Leitsatz
[1] 1. An die Rechtsfolgenbelehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG sind strenge Anforderungen zu stellen. Erweckt sie den Anschein, die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen könne allein durch Klagerhebung erfolgen, so wird die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht in Gang gesetzt.
2. Bei der Frage, ob eine Klagzustellung "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt ist, können dem Kläger Versäumnisse nur insoweit zugerechnet werden, wie sich feststellen läßt, daß die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte, das Unterlassen also kausal für die Verzögerung der Zustellung geworden ist.
Gesetze: VVG § 12 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 270 Abs. 3 a.F.
Instanzenzug: LG Berlin
Tatbestand
Wegen eines im Januar 1997 entdeckten Wasserschadens fordert der Kläger Versicherungsleistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherung.
Die Beklagte hat eine Schadensregulierung wiederholt abgelehnt. Mit Schreiben vom hat sie sich darauf berufen, der Kläger habe Sicherheitsvorschriften mißachtet und den Schaden zu spät gemeldet. Er habe damit seine Obliegenheiten aus §§ 9 Abs. 2 a und b, 15 Abs. 1 a und c der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Neuwertversicherung von Wohngebäuden gegen Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschäden (VGB 62) verletzt. Gleichzeitig hat die Beklagte erstmals auf die Frist nach § 12 Abs. 3 VVG hingewiesen. Mit Schreiben vom hat die Beklagte ihre Leistungsablehnung bekräftigt und sich dabei zusätzlich darauf gestützt, der Kläger habe seine Schadensminderungsobliegenheit aus § 15 Abs. 1 b VGB verletzt. Das Schreiben endet mit folgendem Text:
"Sollten Sie der Ansicht sein, daß die von uns ausgesprochene Ablehnung des Versicherungsschutzes zu Unrecht erfolgt ist, so steht Ihnen gemäß § 19 Abs. 4 VGB ein Recht zur Klage zu. Den Wortlaut dieser Bestimmung geben wir wie folgt wieder:
'Wenn der Entschädigungsanspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird, nachdem der Versicherer ihn unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat, ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei.'
Bei nicht fristgemäßer Klageerhebung verlieren Sie hiernach ohne weiteres endgültig und vorbehaltlos den Anspruch auf Versicherungsschutz für das im Betreff genannte Schadensereignis."
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht meint, die am bei Gericht eingegangene, jedoch erst am der Beklagten zugestellte Klage habe die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht mehr gewahrt. Diese sei zwar erst mit dem zweiten Leistungsablehnungsschreiben vom in Lauf gesetzt worden. Denn dieses Schreiben enthalte nicht nur eine erneute Belehrung über die einzuhaltende Frist, sondern stütze sich außerdem auf einen neuen, zusätzlichen Ablehnungsgrund (Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit). Dennoch sei die noch innerhalb der Frist am bei Gericht eingegangene Klage verspätet, weil sie nicht "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. zugestellt worden sei. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter hätten schuldhaft nicht alles Zumutbare für eine größtmögliche Beschleunigung der Klagzustellung veranlaßt.
Die verzögerte Zustellung erst am beruhe vorwiegend darauf, daß sie von der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses abhängig gewesen sei, dessen Anforderung das Gericht dem Klägervertreter erst am übermittelt habe. Auch wenn ein Kläger grundsätzlich nicht verpflichtet sei, den Prozeßkostenvorschuß selbständig zu errechnen und mit Einreichung der Klage einzuzahlen, sondern die gerichtliche Zahlungsaufforderung abwarten dürfe, könne er nach Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht zeitlich unbegrenzt untätig bleiben. Hinnehmbar erscheine allenfalls eine Zeitspanne von drei Wochen, binnen derer der Kläger auf die gerichtliche Zahlungsaufforderung warten dürfe. Diese Frist sei hier überschritten. Denn sie sei am abgelaufen und die gerichtliche Anforderung des Gebührenvorschusses habe den Kläger erst am erreicht. Dem Kläger sei vorzuwerfen, daß er und sein Prozeßbevollmächtigter die Zahlungsaufforderung nicht schon ab dem bei Gericht angemahnt hätten.
II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beklagte ist nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG (§ 19 Abs. 4 VGB) leistungsfrei geworden.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, allein das zweite Leistungsablehnungsschreiben der Beklagten vom sei hier maßgeblich dafür, ob der Kläger die Frist des § 12 Abs. 3 VVG gewahrt hat (vgl. dazu IVa ZR 108/81 - VersR 1983, 360; OLG Hamm VersR 1990, 1344, 1345). Denn diese zweite Leistungsablehnung enthält nicht nur eine neuerliche Fristsetzung, sondern stützt sich auch auf einen neuen, weiteren Ablehnungsgrund (Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit). Damit ist jedenfalls die ursprünglich mit dem Schreiben vom gesetzte Frist wirkungslos geworden (BGH aaO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte aber mit ihrem Schreiben vom die Frist des § 12 Abs. 3 VVG nicht wirksam in Lauf gesetzt.
Diese Frist beginnt nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG erst zu laufen, nachdem der Versicherer die Leistung unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. An diese Rechtsfolgenbelehrung sind strenge Anforderungen zu stellen. Trifft sie in einem wesentlichen Punkt nicht zu, so ist sie insgesamt unwirksam und kann die Frist nicht in Gang setzen ( - VersR 2001, 1497 unter 2 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Denn die von der Beklagten gebrauchte Belehrungsformel erweckt in ihrem letzten Absatz den Anschein, die gerichtliche Geltendmachung der Versicherungsleistungen könne allein durch Erhebung einer Klage erfolgen. Das ist deshalb irreführend, weil auch der (kostengünstigere) Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides oder ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe für die gerichtliche Geltendmachung genügen können (vgl. dazu OLG Hamm VersR 2002, 1139, 1140 m.w.N.; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 79).
3. Unabhängig davon hat das dem Kläger angelastete Untätigbleiben nicht zu einer Verzögerung des Zustellverfahrens geführt.
a) Ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt ist, darf nicht allein mittels rein zeitlicher Betrachtung beurteilt werden. Die Vorschrift will die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung schützen, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegen und von den Parteien nicht beeinflußt werden können. Daher gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" anzusehen wäre; dies gilt auch im Hinblick auf mehrmonatige Verzögerungen (vgl. BGHZ 145, 358, 362 f.).
Es sind aber andererseits einer Partei solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 ZPO) bei sachgerechter Prozeßführung hätten vermeiden können (vgl. BGHZ aaO; - NJW 1993, 2811 unter II 2 c und vom - VIII ZR 327/93 - VersR 1995, 361 unter II 2 b, bb).
b) Hier kann offenbleiben, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter hätten der gerichtlichen Aufforderung zur Zahlung des Prozeßkostenvorschusses nicht länger als höchstens drei Wochen (vgl. BGHZ 69, 361, 364; - VersR 1992, 433 unter I 2 b; OLG Hamm NJW-RR 1992, 480) ab Ablauf der Frist tatenlos entgegensehen dürfen. Denn jedenfalls hat sich die Unterlassung auf den Verfahrensgang nicht konkret ausgewirkt. Bei der Frage, ob eine Klagzustellung "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt ist, können dem Kläger Versäumnisse nur insoweit zugerechnet werden, wie sich feststellen läßt, daß die geforderte Handlung den Verfahrensgang verkürzt hätte (Frage nach der "Kausalität der Unterlassung", vgl. dazu - VersR 1994, 455 unter 2; Urteil vom - IVb ZR 92/87 - FamRZ 1988, 1154 unter b).
Das Berufungsgericht hat sich darauf beschränkt darzulegen, daß der Kläger ab dem verpflichtet gewesen wäre, die Anforderung des Gebührenvorschusses bei Gericht anzumahnen; es hat aber nicht geprüft, ob diese Unterlassung "kausal" für eine weitere Verzögerung der Zustellung geworden ist. Das ist zu verneinen, denn auch ohne entsprechende Mahnung des Klägers hat das Landgericht hier am den Streitwertfestsetzungsbeschluß und die Anforderung des Gerichtsgebührenvorschusses an den Klägervertreter abgesandt. Hätte der Kläger am eine schriftliche Sachstandsanfrage (dazu, daß er nicht zur telefonischen Intervention verpflichtet war: aaO) an das Gericht gerichtet, wäre bei normalem Postlauf nichts anderes geschehen.
c) Im übrigen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die sonstigen Verzögerungen des Zustellverfahrens dem Kläger nicht angelastet werden könnten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
PAAAB-99391
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja