BGH Urteil v. - IX ZR 42/05

Leitsatz

[1] a) Ein der Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass fällt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben in die Insolvenzmasse.

b) Der unter Testamentsvollstreckung stehende Nachlass, der in die Insolvenzmasse fällt, bildet bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung eine Sondermasse, auf die die Nachlassgläubiger, nicht aber die Erbengläubiger Zugriff nehmen können.

c) Der gegen den Erben wegen des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu führende Rechtsstreit ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen gegen den Insolvenzverwalter zu richten. Ein infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochener Prozess gegen den Erben ist gegen den Insolvenzverwalter aufzunehmen.

d) Die Verurteilung des Insolvenzverwalters zur Zahlung wegen eines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Schuldner ist auf den vom Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlass zu beschränken.

e) Bei Testamentsvollstreckung kann der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Schuldner in voller Höhe zur Tabelle angemeldet und durch Urteil festgestellt werden.

Gesetze: BGB § 2213; BGB § 2214; InsO § 35; InsO § 36; InsO § 38; InsO § 52; InsO § 83; InsO § 86 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 240

Instanzenzug: LG Bonn 9 O 287/03 vom OLG Köln 2 U 72/04 vom

Tatbestand

Die beiden Kläger sind die Söhne der Erblasserin aus erster Ehe, der ehemalige Beklagte zu 1 (im Folgenden: Schuldner) ihr Sohn aus zweiter Ehe. Die Erblasserin setzte den Schuldner testamentarisch als Alleinerben ein. Gleichzeitig ordnete sie "bis zur Regelung aller Erbangelegenheiten" Testamentsvollstreckung an und bestimmte den am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2 zum Testamentsvollstrecker. Der Schuldner nahm die Erbschaft an, der Beklagte zu 2 trat das Amt des Testamentsvollstreckers an. Die Kläger erhoben wegen ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche Stufenklage auf Auskunft und Zahlung gegen den Schuldner sowie Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass gegen den Testamentsvollstrecker. Der ehemalige Beklagte zu 1 wurde zunächst rechtskräftig zur Auskunft verurteilt. Danach wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet; der jetzige Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagter) wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner erteilte die Auskunft; die Kläger meldeten ihre Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zur Tabelle an. Nachdem der Beklagte die angemeldeten Beträge bestritten hatte, haben die Kläger den Rechtsstreit aufgenommen und vom Beklagten Auszahlung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Nachlass verlangt, für den Fall des Ausfalls Feststellung ihrer Ansprüche zur Tabelle. Gegen den Testamentsvollstrecker haben sie den Duldungsanspruch weiterverfolgt, den dieser in Höhe der Verurteilung des Beklagten anerkannt hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, den Beklagten jedoch unbeschränkt zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufungen des Beklagten und der Kläger hat das Berufungsgericht (das Urteil ist unter anderem abgedruckt in ZIP 2005, 452) die Zahlungspflicht auf den Nachlass beschränkt und die weitergehende Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht meint, der gemäß § 240 ZPO unterbrochene Rechtsstreit sei von den Klägern wirksam aufgenommen worden. Der Beklagte sei passiv legitimiert. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben erfasse auch den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass. Der Beklagte könne und müsse in entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Zahlung in Anspruch genommen werden, weil der Titel gegen den Beklagten wegen der Regelung des § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB notwendig sei.

Soweit die Ansprüche der Kläger aus dem Nachlass nicht befriedigt werden könnten, seien ihre (Rest-)Forderungen zur Insolvenztabelle festzustellen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung stand.

1. Der Beklagte ist hinsichtlich des gesamten Klageanspruchs, also auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, passiv legitimiert, weil der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt, §§ 35, 36, 80 Abs. 1 InsO.

Es ist allerdings umstritten, ob ein Nachlass, für den Testamentsvollstreckung angeordnet ist, Bestandteil der Insolvenzmasse ist, wenn über das Vermögen des Erben das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das wird unter Berufung auf § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 2214 BGB zum Teil abgelehnt (OLG Düsseldorf KTS 1962, 115, 116; Soegel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2214 Rn. 1, 3; MünchKomm-BGB/Zimmermann, 4. Aufl. § 2214 Rn. 3; Bamberger/Roth/Mayer, BGB § 2214 Rn. 4; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 35 Rn. 19; Braun/Bäuerle, InsO 2. Aufl. § 35 Rn. 8; Muscheler, Die Haftungsanordnung der Testamentsvollstreckung, S. 101), nach anderer Auffassung dagegen bejaht (LG Aachen NJW 1960, 46, 48; Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechtshandbuch, 2. Aufl. § 31 Rn. 129; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 234 Rn. 6; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 83 Rn. 5; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 83 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 331 Rn. 7; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 17. Aufl. Rn. 474).

Das Berufungsgericht hat sich zutreffend der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen.

a) Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass vorläufig in die Masse. Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht aber ausschließlich dem Schuldner zu, § 83 Abs. 1 InsO. Hat er die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein (Palandt/Edenhofer, BGB 65. Aufl. § 1942 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 3).

Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse (MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 5; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 83 Rn. 3 f; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 83 Rn. 5 f), aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) zu befriedigen sind, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1975 ff BGB (MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 6 f; HK-InsO/Eickmann, aaO § 83 Rn. 5; Kübler/Prütting/Lüke, aaO § 83 Rn. 6).

b) Für den Fall der Testamentsvollstreckung kann nichts anderes gelten. Auch hier fällt der Nachlass mit dem Erbfall vorläufig, mit der Annahme der Erbschaft endgültig in die Masse. Die Testamentsvollstreckung besteht allerdings auch während des Insolvenzverfahrens fort mit der Folge, dass die Verfügungsbeschränkung des Erben nach § 2211 BGB auch für den Insolvenzverwalter gilt, die Erbengläubiger keine Befriedigung aus den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gegenständen verlangen können (§ 2214 BGB) und der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Befugnisse den Nachlass verwalten und über Nachlassgegenstände verfügen kann. Bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung kann daher der Insolvenzverwalter den Nachlass nicht verwerten. Danach unterliegt er seinem Verwertungsrecht (MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 8; Kübler/Prütting/Lüke, aaO § 83 Rn. 7; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 83 Rn. 5; Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechtshandbuch 2. Aufl. § 31 Rn. 129 f).

Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Revision greifen nicht durch:

aa) Soweit sich die Revision mit der oben zitierten Gegenmeinung auf § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. § 2214 BGB beruft, wird dem Umstand nicht hinreichend Bedeutung zugemessen, dass der unter Testamentsvollstreckung stehende Nachlass gemäß § 2214 BGB nicht schlechthin unpfändbar ist, sondern nur für die Gläubiger des Erben (Schuldners), die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören. Selbst den Gläubigern des Erben ist der Nachlass nicht auf Dauer, sondern nur für die Dauer der Testamentsvollstreckung entzogen. Von einer Unpfändbarkeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO kann daher nicht ausgegangen werden.

Die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits sind im Übrigen Nachlassgläubiger; sie können sich auch gemäß § 2214 BGB an die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlassgegenstände halten.

bb) Der Schutzzweck des § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO wird durch den eintretenden Insolvenzbeschlag nicht berührt. § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO will den Schuldner vor einem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände schützen und ihm einen unantastbaren Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahren (MünchKomm-InsO/Peters, § 36 Rn. 1; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 36 Rn. 2). Dieser Schutzzweck wird durch § 2214 BGB nicht beeinträchtigt. Diese Vorschrift hat keinen Einfluss auf den von § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO geschützten Kernbereich der dem Schuldner verbleibenden Güter. Diese verbleiben ihm unabhängig von der Zuordnung des Nachlasses.

§ 2214 BGB bezweckt demgegenüber, dem Testamentsvollstrecker die Erfüllung seiner Aufgaben zu erleichtern (Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. V S. 868). Dieser soll nicht verpflichtet sein, den Erbengläubigern laufend Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen (Achilles/Gebhardt/Spahn, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB, Bd. V, S. 297). Darüber hinaus soll das Vollstreckungsverbot das Verfügungsverbot des § 2211 Abs. 1 BGB absichern (Achilles/Gebhardt/Spahn, aaO).

cc) Für die Lösung, den Nachlass als Teil der Insolvenzmasse anzusehen, sprechen auch die Aufgaben des Insolvenzverwalters. Er muss den Nettowert des Nachlasses für die Insolvenzmasse sichern und sich zu diesem Zweck so schnell wie möglich einen Überblick über den Nachlass verschaffen. Wenn dieser überschuldet ist, hat der Verwalter die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, um die Masse vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger zu schützen (vgl. Uhlenbruck/Lüer, aaO § 317 Rn. 10; MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 6; HK-InsO/Eickmann, aaO § 83 Rn. 4; Marotzke, Festschrift Otte (2005) 223, 228 f, 230). Wenn der Nachlass hingegen werthaltig ist, muss er prüfen, ob es zweckmäßig ist, Ansprüche aus § 2217 BGB geltend zu machen.

Der Insolvenzverwalter wird dadurch nicht gezwungen, auf Kosten der Masse aufwendige Prozesse zu führen. Soweit er den Anspruch für begründet hält, kann er ihn nach Prüfung (ganz oder teilweise) anerkennen. Hält er den Rechtsstreit wegen geringer Aussichten auf eine Mehrung der Masse für unzweckmäßig und ist eine Beeinträchtigung der Masse infolge Erbenhaftung nicht zu befürchten, kann er die Erbschaft freigeben. Das Kostenrisiko ist damit nicht höher als bei anderen Streitigkeiten, die zu einer Mehrung der Masse führen können, etwa bei Anfechtungsprozessen.

dd) Die Revision weist unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur (v. Buch NJW 1960, 46, 47; Muscheler, aaO S. 101 f) darauf hin, dass der Testamentsvollstrecker gemäß § 2206 BGB berechtigt ist, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen. Sie meint, dass im Falle einer Beendigung der Testamentsvollstreckung vor Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten, etwa infolge Tod des Testamentsvollstreckers, der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet sei, alle diese Gläubiger zu befriedigen, da diese bei Eingehung einer Verbindlichkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder Masse- noch Insolvenzgläubiger seien. Deshalb würde jedenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben niemand mehr mit dem Testamentsvollstrecker kontrahieren wollen, die Arbeit des Testamentsvollstreckers also erheblich beeinträchtigt werden.

Diese Überlegung rechtfertigt keine andere Beurteilung: Der Erblasser kann für den Fall, dass das Amt des Testamentsvollstreckers vorzeitig endet, Vorsorge für die Übernahme des Amtes durch eine weitere Person treffen (vgl. §§ 2197 bis 2200 BGB). Der Testamentsvollstrecker ist in der Lage, die Ansprüche von Vertragspartnern in geeigneter Weise abzusichern, ihnen etwa Sicherungsrechte an Nachlassgegenständen einzuräumen. Sind seit der Annahme der Erbschaft noch keine zwei Jahre vergangen, kann außerdem der Nachlassgläubiger gemäß § 1981 Abs. 2 BGB Nachlassverwaltung beantragen. Dadurch wird die Erfüllung seiner Forderung aus dem Nachlass sichergestellt. Innerhalb dieser Frist besteht die Möglichkeit, bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen (§§ 317, 320 InsO) und so den Zugriff der Erbengläubiger auf den Nachlass auszuschließen. Nach Ablauf der Frist kann jedenfalls der Insolvenzverwalter nach § 1981 Abs. 1 BGB Antrag auf Nachlassverwaltung stellen (MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 6).

Letztlich ist § 331 Abs. 1 InsO entsprechend anwendbar (MünchKomm-InsO/Siegmann, § 331 Rn. 7; HK-InsO/Marotzke, aaO § 331 Rn. 7). Dies hat gemäß § 52 InsO zur Folge, dass der Nachlassgläubiger auch für die vom Testamentsvollstrecker nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Nachlassverbindlichkeiten wenigstens als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben teilnehmen kann.

c) Der unter Testamentsvollstreckung stehende Nachlass bildet eine Sondermasse (vgl. BGHZ 71, 296, 304; OVG Berlin ZIP 1995, 1432, 1434), aus der nur die Nachlassgläubiger zu befriedigen sind (Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechtshandbuch, aaO § 31 Rn. 129 f; HK-InsO/Marotzke, aaO § 331 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Siegmann, § 331 Rn. 7). Die Bildung einer Sondermasse ist immer dann erforderlich, wenn aus einem Teil der Masse nur bestimmte Gläubiger befriedigt werden, während den anderen Gläubigern nur die übrige Masse haftet (vgl. Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 141; MünchKomm-InsO/Lwowski, InsO § 35 Rn. 74; Uhlenbruck, InsO aaO § 35 Rn. 7). Das Erfordernis der Sondermasse ergibt sich hier aus § 2214 BGB.

Diese Lösung ist sachgerecht. Einerseits können hiernach die Nachlassgläubiger die Erbengläubiger vom Zugriff auf den Nachlass ausschließen (vgl. § 2214 BGB). Andererseits endet ihr Vorrecht mit dem Ende der Testamentsvollstreckung, weil sich mit deren Wegfall die Sondermasse mit der übrigen Insolvenzmasse vereinigt.

d) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind bei Testamentsvollstreckung Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB gegen den Erben und nicht gegen den Testamentsvollstrecker geltend zu machen (BGHZ 51, 125, 129; MünchKomm-BGB/Zimmermann, 4. Aufl. § 2213 Rn. 13; Palandt/Edenhofer, aaO § 2213 Rn. 6). Daneben braucht der Pflichtteilsberechtigte aber, will er sich durch Zwangsvollstreckung in den der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlass befriedigen, gegen diesen einen Titel auf Duldung der Zwangsvollstreckung, § 2213 Abs. 3 BGB, § 748 Abs. 3 ZPO (BGHZ 51, 125, 130; MünchKomm-BGB/Zimmermann aaO; Palandt/Edenhofer aaO). Die Zahlungsklage muss deshalb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter gerichtet werden, weil auf diesen das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners gemäß § 80 Abs. 1 InsO übergegangen ist, soweit es sich nicht beim Testamentsvollstrecker befindet. Letzteres ist hier nicht der Fall, wie sich aus § 2213 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB ergibt.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision besteht für die Passivlegitimation des Insolvenzverwalters auch ein Bedürfnis zum Schutz der Insolvenzgläubiger. Nur wenn der Insolvenzverwalter an die Stelle des Erben tritt, kann er die Berechtigung der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche überprüfen und so eine Schädigung der Masse verhindern. In aller Regel wird zwar der Streit um den Pflichtteil zwischen den Berechtigten, den Erben und dem Testamentsvollstrecker einvernehmlich geregelt werden. Aber auch in diesem Fall muss der Insolvenzverwalter beteiligt werden, um Regelungen zu Lasten der Erbengläubiger zu verhindern. Die Wahrung der Interessen der Erbengläubiger durch den Testamentsvollstrecker ist nicht gesichert. Dieser hat gegenüber den Erbengläubigern keine Verpflichtung. Es ist nicht seine Aufgabe, deren Vermögensinteressen zu schützen. Im Gegenteil wird er sich aufgrund der Nähe zum Erblasser eher dem Erben verpflichtet fühlen. Der Schadensersatzanspruch aus § 2219 BGB schützt die Erbengläubiger nicht, weil die Zustimmung des Erben zur Verfahrensweise des Testamentsvollstreckers den Schadensersatzanspruch entfallen lässt (MünchKomm-BGB/Zimmermann, aaO § 2219 BGB Rn. 3).

bb) In der Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB sei auf den Fall des Insolvenzverfahrens analog anzuwenden (Marotzke ZEV 2005, 310). Der Insolvenzverwalter dürfe den Schuldner in Pflichtteilsangelegenheiten nicht "bevormunden"; das ergebe sich schon daraus, dass dies auch der Testamentsvollstrecker nicht dürfe.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Den Materialien zum BGB ist nicht zu entnehmen, dass der Streit um das Erb- oder Pflichtteilsrecht für den Erben höchstpersönlicher Natur ist. Vielmehr geht es in § 2213 BGB darum, die vormalige Stellung des Testamentsvollstreckers als gleichsam fortlebendem Erblasser zurückzudrängen. Der Testamentsvollstrecker trat nach gemeinem Recht an die Stelle des Erblassers und war damit der berufene Verteidiger des Testaments, also der testamentarisch bestimmten Erben gegen die gesetzlichen Erben (RGZ 9, 208, 210; dagegen aber RG Seufferts Archiv 46 Nr. 269). Nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll der Streit um das Erbrecht auch bei Anordnung der Testamentsvollstreckung zwischen den vermeintlichen Erben ausgetragen werden (Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. V S. 125, 676 f). Der Testamentsvollstrecker hat die testamentarischen Bestimmungen auszuführen, nicht als Vertreter des Erblassers das Testament zu verteidigen (Achilles/Gebhardt/Spahn, aaO S. 300). Das Pflichtteilsrecht steht dabei dem Erbrecht gleich; wahrer Beklagter auch dieses Anspruchs ist der Erbe (Mugdan, aaO S. 677; Achilles/Gebhardt/Spahn, aaO S. 300).

Soweit in der Literatur angenommen wird, der Regelung des § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB liege der Gedanke zugrunde, dass das Pflichtteilsrecht dem außerhalb der Verwaltung liegenden Erbrecht nahe stehe und für den Erben häufig mit persönlichen Problemen verbunden sei (MünchKomm-BGB/Zimmermann, aaO § 2213 Rn. 13; § 2205 Rn 7; Staudinger/Reimann, BGB Bearbeitung 2003 § 2213 Rn. 16), kann dies nicht zu einer gleichartigen Beschränkung des Aufgabenkreises des Insolvenzverwalters führen. Anders als der Testamentsvollstrecker, der nicht zur Führung von Rechtsstreitigkeiten über das Erbrecht und das Pflichtteilsrecht berufen ist, geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners über sein Vermögen umfassend auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Als höchstpersönliches Recht ist dem Schuldner das Recht auf Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft in § 83 InsO vorbehalten. Weitergehende höchstpersönliche Rechte sieht die InsO in diesem Zusammenhang aber nicht vor. § 83 Abs. 1 InsO ist eine abschließende Sondervorschrift (MünchKomm-InsO/Schumann, § 83 Rn. 13; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 83 Rn. 12). Eine Regelungslücke besteht danach nicht. Der Streit um den Pflichtteil betrifft damit im Insolvenzverfahren einen allgemeinen vermögensrechtlichen Anspruch, kein höchstpersönliches Recht des Erben. Die rechtliche Auseinandersetzung hierüber obliegt im Interesse der Insolvenzgläubiger dem Insolvenzverwalter.

2. Der Rechtsstreit war durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, weil er die Insolvenzmasse betraf. Er ist von den Klägern wirksam in vollem Umfang gegen den Beklagten aufgenommen worden.

a) Hinsichtlich der Anträge auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung an die Kläger aus dem vom Beklagten zu 2 verwalteten Nachlass der Erblasserin hat das Berufungsgericht dies zutreffend aus einer entsprechenden Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO entnommen. Die Kläger können aus dem von ihnen angestrebten Urteil in das aus dem Nachlass gebildete Sondervermögen, das der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt, vollstrecken. Die zunächst gemäß § 2213 Abs. 1 Satz 3 BGB gegen den Erben zu erhebende Zahlungsklage war nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter zu richten. Die Aufnahme eines solchen Rechtsstreits gegen den Erben ist in der Insolvenzordnung zwar nicht geregelt. Dieser Fall ist aber nach der Interessenlage der Beteiligten demjenigen bei Bestehen eines Absonderungsrechtes vergleichbar, bei dem abgesonderte Befriedigung aus einem Pfandrecht gemäß §§ 50, 166 bis 173 InsO verlangt werden kann.

b) Soweit die Feststellung zur Tabelle begehrt wird, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, die nach der Anmeldung zur Tabelle und dem Bestreiten des Beklagten gemäß §§ 87, 174 f InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Beklagten und Umstellung in einen Feststellungsantrag weiterverfolgt werden kann (MünchKomm-InsO/Schumacher, § 85 Rn. 3; § 86 Rn. 21).

3. Die Kläger können den Beklagten auf Zahlung in Anspruch nehmen. Auch dies ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Der Grund und die Höhe des Anspruchs gegen den Schuldner sind in der Revision nicht mehr im Streit. Im Hinblick darauf, dass die Forderung gegen die Masse nur eine Insolvenzforderung ist, muss jedoch die Zahlungsverpflichtung auf das Sondervermögen des Nachlasses beschränkt werden. Auch dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen.

4. Die Kläger können auch die Feststellung ihres Anspruchs zur Tabelle verlangen. Sie waren bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 1967 Abs. 1 und 2 BGB Gläubiger des Schuldners und damit wegen der gesamten Forderung Insolvenzgläubiger gemäß § 331 Abs. 1 InsO analog, § 52 Satz 1 InsO (, Rn. 13, z.V.b.). Befriedigung aus der Insolvenzmasse können sie allerdings nur beanspruchen, wenn sie auf die Verwertung des Nachlasses verzichten oder der Erlös nicht zu ihrer Befriedigung ausreicht (§ 52 Satz 2 InsO; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, § 190 Rn. 2; Kübler/Prütting, InsO § 52 Rn. 4). Die Forderung der Kläger ist deshalb vom Berufungsgericht zutreffend in voller Höhe zur Tabelle festgestellt worden (vgl. , WM 1961, 427, 429; MünchKomm-InsO/Ganter, § 52 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, § 190 Rn. 2; Jaeger/Henckel, InsO § 52 Rn. 21 f). Die vorgenommene Beschränkung auf den Ausfall ist überflüssig, aber unschädlich (MünchKomm-InsO/Ganter, § 52 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, § 190 Rn. 2; Jaeger/Henckel, InsO § 52 Rn. 21 f). Die Feststellung bedeutet, dass die Forderung in voller Höhe festgestellt ist, bei der Verteilung aber nur in Höhe des nachgewiesenen Ausfalls berücksichtigt, in das endgültige Teilungsverzeichnis gemäß §§ 188, 189 Abs. 1, §§ 190, 193 InsO aufgenommen und bei der (Schluss)Verteilung berücksichtigt wird (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, § 52 Rn. 20; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, § 190 Rn. 2, 6; § 193 Rn. 4; Jaeger/Henckel, InsO § 52 Rn. 22). Durch die Feststellung in voller Höhe ist der Betrag entgegen der Auffassung der Revision auch hinreichend bestimmt.

Fundstelle(n):
DB 2006 S. 2176 Nr. 40
DNotZ 2006 S. 865 Nr. 11
NJW 2006 S. 2698 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2006 S. 3612
WM 2006 S. 1254 Nr. 26
ZIP 2006 S. 1258 Nr. 27
TAAAC-00848

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja