Schuldnerin eine strafbewehrte Versicherung an Eides Statt nach § 95 AO vor dem Finanzamt Waiblingen abgegeben habe, stehe dem Verlangen des Gläubigers nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO nicht entgegen. Auf die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach anderen Bestimmungen sei die Regelung des § 903 ZPO nicht anzuwenden. Dafür spreche neben dem Wortlaut der Norm auch der Umstand, daß sich die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 95 AO inhaltlich nicht mit derjenigen nach § 807 ZPO bzw. § 284 AO decke und anderen Zwecken diene; insbesondere könne die Versicherung nach § 95 AO nicht mit Zwangsmitteln erzwungen und überdies auch nicht in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen werden. Im übrigen stehe auch der Grundsatz der Rechtssicherheit einer Ausweitung des § 903 ZPO über die in dieser Vorschrift ausdrücklich geregelten Fälle entgegen.

2. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, daß ein Rechtsschutzinteresse des Gläubigers an der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO fehle. Sinn und Zweck der Regelung des § 903 ZPO geböten es, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fälle auszudehnen, in denen der Schuldner eine eidesstattliche Versicherung nach § 95 AO abgelegt und diese dem Gläubiger offengelegt habe. Durch die Offenlegung habe der Gläubiger bereits Gewißheit über die Vermögenslage des Schuldners. Damit sei der zur Durchführung der Vollstreckung erforderliche Kenntnisstand gewährleistet, der durch die Strafbewehrung nach § 95 Abs. 3 AO auch die erforderliche Zuverlässigkeit aufweise. Die fehlende Eintragbarkeit der freiwillig abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nach § 95 AO in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO sei demgegenüber ohne Bedeutung. Das Schuldnerverzeichnis diene dazu, die Handhabung der Regeln über die erneute Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 903 ZPO) und die erneute Verhaftung (§ 914 ZPO) zu erleichtern. Außerdem trage es den Interessen des Rechtsverkehrs daran Rechnung, sich bei Zweifeln an der Kreditwürdigkeit eines Schuldners informieren zu können. Lege der Schuldner die freiwillig abgegebene eidesstattliche Versicherung vor, könne anhand dieser auch ohne Eintrag in das Vermögensverzeichnis überprüft werden, ob eine unzulässige Wiederholung vorliege. Auf die Interessen des Rechtsverkehrs könne sich der Gläubiger nicht berufen.

3. Die Auffassung des Beschwerdegerichts trifft zu. Die Argumente der Rechtsbeschwerde vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen.

a) Nach § 95 AO eidesstattlich versicherte Angaben des Schuldners zu seinem Vermögen stehen der Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO nicht entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 903 ZPO ist eine wiederholte eidesstattliche Versicherung nur in den Fällen, in denen der Schuldner in den letzten drei Jahren eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO oder § 284 AO abgegeben hat, grundsätzlich ausgeschlossen und nur ausnahmsweise unter den dort genannten besonderen Voraussetzungen zulässig. Eidesstattliche Versicherungen nach anderen Vorschriften befreien nicht von der Pflicht zur Abgabe der Versicherung nach § 807 ZPO (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 3. Aufl. § 903 Rn. 2; Zöller/Stöber ZPO 24. Aufl. § 903 Rn. 2; Stein/Jonas/Münzberg ZPO 21. Aufl. § 903 Rn. 2; Gottwald, Zwangsvollstreckungsrecht 4. Aufl. § 903 Rn. 2; LG Detmold Rpfleger 1987, 165, 166). Die hervorgehobene Bedeutung der eidesstattlichen Versicherungen nach § 807 ZPO und § 284 AO zeigt der Vergleich mit § 915 ZPO: nur die Personen, die nach diesen Vorschriften eidesstattliche Versicherungen abgegeben haben, sind in das Schuldnerverzeichnis eintragbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ermessensgerecht, wenn die Finanzbehörde eine auf § 284 AO gestützte Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erläßt, obwohl der Vollstreckungsschuldner die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 95 AO anbietet (vgl. BFH BStBl. II 1992, 57; BFH/NV 2002, 617 und 1413; Klein/Brockmeyer, AO 8. Aufl. § 95 Rn. 2 m.w.N.). Daß der Rechtsverkehr ein schützenswertes Interesse an der Führung des Schuldnerverzeichnisses hat, spricht dafür, § 903 ZPO nicht abweichend von § 915 ZPO erweiternd auszulegen.

b) Die Überlassung eines nach § 95 AO an Eides statt versicherten Vermögensverzeichnisses läßt grundsätzlich auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers an einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO entfallen. Nach in Rechtsprechung und Schrifttum praktisch einhellig vertretener Auffassung setzt zwar das Verfahren der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers voraus, dieses liegt aber im Regelfall vor und muß vom Gläubiger nicht dargetan werden (vgl. BVerfG 48, 396, 401; 61, 126, 134 f; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 900 Rn. 7). Das Rechtsschutzbedürfnis kann in Ausnahmefällen fehlen, wenn beispielsweise der Gläubiger die Vermögenslage des Schuldners sicher kennt (vgl. LG Stade DGVZ 1999, 8; LG Berlin Rpfleger 1992, 168; LG Detmold, Rpfleger 1987, 165; LG Köln MDR 1987, 944; LG Verden, Rpfleger 1986, 186; MünchKomm-ZPO/Eickmann 2. Aufl. § 807 Rn. 21 ff; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 900 Rn. 8; Gottwald aaO § 807 Rn. 7 ff; § 900 Rn. 8; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht 7. Aufl. Rn. 1135; Schuschke/ Walker aaO § 807 Rn. 7; Schnigula, Das Offenbarungsverfahren - Darstellung der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, S. 19 ff; Koch, Offenbarungseid und Haft S. 59 f; Behr, Rpfleger 1988, 1, 2; Mümmler, JurBüro 1987, 647, 648 f; vgl. auch LG Itzehoe Rpfleger 1985, 153). Eine solche sichere Kenntnis ergibt sich generell nicht bereits daraus, daß der Schuldner nach anderen Verfahrensvorschriften Angaben zu seinem Vermögen an Eides Statt versichert hat (vgl. MünchKomm-ZPO/Eickmann aaO § 807 Rn. 24; Musielak/Becker aaO § 807 Rn. 7; LG Detmold Rpfleger 1987, 165). Der Gläubiger braucht auf die inhaltliche Richtigkeit einer solchen nicht im Verfahren nach § 807 ZPO oder § 284 AO abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nicht zu vertrauen. Die nach anderen Verfahrensvorschriften abgegebene eidesstattliche Versicherung kann anderen Zwecken dienen als einer vollständigen Offenbarung der Vermögenswerte des Schuldners und der eventuell anfechtbaren Rechtshandlungen nach § 807 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Es besteht auch die Möglichkeit, daß im Verfahren nach § 807 ZPO eine Erörterung des Vermögensverzeichnisses durch den Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner oder die Ausübung des Fragerechts durch den Gläubiger doch zu einer Feststellung von pfändbaren Vermögenswerten führen.

Für den Ausnahmefall, daß der Gläubiger sichere Kenntnis von den Vermögenswerten des Schuldners hat, trägt dieser die Darlegungs- und Beweislast. Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin ein rechtsmißbräuchliches Verlangen des Gläubigers nicht hinreichend dargetan. Nach ihrem Vortrag bleibt schon unklar, ob sie von der Finanzbehörde zu einer vollständigen Offenbarung ihrer Vermögensverhältnisse aufgefordert worden ist. Dies läßt die Möglichkeit offen, daß die Finanzbehörde nur die Glaubhaftmachung bestimmter Tatsachen zur Vermögenslage der Schuldnerin gefordert hat, eine umfassende Pflicht zur Aufdeckung aller Vermögenswerte oder gegebenenfalls anfechtbarer Rechtsgeschäfte also gerade nicht bestand. Darüber hinaus sind aber auch die vorstehend dargelegten allgemeinen Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit eines nicht nach § 807 ZPO eidesstattlich versicherten Vermögensverzeichnisses hier nicht ausgeräumt.

Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2004 S. 385 Nr. 4
DStR 2004 S. 1265 Nr. 30
TAAAC-01110

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein