BGH Beschluss v. - III ZB 67/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 519 Abs. 2; ZPO § 519 Abs. 3; EGZPO § 26 Nr. 8

Instanzenzug: OLG Frankfurt am Main vom

Gründe

I.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 8.095,18 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem in Anspruch genommen. Nachdem die Beklagte anerkannt hatte, in der Hauptsache einen Betrag von 937,03 € zu schulden, hat das Landgericht insoweit antragsgemäß Teil-Anerkenntnisurteil erlassen. Durch Schlußurteil vom , das beiden Parteien am zugestellt worden ist, ist die Beklagte dazu verurteilt worden, auf den anerkannten Betrag von 937,03 € Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen; die weitergehende Klage ist abgewiesen worden.

Durch Schriftsatz vom , beim Oberlandesgericht eingegangen am , hat die Rechtsanwältin W. "in dem Rechtsstreit K. GmbH ./. Autohaus S. GmbH - 20 O 343/02 Landgericht D. -" Berufung eingelegt mit dem Zusatz "eine beglaubigte Abschrift des erstinstanzlichen Urteils füge ich bei".

Mit Beschluß vom hat das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Berufungsschrift nicht erkennen lasse, welche Partei Berufungsklägerin sei. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, und zwar unbeschadet dessen, daß die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht ist (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783 und vom - V ZB 31/02 - NJW-RR 2003, 132).

Sie ist auch im übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO (§ 518 Abs. 2 ZPO a.F.) auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird; aus der Berufungsschrift muß entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muß jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Ausdeutung von Prozeßerklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen ( - NJW 2002, 1430 f).

2. Bei Würdigung aller Umstände kann vorliegend, auch wenn die Berufungsschrift selbst hierzu keine konkreten Angaben enthält, kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß Rechtsanwältin W. für die Klägerin Berufung eingelegt hat.

a) Insoweit ist freilich ohne Belang, daß der Geschäftsstellenbeamte, der zum Zwecke der Eintragung in das Prozeßregister im Büro der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten telefonisch nachgefragt hatte, auf der Berufungsschrift beim Namen der Klägerin den Stempelaufdruck "Berufungskläger" und bei der Beklagten den Stempelaufdruck "Berufungsbeklagter" angebracht sowie im Text des Schriftsatzes zwischen den Worten "lege ich" und "gegen das Urteil" handschriftlich mit Rotstift die Worte "für Kläger" eingefügt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen mündliche oder telefonische Angaben der Partei zur Ergänzung einer unvollständigen Berufungsschrift auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie bei Gericht aktenkundig gemacht werden ( - NJW 1997, 3383).

b) Bei der rechtlichen Würdigung im übrigen ist davon auszugehen, daß nach Aktenlage der Berufungsschrift das erstinstanzliche Urteil vollständig beigefügt war. Zwar ist in den Vorakten der Berufungsschrift selbst (Bl. 154 d.A.) nur die erste Seite des Berufungsurteils angefügt (Bl. 155 d.A.), während die nachfolgenden drei Seiten erst nach dem angefochtenen Beschluß (Bl. 155 ff d.A.) in die Akten eingeheftet worden sind (Bl. 185-187 d.A.).

Indes läßt sich den aufgrund der Nachfragen der Klägerin gefertigten Aktenvermerken der betreffenden Geschäftsstellenbeamten entnehmen, daß das angefochtene Urteil in Gänze mitgeteilt worden war. Dem entspricht auch der in der Berufungsschrift gemachte Zusatz, daß eine beglaubigte Abschrift des erstinstanzlichen Urteils beigefügt sei, wobei der Stempelaufdruck "Beglaubigte Abschrift" auf der ersten Seite der Urteilskopie und der Stempelaufdruck "Beglaubigt .... Rechtsanwältin" nebst Unterschrift der Rechtsanwältin W. auf der letzten Seite der Urteilskopie enthalten ist.

c) Bezüglich der Ausdeutung der Berufungseinlegung weist die Rechtsbeschwerde zunächst zu Recht darauf hin, daß schon aufgrund des Tenors der angefochtenen Entscheidung vieles dafür spricht, daß nur die Klägerin als Rechtsmittelführerin in Betracht kommt, da eine Berufung der Beklagten, die nur zu einer geringfügigen Zinszahlung weit unter dem Betrag von 600 € (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) verurteilt worden ist, offensichtlich unzulässig gewesen wäre. Entscheidend kommt jedoch hinzu - was das Berufungsgericht bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt hat -, daß im Rubrum des angefochtenen Urteils als Prozeßbevollmächtigter der Klägerin Rechtsanwalt M. H. angegeben ist und auf allen Seiten der Urteilskopie, die ersichtlich mittels Telefax der zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten übermittelt worden ist, am oberen Rand die Telefax-Nummer 0511 2829364 und die Bezeichnung "RA. Stb. M. H. " eingedruckt ist. Dies zeigt eindeutig, daß die offenkundig zur Vorlage an das Berufungsgericht gemäß § 519 Abs. 3 ZPO gefertigte Abschrift des angefochtenen Urteils von dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin stammt, was wiederum den Schluß zuläßt, daß nur die Klägerin Berufungsführerin sein kann.

Daß sich diese Zusammenhänge nicht sogleich bei der ersten Durchsicht der Berufungsschrift und der beigefügten beglaubigten Urteilsabschrift aufdrängen, sondern sich erst nach einer genaueren Inaugenscheinnahme der vorgelegten Schriftstücke erschließen, ändert an der Eindeutigkeit des Auslegungsergebnisses nichts.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
DAAAB-98306

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein