Leitsatz
[1] a) Die von dem vorläufigen Verwalter in die gutachterliche Stellungnahme aufgenommenen Forderungen des Schuldners gegen Dritte sind bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung grundsätzlich zu berücksichtigen; auf eine entfaltete Tätigkeit kommt es hierbei nicht an.
b) Bei der Bemessung des Wertes dieser Forderungen ist auf den - gegebenenfalls zu schätzenden - Verkehrswert im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abzustellen.
Gesetze: InsVV § 1 Abs. 1; InsVV § 10; InsVV § 11
Instanzenzug:
Gründe
I.
Der Rechtsbeschwerdeführer wurde durch Beschluß des Insolvenzgerichts vom zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Mit Schreiben vom erklärte die Innungskrankenkasse den zuvor gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluß vom hob das Insolvenzgericht die angeordneten Sicherungsmaßnahmen auf.
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat für seine Tätigkeit eine Vergütung von 7.968,84 € zuzüglich 500 € Auslagenpauschale sowie Umsatzsteuer beantragt. Als Berechnungsgrundlage hat er unter Zerschlagungsgesichtspunkten einen Wert von 304.178,47 € angesetzt und hierzu auf die von ihm gefertigte gutachterliche Stellungnahme nebst Vermögensübersicht vom verwiesen. Das Insolvenzgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde die Entscheidung des Insolvenzgerichts abgeändert und die Vergütung nebst Auslagen und Umsatzsteuer anderweitig auf 8.545,72 € festgesetzt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter seinen Antrag in vollem Umfang weiter.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 64 Abs. 3 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 4 InsO). Es führt zur Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts, soweit es zum Nachteil des vorläufigen Insolvenzverwalters entschieden hat, und zur Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.
1. Das Landgericht hat gemeint, die in § 10 InsVV angeordnete entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 1 InsVV sei dahin zu verstehen, daß die Berechnungsgrundlage für den Vergütungsanspruch des vorläufigen Verwalters nach dem Wert des Vermögens bestimmt werde, welches der Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung habe. Hierunter fielen Forderungen des Schuldners gegen Dritte nur, wenn sie der vorläufige Verwalter tatsächlich eingezogen habe. Der der Berechnung zugrundeliegende Wert des Vermögens belaufe sich daher entgegen der Berechnung des vorläufigen Verwalters nur auf 210.256,56 €, weil die zusätzlich in Ansatz gebrachten Forderungen des Schuldners aus Lieferungen und Leistungen über 93.921,91 € - einschließlich der Forderung aus dem Schuldanerkenntnis gegenüber den Eheleuten Dr. K. über 86.408,33 € - von dem vorläufigen Verwalter nicht eingezogen worden seien und er eine besondere verwalterische Tätigkeit insoweit nicht entfaltet habe.
2. Die Frage, ob Forderungen des Insolvenzschuldners gegen Dritte zu berücksichtigen sind, wenn der vorläufige Verwalter diese noch nicht eingezogen hat, war bislang - soweit ersichtlich - Gegenstand nur einer auf der Grundlage von § 7 InsO a.F. ergangenen obergerichtlichen Entscheidung (OLG Köln NJW-RR 2001, 559 f) und ist klärungsbedürftig.
a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind die von dem vorläufigen Verwalter in die gutachterliche Stellungnahme (§ 5 Abs. 1 InsO) aufgenommenen Forderungen des Schuldners gegen Dritte jedenfalls dann bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, wenn Rechte Dritter nicht ersichtlich sind, so daß der Betrag hätte zur Masse gezogen werden können.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist Grundlage für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 in Verbindung mit § 1 InsVV) der Wert der "Insolvenzmasse" bei Beendigung seiner vorläufigen Insolvenzverwaltung. Zu berücksichtigen sind solche Vermögenswerte, die zu dem genannten Zeitpunkt zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zur "Istmasse", also zu dem vom Insolvenzverwalter in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen (BGHZ 146, 165, 174; , ZIP 2004, 1653, 1654; v. - IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1556).
Im Streitfall hat das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter damit beauftragt, ein schriftliches Sachverständigengutachten unter anderem darüber zu erstatten, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. In seiner gutachterlichen Stellungnahme hat der vorläufige Verwalter die freie Masse unter Zerschlagungsgesichtspunkten auf 198.592,94 € beziffert und dabei unter dem Punkt "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" den vom Beschwerdegericht abgezogenen Betrag von 93.921,91 € aufgeführt, an dem Rechte Dritter nicht beständen. In dem von ihm zuvor erstatteten Zwischenbericht hat er festgehalten, daß Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 7.513,58 € sowie aus einem Schuldanerkenntnis der Eheleute Dr. K. in Höhe von 86.408,33 € beständen. Der Schuldner, der die Höhe der vom Insolvenzgericht festgesetzten Vergütung für überzogen und für existenzvernichtend hält, ist diesen Feststellungen nicht entgegengetreten.
bb) Bei dieser Sachlage gehören die vom Beschwerdegericht bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage abgezogenen Beträge zur "Istmasse" und sind zu berücksichtigen. Die vom Senat zu der Befassung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Aus- oder Absonderungsrechten entwickelten Rechtsgrundsätze (BGHZ 146, 165, 176 f) sind nicht einschlägig (vgl. , aaO S. 1557; s. ferner MünchKomm-InsO/Nowak, § 11 InsVV Rn. 6; Graeber DZWIR 2004, 423). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter sich mit der Schuldnerforderung befaßt hat.
b) Für die Bemessung des Wertes der Forderungen ist ebenfalls auf den Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abzustellen; zugrunde zu legen ist der - gegebenenfalls zu schätzende - Verkehrswert der Forderungen (, aaO S. 1556 m.w.N.).
aa) Im Streitfall hat der vorläufige Insolvenzverwalter in dem von ihm erstatteten Gutachten keine Bedenken gegen die Werthaltigkeit der Forderungen geäußert; er hat sie mit dem Nominalbetrag in die Berechnung der freien Masse eingestellt. Hinsichtlich der mit Abstand größten Einzelforderung, der Forderung gegen die Eheleute Dr. K. , hat der Schuldner gegenüber dem Insolvenzgericht und der Beschwerdekammer ausdrücklich erklärt, daß die Forderung werthaltig sei. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind deshalb antragsgemäß zu berücksichtigen.
bb) Die danach maßgebliche Berechnungsgrundlage ist auch aus sonstigen Gründen nicht zu beanstanden. Die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters ist angemessen zu vergüten (vgl. BVerfG ZIP 1993, 838, 841; BGHZ 146, 165, 174). Die Verwaltung erstreckt sich auf den gesamten Wert der Vermögensgüter; nur er kann entsprechend § 1 Abs. 1 InsVV Grundlage für die Berechnung des Vergütungsanspruchs sein. Die Auffassung des Schuldners, die offene Summe aus dem Schuldanerkenntnis müsse bei der Berechnung der Vergütung von seinem Vermögen abgezogen werden, weil dieser Teil der Aktiva seine Altersversorgung sicherstelle, findet in dem einschlägigen Vergütungsrecht keine Grundlage.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStZ 2005 S. 616 Nr. 17
WM 2005 S. 1758 Nr. 37
ZIP 2005 S. 1324 Nr. 30
XAAAB-99773
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja