Leitsatz
[1] Zur Gewährung von Wiedereinsetzung, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftstücke vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen.
Gesetze: ZPO § 233 Fd
Instanzenzug: LG Hamburg 327 O 365/03 vom OLG Hamburg 8 U 56/05 vom
Gründe
I.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 106.052,64 € nebst Zinsen gerichtete Klage mit Urteil vom abgewiesen. Gegen das ihr am zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Am ging beim Berufungsgericht per Telefax ein Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, der Berufungsanträge und eine Begründung, aber keine Unterschrift enthielt. Auch das nach Fristablauf am eingegangene Original trägt keine Unterschrift. Nach entsprechendem Hinweis vom begründete die Klägerin die Berufung mit Schriftsatz vom und beantragte zugleich, ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung für die Wiedereinsetzung wird ausgeführt, in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestehe die eindeutige interne Anweisung, dass Schriftstücke, die die Kanzlei verlassen, von den bearbeitenden Rechtsanwalts- und Notariats-Fachangestellten ausgefertigt, dem Rechtsanwalt oder einem den zuständigen Rechtsanwalt vertretenden Anwalt zur Unterschrift vorgelegt, anschließend auf ihre Vollständigkeit überprüft, soweit erforderlich per Telefax vorab verschickt, kuvertiert, frankiert und auf den Postweg gebracht würden. So habe es sich auch am verhalten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den von ihm selbst erstellten Schriftsatz zur Berufungsbegründung zur Ausfertigung an die Rechtsanwaltsfachangestellte G. gegeben. Diese habe ihm sodann in der Unterschriftenmappe den Schriftsatz vorgelegt, und er habe nach geleisteter Unterschrift Frau G. die Mappe zurückgegeben mit der Anweisung, die erforderlichen Ausfertigungen zu erstellen. Frau G. habe sodann die erforderlichen Ausfertigungen erstellt und den Schriftsatz ohne das Original zunächst per Fax an das Berufungsgericht verschickt, anschließend (die Sendung) kuvertiert und auf den Postweg gebracht. Frau G. sei seit 1998 in dem Büro des Prozessbevollmächtigten beschäftigt, arbeite zuverlässig und habe mit ihrer Tätigkeit noch keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Zwar hat die Klägerin die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist ihr jedoch gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründungsschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen. Dies ist in Fällen entschieden worden, in denen dem Prozessbevollmächtigten das Versehen unterlaufen war, den bestimmenden Schriftsatz nicht unterzeichnet zu haben (vgl. - NJW 1996, 998, 999 m.w.N.; aus neuerer Zeit Beschluss vom - XII ZB 215/05 - NJW 2006, 1205, 1206). Nichts anderes kann für den Fall gelten, in dem der Prozessbevollmächtigte den bestimmenden Schriftsatz, wie es hier durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwaltsfachangestellten und des Prozessbevollmächtigten nahe gelegt wird, tatsächlich unterzeichnet hat, die der Rechtsanwaltsfachangestellten aufgetragene Ausgangskontrolle aber versagt, weil nicht unterzeichnete Schriftstücke auf den Weg gebracht werden (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. auch - NJW-RR 2002, 1004 f).
b) Das Berufungsgericht hält einen Wiedereinsetzungsgrund für nicht glaubhaft gemacht, weil es der Auffassung ist, der vorgetragene und durch eidesstattliche Versicherung des Anwalts glaubhaft gemachte Sachverhalt sei nicht in Einklang mit dem tatsächlichen Geschehensablauf zu bringen. Während in der eidesstattlichen Versicherung des Anwalts davon gesprochen werde, dass der Rechtsanwalt den von ihm selbst gefertigten und von der Fachangestellten ausgefertigten Schriftsatz in der Unterschriftenmappe im Original vorgelegt bekommen und unterzeichnet habe und sodann die Unterschriftenmappe Frau G. überreicht und um Erstellung der Ausfertigungen gebeten habe und diese es versäumt habe, die Originalausfertigung an das Gericht zu übersenden, stehe fest, dass das Gericht einen nicht unterzeichneten Schriftsatz und eine einfache und eine beglaubigte Abschrift des Berufungsbegründungsschriftsatzes erhalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine Anwaltsunterschrift unter den beglaubigten Schriftsatz gelangen konnte, wenn der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst nur den Originalschriftsatz unterzeichnet haben wolle und Frau G. anschließend um Erstellung der erforderlichen Anzahl von Ausfertigungen gebeten habe.
c) Mit dieser Begründung kann der Kern des glaubhaft gemachten Vorbringens indes nicht in Frage gestellt werden. Entscheidend für die Gewährung von Wiedereinsetzung ist, ob ein der Partei zuzurechnendes Verschulden des Rechtsanwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO) oder ein solches der Rechtsanwaltsfachangestellten dazu geführt hat, dass dem Berufungsgericht innerhalb der Begründungsfrist ein nicht unterzeichneter Schriftsatz zugegangen ist. Das Berufungsgericht stellt nicht ausdrücklich in Frage, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, wie eidesstattlich versichert, den Berufungsbegründungsschriftsatz unterzeichnet hat. Dass dieser nicht an das Gericht gelangt ist, auch nicht in der Übermittlung als Brief, steht fest. Man könnte unter diesen Umständen zwar mutmaßen, in Wirklichkeit sei der Berufungsbegründungsschriftsatz entgegen der eidesstattlichen Versicherung nicht unterzeichnet worden, sondern möglicherweise nur das als beglaubigte Abschrift vorgesehene Schriftstück. Das würde indes nichts daran ändern, dass auch bei einer solchen Fallgestaltung die vorgesehene Ausgangskontrolle versagt hätte. Die für das Berufungsgericht entscheidende Überlegung, es fehle an näheren - glaubhaft gemachten - Erläuterungen, wie die Anwaltsunterschrift unter den beglaubigten Schriftsatz habe gelangen können, kann nicht zu einer Versagung der Wiedereinsetzung führen. Denn die Klägerin musste nicht in allen Einzelheiten glaubhaft machen, in welchem Arbeitsgang diese Unterschrift auf das als beglaubigte Abschrift vorgesehene Schriftstück gelangte. Abgesehen davon, dass die Annahme nahe liegt, dies sei im Zusammenhang damit geschehen, dass der Anwalt nach Unterzeichnung der Berufungsbegründung um Erstellung der weiteren Ausfertigungen gebeten hat, kommt es auf dieses Detail nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 2414 Nr. 33
IAAAB-98232
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja