BGH Beschluss v. - IX ZB 171/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: InsVV § 2; InsVV § 3; InsVV § 11 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: AG Schwarzenbek 1a IN 96/02 vom LG Lübeck 7 T 173/03 vom

Gründe

I.

Die W. KG (fortan: Schuldnerin) betrieb mehrere Warenhäuser auf nicht ihr gehörenden Grundstücken. Am stellte die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Am selben Tag bestellte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - den weiteren Beteiligten zu 1 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt; zugleich übertrug es ihm das Zustellwesen. Der vorläufige Insolvenzverwalter führte das Unternehmen der Schuldnerin fort. Mit Beschluss vom ordnete das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot an. Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; seither ist der weitere Beteiligte zu 1 Insolvenzverwalter.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, seine Nettovergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 590.993,08 € festzusetzen. Dabei hat er einen Wert der Masse in Höhe von 16.521.380,91 € und - unter Berücksichtigung mehrerer Zuschläge - einen Vergütungssatz von 165 vom Hundert der einfachen Staffelvergütung zu Grunde gelegt. Mit Beschluss vom hat das Insolvenzgericht die Nettovergütung auf 482.644,34 € festgesetzt. Es hat die von dem Antragsteller genannte Berechnungsgrundlage übernommen und den Vergütungssatz auf 134,75 vom Hundert bemessen. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 hat das die Vergütung des Antragstellers auf 231.024,56 € herabgesetzt. Dagegen wenden sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde und die weitere Beteiligte zu 2 mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde.

II.

Beide Rechtsmittel sind statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1, 3 ZPO).

1. Das Beschwerdegericht hat - wie vor ihm bereits das Amtsgericht - als Berechnungsgrundlage der Vergütung den von dem Antragsteller angegebenen Betrag von 16.521.380,91 € übernommen. In diesen Betrag haben die Verkehrswerte der von der Schuldnerin angemieteten Betriebsgrundstücke sowie der mit Absonderungsrechten belasteten beweglichen Gegenstände Eingang gefunden. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat sich der Antragsteller in nennenswertem Umfang damit befasst. Als Verkehrswert hat das Beschwerdegericht den Fortführungswert gewählt. Die Regelvergütung im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV hat das Beschwerdegericht mit 25 vom Hundert der einfachen Staffelvergütung nach § 2 InsVV bemessen. Zuschläge hat es für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes (4,5 vom Hundert), für die Wahrnehmung des Zustellwesens (2,5 vom Hundert), wegen der hohen Gläubigerzahl (ebenfalls 2,5 vom Hundert) und des Vorhandenseins mehrerer Betriebsstätten (10 vom Hundert) sowie für die Betriebsfortführung (40 vom Hundert) gewährt. Da der Antragsteller sich mit den der Aus- oder Absonderung unterliegenden Gegenständen zwar nennenswert, jedoch nicht erheblich beschäftigt habe, hat es einen Abschlag von 30 vom Hundert für gerechtfertigt gehalten. Aus der Summe des Regelvergütungssatzes und der Zuschläge und unter Berücksichtigung des Abschlages hat das Beschwerdegericht einen Vergütungssatz von insgesamt 64,5 vom Hundert des einfachen Staffelsatzes errechnet.

2. Die Rechtsbeschwerde greift dies in zwei Punkten an. Zum einen sei für den Antragsteller als "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter ein Regelsatz von 45 - und nicht lediglich 25 - vom Hundert angemessen. Zum andern sei der Abschlag wegen nicht erheblicher Beschäftigung mit Aus- und Absonderungsrechten zu hoch ausgefallen; angemessen seien lediglich 7,5 vom Hundert. In beiderlei Hinsicht sind Gründe im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erkennbar.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (, NZI 2003, 547, 548) ist ein Vergütungssatz von 25 vom Hundert der Staffelvergütung gemäß § 2 InsVV beim vorläufigen Insolvenzverwalter als Ausgangssatz angemessen; allein die Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, § 22 Abs. 1 InsO) rechtfertigt nicht generell einen Vergütungszuschlag. Ein solcher kommt erst in Betracht, wenn sich die weiter reichende Rechtsmacht des starken vorläufigen Insolvenzverwalters in konkreten Tätigkeiten niederschlägt, welche über diejenigen hinausgehen, die etwa ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt üblicherweise verrichtet.

Die Rechtsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht habe dies zwar im Ansatz richtig gesehen und auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung des Vergütungssatzes - Durchführung von Warenbestellungen, Abhaltung von Betriebsversammlungen, Regelung des Zahlungsverkehrs und Abschluss von Mietverträgen - zutreffend ermittelt. Rechtsirrtümlich habe es jedoch die aufgeführten Tätigkeiten für eine Erhöhung des Vergütungssatzes nicht ausreichen lassen, weil diese Beschäftigungen bereits anderweitige Zuschläge - insbesondere wegen der Betriebsfortführung - begründen würden und eine doppelte Berücksichtigung ausscheide. Dabei habe es verkannt, dass es unter Zugrundelegung dieser Auffassung niemals zu einer Erhöhung der Staffelvergütung kommen könne; es seien keine Tätigkeiten des starken vorläufigen Insolvenzverwalters denkbar, die einen Zuschlag auf die Staffelvergütung rechtfertigten, ohne zugleich einen Erhöhungsfaktor nach § 3 InsVV zu berühren.

Damit wird weder eine Divergenz zu der Rechtsprechung des Senats noch ein Bedürfnis zur Fortbildung des Rechts aufgezeigt. Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). § 3 InsVV konkretisiert dies durch die Benennung von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen können. Ob das Insolvenzgericht konkrete Tätigkeiten, die ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter im Rahmen der Betriebsfortführung entfaltet, zum Anlass nimmt, unmittelbar (ohne § 3 InsVV zu bemühen) den Ausgangssatz des § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV zu erhöhen oder - bei zunächst unverändertem Ausgangssatz - im Rahmen eines Zuschlags entsprechend § 3 InsVV zu berücksichtigen, bleibt sich gleich. Rechnerisch führt beides zum selben Ergebnis, weil auch der Zuschlag unmittelbar den Vergütungssatz erhöht (vgl. , NZI 2004, 251, 252). Ausgeschlossen ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat - lediglich die doppelte Berücksichtigung ein und desselben Umstands, indem sowohl der Ausgangssatz erhöht als auch ein Zuschlag gewährt wird (vgl. , ZinsO 2006, 642, 644).

b) Soweit die Rechtsbeschwerde die Höhe des Abschlags (von 30 vom Hundert) angreift, den das Beschwerdegericht vorgenommen hat, weil die Berechnungsgrundlage zum großen Teil den Wert von schuldnerfremden Immobilien enthalte, hinsichtlich derer der Antragsteller zwar in nennenswertem, jedoch nicht erheblichem Umfang tätig geworden sei, hat sie Erwägungen vorgebracht, die zunächst - auf der Grundlage der Senatsentscheidung vom (BGHZ 146, 165 ff) - rechtsgrundsätzlich waren. Inzwischen hat der Senat jedoch mit Beschluss vom (IX ZB 256/04, WM 2006, 530, z.V.b. in BGHZ) seine Rechtsprechung dahin geändert, dass die Beschäftigung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit schuldnerfremden Gegenständen nur dann vergütungsrelevant ist, wenn sie die Arbeitskraft des Verwalters in erheblichem Umfang gebunden hat; ein Abschlag kommt generell - auch unterhalb dieser Schwelle - nicht mehr in Betracht. Damit ist die Rechtsgrundsätzlichkeit entfallen. In einem solchen Falle ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn sie Erfolgsaussicht hat (, n.v.; v. - IX ZB 110/04, ZVI 2005, 99, 100; v. - IX ZB 124/05, ZIP 2006, 920, 921; zur Zulässigkeit einer Revision in einem vergleichbaren Fall vgl. , NJW 2005, 154, 155).

Daran fehlt es hier. Da die Rechtsbeschwerde sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, der Antragsteller sei hinsichtlich der Gegenstände mit Aus- und Absonderungsrechten nur in unerheblichem Umfang tätig geworden, hätten die Werte der betreffenden Gegenstände schon nicht in die Berechnungsgrundlage eingestellt werden dürfen. Auf Grund der veränderten rechtlichen Betrachtungsweise könnte sich der Antragsteller von der Aufhebung der Beschwerdeentscheidung selbst dann, wenn der Abschlag völlig entfiele (er beantragt allerdings lediglich eine Herabsetzung auf 7,5 vom Hundert), keine Erhöhung seiner Vergütung versprechen.

3. Mit der Verwerfung der unzulässigen Rechtsbeschwerde verliert die Anschließung ihre Wirkung (§ 574 Abs. 4 Satz 3 ZPO).

Fundstelle(n):
WAAAB-99688

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein