BGH Beschluss v. - IX ZB 48/03

Leitsatz

[1] Die verzögerte Bearbeitung des Antrages auf Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht rechtfertigt weder eine Verzinsung des Vergütungsanspruchs noch die Festsetzung eines Zuschlags zur Regelvergütung noch ohne weiteres die Erstattung von "Vorfinanzierungsauslagen".

Gesetze: InsO § 63; InsVV § 3 Abs. 1; InsVV § 4 Abs. 2; InsVV § 9; InsVV § 10; ZPO § 104 Abs. 1 Satz 2; BGB § 286; BGB § 288

Instanzenzug: LG Darmstadt AG Offenbach

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - Offenbach am Main vom zum vorläufigen Verwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der P. GmbH (im folgenden: Schuldnerin) bestellt. Die Bestellung endete mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Beschwerdeführers zum Insolvenzverwalter durch Beschluß vom .

Der Beschwerdeführer hat am beantragt, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 18.397,01 DM (9.406,24 €) festzusetzen. Am hat er zudem beantragt, die festzusetzende Vergütung seit Eingang des Festsetzungsantrags in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ( 8,62 %, § 247 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verzinsen.

Mit Beschluß vom hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - die Festsetzung von Zinsen abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Darmstadt mit Beschluß vom zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); es hat indessen keinen Erfolg. Dem Beschwerdeführer stehen keine Zinsen auf die Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter zu. Außerdem kann weder eine "Kompensation" durch einen gesonderten Zuschlag zur Verwaltervergütung noch eine Erstattung von "Vorfinanzierungsauslagen" erfolgen.

1. Schon unter der Geltung der Konkursordnung und der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats (VergVO) vom (BGBl. I S. 329) war eine Verzinsung der festzusetzenden Vergütung nicht vorgesehen. Auch die Insolvenzordnung und die insolvenzrechtliche Vergütungsordnung (InsVV) ordnen keine Verzinsung der Vergütung ab Eingang des Festsetzungsantrags an.

a) Ein dahingehender Anspruch ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - insbesondere nicht aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO. Allerdings wird in der Literatur (Wasner ZInsO 1999, 132, 134; Hess, in: Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 9 InsVV Rn. 37 ff) teilweise die Meinung vertreten, ein Ausgleich des dem vorläufigen Insolvenzverwalter durch die verspätete Festsetzung seiner Vergütung eintretenden Schadens solle dadurch erfolgen, daß das Gericht in entsprechender Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO die Vergütung verzinse. Die §§ 103 ff ZPO seien auch im Insolvenzverfahren anwendbar (so auch Schmerbach, in: FK-InsO 3. Aufl. § 2 Rn. 34, § 4 Rn. 9; Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO § 4 Rn. 27). Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Kostenerstattung können im Insolvenzverfahren jedoch nur angewendet werden, soweit sich Verfahrensbeteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen (OLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 477 unter Bezugnahme auf OLG Köln ZIP 2001, 1209, 1210 f; ebenso Ganter, in: MünchKomm-InsO § 4 Rn. 27; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4 Rn. 16; Kirchhof, in: HK-InsO 3. Aufl. § 4 Rn. 7; Goetsch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 4 Rn. 11 ff; gegen die Anwendbarkeit von § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus anderen Gründen auch von Holdt ZInsO 2002, 1122, 1123). Dies trifft auf den vorläufigen Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Schuldner nicht zu.

b) Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf Verzinsung seines Vergütungsanspruchs ab Eingang des Festsetzungsantrags hat, wird er damit nicht schlechter behandelt als vergleichbare Berufsgruppen.

Aus § 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO, der auf § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO verweist und damit eine Verzinsung des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten ermöglicht, kann die Rechtsbeschwerde nichts herleiten. Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts ist mit dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht vergleichbar. Die Rechtsanwaltsgebühren werden auf vertraglicher Grundlage geschuldet; lediglich ihre Höhe bemißt sich nach dem Gesetz (§ 1 Abs. 1 BRAGO). Demgegenüber beruht der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf einem Vertragsverhältnis, sondern auf einer Bestellung des Verwalters durch das Insolvenzgericht (§ 56 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter nimmt nicht die Interessen eines Mandanten, sondern eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahr (BGHZ 116, 233, 238). Er ist Träger eines privaten Amtes (vgl. Graeber, in: MünchKomm-InsO § 56 Rn. 107).

Die Vergütungsansprüche des Vormunds (§§ 1836 bis 1836 b BGB), der ebenfalls ein privates Amt wahrnimmt, sind nur im Falle des Verzuges zu verzinsen (LG Stuttgart BtPrax 1999, 158; LG Hildesheim FamRZ 2001, 1642; Palandt/Diederichsen, BGB 63. Aufl. § 1835 Rn. 1, § 1836a Rn. 11), also nicht schon ab Eingang des Festsetzungsantrags. Für den Betreuer gilt Entsprechendes (§ 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Anspruch auf Verzinsung der Vergütung oder Entschädigung im Festsetzungsverfahren nach § 16 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) vom (BGBl. I S. 1756) wird abgelehnt (Meyer/Höver/Bach, ZSEG 21. Aufl. § 16 Rn. 9.6).

c) Dieser Rechtszustand ist interessengerecht. Wie sich aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde ergibt, billigt sie der Festsetzungsstelle durchaus eine angemessene Zeit für die Bearbeitung des Festsetzungsantrags zu. Sie will nur nicht hinnehmen, daß "das die Antragsbearbeitung verschleppende Gericht dem Verwalter faktisch einen zinslosen Zwangskredit zugunsten der Masse abnötigt". Dann schießt sie mit dem Begehren einer Verzinsung ab Eingang des Festsetzungsantrags über das Ziel hinaus.

2. Eine Verzinsung unter dem Gesichtspunkt des Verzuges kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist eine Verbindlichkeit des Schuldners, nicht des Insolvenzgerichts. Ein Verzug des Schuldners setzt voraus, daß seine Verpflichtung auch der Höhe nach feststeht. Bis zur Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht ist das Unterlassen der Leistung nicht schuldhaft. Dies ist auch für die Vergütung des Vormunds anerkannt (BayObLG FamRZ 2002, 767; OLG Zweibrücken Rpfleger 2002, 477; Palandt/Diederichsen, § 1835 BGB Rn. 1).

3. Die Rechtsbeschwerde rügt, sowohl im Festsetzungs- als auch im Beschwerdeverfahren sei verfahrensfehlerhaft ein Hinweis darauf unterblieben, daß die lange Vorfinanzierung der Vergütung durch den Beschwerdeführer mittels eines Zuschlags gemäß § 3 Abs. 1 InsVV hätte aufgefangen werden können. Diese Rüge ist unberechtigt.

Entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung (Blersch, in: Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 9 InsVV Rn. 32) kann der Nachteil, daß der vorläufige Insolvenzverwalter während der Dauer der Bearbeitung seines Antrags nicht über den Betrag seiner Vergütung verfügen kann, nicht als Zuschlag i.S.v. § 3 Abs. 1 InsVV geltend gemacht werden.

Die Vorschrift des § 3 InsVV ist eine Konkretisierung des bereits in § 63 Satz 2 InsO enthaltenen materiell-rechtlichen Grundsatzes, daß dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters durch Abweichungen von dem nach § 2 InsVV ermittelten Regelsatz Rechnung getragen werden muß (Blersch, aaO § 3 InsVV Rn. 1). Dem entsprechend betrifft die Aufzählung in § 3 Abs. 1 InsVV ausschließlich Umstände, die auf den Arbeitsaufwand des (vorläufigen oder endgültigen) Insolvenzverwalters gemünzt sind. Die Dauer der Bearbeitung des - nach der Beendigung der Verwaltertätigkeit gestellten - Festsetzungsantrags läßt sich damit nicht vergleichen.

4. Die Vorfinanzierung der Vergütung läßt sich auch nicht unter den Begriff der "Auslagen" im Sinne von § 4 Abs. 2 InsVV fassen. Als Auslagen zu erstatten sind dem vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 4 Abs. 2, § 10 InsVV "besondere Kosten", die ihm im Einzelfall - über die allgemeinen Geschäftsunkosten hinaus - tatsächlich entstanden sind. Als Beispiel für diese besonderen Kosten nennt die Verordnung den Aufwand durch Reisen. Zu diesen besonderen Kosten gehört der Zinsverlust des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht, der damit verbunden ist, daß zwischen der Einreichung des Festsetzungsantrags und der Festsetzung durch das Gericht zwangsläufig eine gewisse Zeit vergeht. Er kann die Qualität als besondere Kosten auch dann nicht erlangen, wenn der Zeitraum im Einzelfall größer ist, als der Antragsteller von sich aus zugesteht. Die damit verbundenen Nachteile sind auch nicht als "Vorfinanzierungsauslagen" erstattungsfähig, solange der vorläufige Insolvenzverwalter nicht dartut, daß er etwas anderes als die allgemeinen Geschäftsunkosten vorfinanziert hat. Insofern ist der Vortrag des Beschwerdeführers unergiebig.

5. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedeutet der Standpunkt des Beschwerdegerichts keinen rechtserheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

a) Zwar läßt es sich mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbaren, einen Staatsbürger für Aufgaben des öffentlichen Interesses umfangreich in Anspruch zu nehmen, ohne ihn hierfür angemessen zu bezahlen. Die gesetzlichen Vergütungsregeln für Insolvenzverwalter sind daher an diesem Maßstab zu messen (vgl. BVerfGE 54, 251, 271; 68, 193, 216; 88, 145, 160).

b) Der Grundsatz der leistungsangemessenen Vergütung (vgl. dazu zuletzt , WM 2003, 1869, 1870; v. - IX ZB 10/03, WM 2003, 1871) wird jedoch nicht nennenswert eingeschränkt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter auf seinen Vergütungsanspruch bis zur Festsetzung durch das Insolvenzgericht keine Zinsen oder eine den Zinsen vergleichbare "Kompensation" erhält.

Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters, der schon mit der Tätigkeit und nicht erst mit der Festsetzung durch das Gericht entsteht (vgl. BGHZ 116, 233, 242), ist auf eine unverzügliche Erfüllung gerichtet. Insofern gibt es keinen Unterschied zu dem Vergütungsanspruch des endgültigen Insolvenzverwalters (vgl. dazu , NJW 2003, 210). Deshalb hat das Gericht die Festsetzung mit der gebotenen Beschleunigung vorzunehmen.

Das Risiko einer verzögerten Festsetzung kann der vorläufige Insolvenzverwalter durch Vorschüsse auf seine Vergütung vermindern (§§ 9, 10 InsVV; dazu Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 11 Rn. 82). Steht ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners zu (§ 22 Abs. 1 InsO), kann er mit Zustimmung des Insolvenzgerichts ohne weiteres den Vorschuß entnehmen. Andernfalls kann ihm das Insolvenzgericht im Einzelfall nach § 22 Abs. 2 InsO Verfügungen über das Vermögen des Schuldners gestatten (Haarmeyer, in: MünchKomm-InsO § 22 Rn. 131 f; Kirchhof, in: HK-InsO § 22 Rn. 48; Eickmann, InsO - Vergütungsrecht § 11 InsVV Rn. 28) oder dem Schuldner aufgeben, einen bestimmten Betrag als Vorschuß auf die Vergütung zu zahlen. Bei alledem hat das Insolvenzgericht nicht kleinlich zu verfahren. Es hat - freilich unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse, insbesondere der regelmäßig geringeren Dauer der vorläufigen Insolvenzverwaltung - nach ähnlichen Grundsätzen zu verfahren wie bei der endgültigen Insolvenzverwaltung (vgl. dazu aaO).

Für den Fall der schuldhaften Verzögerung oder Versagung eines beantragten Kostenvorschusses durch das Insolvenzgericht kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
AAAAB-99986

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja