Leitsatz
[1] Ein Aktivprozeß der Masse liegt auch dann nicht vor, wenn dem Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung vorläufig vollstreckbar ein Anspruch zuerkannt, die ausgeurteilte Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung oder zu ihrer Abwendung erbracht worden ist und der Titelschuldner nunmehr in einem gesonderten Rechtsstreit Ersatz seines Vollstreckungsschadens verlangt (Anschluß an BGH WM 2004, 751).
Gesetze: InsO § 85 Abs. 1; ZPO § 717 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Braunschweig LG Göttingen
Gründe
I.
Der Kläger - ein Architekt - und neun weitere Personen, bei denen es sich überwiegend um Handwerker handelt, zu denen die ursprünglich sechs Beklagten dieses Rechtsstreits gehören, gründeten im Jahre 1982 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu dem Zweck, ein Fachwerkhaus zu erwerben, umzubauen, in Wohnungseigentum aufzuteilen und sodann die einzelnen Eigentumseinheiten zu veräußern und selbst zu nutzen. Die Architektenleistungen wurden dem Kläger übertragen. Dieser legte den übrigen Gesellschaftern eine vorläufige Kostenzusammenstellung über insgesamt 859.000 DM vor und erteilte im Namen der Gesellschaft die Aufträge zur Durchführung des Bauvorhabens. Auftragnehmer waren in der Mehrzahl die Gesellschafter mit ihren Handwerksbetrieben, unter ihnen die Beklagten dieses Rechtsstreits. Die tatsächlichen Baukosten erreichten schließlich einen Gesamtbetrag von 1.545.824,62 DM.
In einem beim Landgericht Göttingen geführten Rechtsstreit (2 O 331/88) nahmen die (jetzigen) Beklagten den (jetzigen) Kläger wegen der Baukostenüberschreitung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht Göttingen verurteilte den Kläger durch Teilurteil vom zur Zahlung von 380.824,62 DM nebst Zinsen. Das Urteil war für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 540.000 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit wurde durch eine Bürgschaft der Sparkasse G. vom erbracht. Nachdem die Bürgschaft dem Kläger unter Androhung der Zwangsvollstreckung zugestellt worden war, zahlte der Kläger die Urteilssumme zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 563.783,71 DM. Nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durch Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom zahlte die Sparkasse G. , nachdem der Kläger sie aus ihrer Prozeßbürgschaft gerichtlich in Anspruch genommen hatte, die Bürgschaftssumme von 540.000 DM an den Kläger.
Im jetzigen Rechtsstreit hat der Kläger die sechs Beklagten auf Erstattung des durch die Bürgschaft nicht gedeckten Teils seiner Zahlung (563.783,71 - 540.000 = 23.783,71 DM) sowie Ersatz weiterer Vollstreckungsschäden in Gestalt einer von ihm geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung für eine Kreditablösung (15.038,48 DM) und von Kreditzinsen (101.631,75 DM), insgesamt also eines Betrages von 140.453,94 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Der Kläger hat zunächst in Höhe der Klagesumme gegen den Beklagten (zu 6) ein Versäumnisteilurteil (vom ) erwirkt, gegen das der Beklagte (zu 6) jedoch rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Auf seinen Antrag hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung gemäß §§ 719, 707 ZPO gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 147.000 DM einstweilen eingestellt und insoweit auch die Beibringung einer Bankbürgschaft zugelassen. Das Landgericht hat sodann durch Grund- und Teilurteil vom die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, ferner die Beklagten zu 1 bis 5 als Gesamtschuldner mit dem Beklagten (zu 6) zur Zahlung von 23.783,71 DM nebst Zinsen verurteilt und in dieser Höhe das Versäumnisteilurteil vom aufrechterhalten. Das Berufungsgericht hat durch "Versäumnisurteil" die - allein vom Beklagten (zu 6) eingelegte - Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung dem Grunde nach richtete, und sie im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Auf den Einspruch des Beklagten hat das Berufungsgericht jenes Urteil aufrechterhalten. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Auf die hier rechtzeitig eingegangene und begründete Revision hat der Senat mit Beschluß vom das Rechtsmittel angenommen, soweit es nicht gemäß § 547 ZPO a.F. unbeschränkt zulässig ist. Der zunächst anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung am ist aufgehoben worden, nachdem bekannt geworden war, daß das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten am eröffnet worden ist.
Mit dem Beklagten am zugestelltem Schriftsatz vom hat der Kläger die Wiederaufnahme des Rechtsstreits erklärt und den Antrag gestellt, das Verfahren fortzusetzen. Aus der Anlage zu diesem Schriftsatz ergibt sich, daß der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom gegenüber dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers erklärt hat, daß er nicht beabsichtige, das Verfahren aufzunehmen. Ferner war dem Aufnahmeschriftsatz in Ablichtung eine Urkunde vom beigefügt, mit der die Sparkasse G. unter Bezugnahme auf den eine Bankbürgschaft in Höhe von 147.000 DM zur Abwendung der Vollstreckung übernimmt. Das Aufnahmebegehren stützt sich im Kern darauf, daß ein Aktivprozeß vorliege, weil "der Kläger aufgrund des Instanzurteils zwar keine Zahlung erhalten, jedoch Sicherheitsleistung erwirkt hat". Der Kläger verfolge weiterhin sein Recht zur Befriedigung aus der Sicherheit, nämlich der von der Sparkasse gestellten Bürgschaft.
II.
Eine Fortsetzung des Revisionsverfahrens kommt derzeit nicht in Betracht. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten ist der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Die Unterbrechung dauert an.
1. Die Unterbrechung ist durch die Erklärung des Klägers, den Rechtsstreit aufzunehmen, nicht beendet. Bei dem zur Entscheidung des Senats stehenden Verfahren handelt es sich nicht um einen Aktivprozeß im Sinne von § 85 Abs. 1 InsO. Die Erklärung des Verwalters, er beabsichtige nicht, das Verfahren aufzunehmen, eröffnet dem Kläger daher nicht die Möglichkeit zur Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 85 Abs. 2 InsO.
Ursprünglich handelte es sich bei der Klage aus § 717 Abs. 2 ZPO um einen Schuldenmassestreit nach § 87 InsO (Passivprozeß). Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zwar ist die Frage, ob es sich bei einem durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreit um einen Aktiv- oder Passivprozeß handelt, nicht nach der formellen Parteirolle zu beantworten, sondern danach, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über die Pflicht zu einer Leistung gestritten wird, die in die Masse zu gelangen hat (, ZIP 1995, 643). Die Annahme des Klägers, ein Aktivprozeß liege vor, weil er "Sicherheitsleistung erwirkt" habe, trifft jedoch nicht zu.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß ein Aktivprozeß nicht vorliegt, wenn über einen von dem Insolvenzschuldner erhobenen Anspruch zu dessen Gunsten erkannt, die ausgeurteilte Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung oder zu ihrer Abwendung erbracht worden ist und der Titelschuldner im Rechtsmittelverfahren wegen seiner Leistung gemäß § 717 Abs. 2 ZPO Ersatz verlangt (vgl. RGZ 85, 214, 219; 122, 51, 53; , WM 1986, 295; v. , aaO; Beschl. v. - V ZR 288/03, WM 2004, 751). Hierfür ist es ohne Bedeutung, daß der Anspruch des Klägers aus § 717 Abs. 2 ZPO durch eine Bürgschaft gesichert ist und ob die Bürgin durch Leistung auf die Bürgschaft die Forderung des Klägers reguliert hat. Selbst ein vollständiger Ausgleich des Schadens des Klägers ließe den Rechtsstreit nicht zu einem für die Masse geführten Aktivprozeß werden (vgl. aaO S. 752).
Zwar liegt es hier insofern anders als in dem vom V. Zivilsenat entschiedenen Fall, als es nicht um einen im Rechtsmittelverfahren anhängig gemachten Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO geht. Der Schadensersatzanspruch wird in diesem Verfahren vielmehr insoweit gesondert eingeklagt. Dies begründet aber keinen rechtserheblichen Unterschied für die Frage, ob ein Aktiv- oder Passivprozeß vorliegt. Denn in jedem Fall macht der Kläger einen Anspruch gegen die Masse geltend.
2. Fehl geht auch die Auffassung des Klägers, er sei zur Aufnahme entsprechend § 86 InsO befugt. Schumacher (MünchKomm-InsO, § 85 Rn. 9), auf den sich der Kläger beruft, will der klagenden Partei mit dieser Analogie nur einen Ausgleich für die Befugnis des Verwalters nach § 85 Abs. 1 InsO geben, die (zunächst) eine Aufnahmebefugnis nach § 85 Abs. 2 InsO sperrt. Darum geht es hier nach Ablehnung der Aufnahme durch den Verwalter jedoch nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1186 Nr. 22
DB 2005 S. 2297 Nr. 42
NJW-RR 2005 S. 989 Nr. 14
NAAAC-00503
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja