BGH Urteil v. - II ZR 361/02

Leitsatz

[1] Die Höhe des vom herrschenden Unternehmen geschuldeten Ausgleichs nach § 302 AktG wird - unabhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der

Bilanzfeststellung - durch den sich bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung zum Bilanzstichtag ergebenden (fiktiven) Jahresfehlbetrag bestimmt (Bestätigung von BGHZ 142, 382).

Gesetze: AktG § 302

Instanzenzug:

Tatbestand

Die Klägerin macht - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - aus abgetretenem Recht der F. Industrie- und Handelsbeteiligungsgesellschaft mbH (nachfolgend: F.) Ansprüche auf Verlustausgleich in Höhe von 8.920.000,00 DM für das Geschäftsjahr 1995 aufgrund eines am geschlossenen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrags geltend. Organträgerin war die seinerzeit als Kommanditgesellschaft geführte Beklagte zu 1, deren Komplementärin damals die Beklagte zu 2 war. Der Unternehmensvertrag wurde zum beendet. Über das Vermögen der F. wurde am das Konkursverfahren eröffnet; der Konkursverwalter hat der Klägerin sämtliche Ansprüche abgetreten.

Nach der von den Gesellschaftern der F. im August 1996 festgestellten Jahresbilanz zum ergab sich - im Gegensatz zu den Jahresabschlüssen des Vorjahres und des Folgejahres, die jeweils Fehlbeträge von mehreren Millionen DM aufwiesen - ein Jahresüberschuß von 1,107 Mio. DM; der Abschlußprüfer hatte jedoch der Bilanz im Hinblick darauf, daß die Werthaltigkeit der - durch die F. von der Klägerin im Jahre 1991 erworbenen - Alleinbeteiligung an der P. GmbH (nachfolgend: P.) sowie einer weiteren Unternehmensbeteiligung nicht abschließend beurteilt werden konnte, nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Die daraufhin vom Konkursverwalter veranlaßte Nachprüfung der R. Treuhand GmbH vom ergab eine Korrektur auf einen Jahresfehlbetrag von 16.841.523,04 DM, ein weiterer Nachprüfungsbericht derselben Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom gelangte aufgrund weiterer für erforderlich gehaltener Korrekturen zu einem Fehlbetrag von 31.837.172,04 DM. Einen wesentlichen Korrekturpunkt sah die Prüfungsgesellschaft u.a. darin, daß F. gemäß § 5 Nr. 2 des Anteilserwerbsvertrages aus dem Jahre 1991 hinsichtlich der P. verpflichtet war, über die Verwendung der bei dem Beteiligungsunternehmen gebildeten Altlastenrückstellung von 24 Mio. DM per abzurechnen und 75 % der nicht verwendeten Rückstellungen bis spätestens an die Klägerin als Verkäuferin zu zahlen; im Hinblick darauf hielt die R. Treuhand GmbH eine zusätzliche Passivierung von 17.949.000,00 DM als Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 HGB bei der F. schon zum für erforderlich, zumal ein erst am mit einer 90 %-igen Tochtergesellschaft der F. abgeschlossener langfristiger Sanierungsvertrag hinsichtlich der Altlasten mit einem Vergütungsvolumen von 22,5 Mio. DM wegen sich schon zuvor abzeichnender Insolvenz der P. im Jahre 1996 und einer bilanziellen Überschuldung des vorgesehenen Sanierungsunternehmens von ca. 4,3 Mio. DM in dem betreffenden Zeitraum nicht zur Durchführung gelangte. Als korrekturbedürftig sah der zweite Prüfungsbericht die festgestellte Bilanz auch hinsichtlich der Aktivierung des Geschäftsanteils der F. an der P. mit 8.928.000,00 DM an: unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips habe diese Beteiligung der F. im Hinblick auf die bereits im Jahre 1995 bestehende desolate bilanzielle und wirtschaftliche Situation der P. schon zum und nicht erst - wie geschehen - zum Schluß des Folgejahres auf den Erinnerungswert von 1,00 DM abgeschrieben werden müssen.

Die Klägerin hat sich den Inhalt der beiden Prüfungsberichte zu eigen gemacht und unter Beweisantritt - Sachverständigengutachten sowie sachverständiges Zeugnis des Wirtschaftsprüfers K. - mit der Klage die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Verlustausgleichs von 20.354.166,47 DM begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin nur noch einen Teilanspruch in Höhe von 8.920.000,00 DM weiter, den sie im wesentlichen darauf stützt, daß der in der festgestellten Bilanz mit 8.928.000,00 DM aktivierte Geschäftsanteil der F. an der P. auf 1,00 DM zu berichtigen sei.

Während des Berufungsverfahrens haben die Gesellschafter der Beklagten zu 1 am beschlossen, daß deren alleinige Komplementärin mit Ablauf des entschädigungslos aus der Gesellschaft ausscheidet, das Vermögen der KG der Beklagten zu 2 als deren alleiniger Kommanditistin anwächst und diese in alle Gesellschaftsverbindlichkeiten eintritt, und daß ferner die Gesellschaft ohne vorherige Liquidation voll beendigt sein soll.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt im zugelassenen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe - aus abgetretenem Recht der F. - kein Verlustausgleichsanspruch aus dem Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag gegen die Beklagte zu 1 als frühere Organträgerin zu. Eine Nichtigkeit der von den Gesellschaftern der F. auf den festgestellten Bilanz, die Voraussetzung für diesen Anspruch sei, könne selbst auf der Grundlage der Nachtragsprüfungsberichte der R. Treuhand GmbH vom und vom - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 142, 382) - nicht festgestellt werden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Feststellung der Bilanz im August 1996 sei weder die Bildung von Rückstellungen wegen einer ungewissen Altlastenverbindlichkeit noch die Wertberichtigung der Beteiligung der F. an der P. auf 1,00 DM veranlaßt gewesen; auf die nachträgliche Sicht des Nachtragsprüfers komme es insoweit nicht an. Ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Höhe eines möglichen Verlustausgleichsanspruchs sei nicht einzuholen gewesen, da - was das Berufungsgericht aus eigener Sachkunde entscheiden könne - keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses vorgetragen seien.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II. Das Berufungsgericht hat - in Abweichung von der Senatsrechtsprechung (BGHZ 142, 382) - die Voraussetzungen für die Feststellung des von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachten Anspruchs der F. gegen die Beklagte zu 1 auf Verlustausgleich gemäß § 302 AktG verkannt und infolgedessen auch die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt sowie deren taugliche Beweisantritte übergangen (§ 286 ZPO).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats entsteht der sich aus einem Unternehmensvertrag ergebende Anspruch auf Ausgleich eines Jahresfehlbetrages - unabhängig von der etwaigen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Bilanzfeststellung - am Stichtag der Jahresbilanz der beherrschten Gesellschaft und wird mit seiner Entstehung fällig. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs wird nicht durch den festgestellten Jahresabschluß rechtsverbindlich festgelegt, sondern durch den zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesenen Fehlbetrag bestimmt (BGHZ 142, 382).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts oblag danach der Klägerin für eine erfolgreiche Geltendmachung des Verlustausgleichsanspruchs gemäß § 302 AktG nicht der Nachweis der Nichtigkeit der noch von der F. auf den festgestellten Bilanz. Vielmehr war von ihr (lediglich) der bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung sich ergebende Fehlbetrag für den Jahresabschluß 1995 zum Stichtag des darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin hat dementsprechend - entgegen der auf der unrichtigen Prämisse beruhenden Ansicht des Berufungsgerichts - ihrer Darlegungs- und Beweisantrittslast dadurch genügt, daß sie jedenfalls in der Berufungsschrift und im Schriftsatz vom sich nicht nur den Inhalt der Nachtragsprüfungsberichte der R. Treuhand GmbH zu den von der Bilanzfeststellung der F. abweichenden Bilanzansätzen zu eigen gemacht, sondern deren wesentlichen Inhalt auch detailliert dargestellt und durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie - ergänzend - durch sachverständiges Zeugnis des Berichtsverfassers K. unter Beweis gestellt hat.

Dies gilt hinsichtlich der Annahme des Nachtragsprüfers, nach dem Vorsichtsprinzip sei bereits für das Geschäftsjahr 1995 der Wert der Beteiligung der F. an der P. von ca. 8,92 Mio. DM auf einen Erinnerungswert von 1,00 DM zu berichtigen, aber auch für die von diesem für notwendig erachtete Passivierung von Rückstellungen bezüglich des drohenden Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von 75 % der nicht verwendeten Sanierungsrückstellungen gemäß § 5 Nr. 2 des Anteilsveräußerungsvertrages.

Die auf der Verkennung des Umfangs der Darlegungslast beruhende Ablehnung der Erhebung des beantragten Sachverständigenbeweises für den hinreichend substantiiert vorgetragenen Fehlbetrag i.S. von § 302 AktG und die darauf gestützte Beweislastentscheidung zum Nachteil der Klägerin waren danach unzulässig (§ 286 ZPO); sie stellten zugleich eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar.

III. Das die Klageabweisung bestätigende Berufungsurteil erweist sich auch nicht etwa in bezug auf die Beklagte zu 1 im Ergebnis als richtig, weil - wie von Beklagtenseite im Revisionsverfahren geltend gemacht wird - diese aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom "inzwischen aufgelöst und das Vermögen auf die Beklagte zu 2 übergegangen ist". Das beschlossene Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Beklagten zu 1 als zweigliedriger Personengesellschaft in Verbindung mit der zugleich vereinbarten Anwachsung des Gesellschaftsvermögens an die Beklagte zu 2 als Kommanditistin und deren Eintritt in alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft führte zwar zur liquidationslosen Vollbeendigung der Beklagten zu 1 unter gleichzeitiger Gesamtrechtsnachfolge der Beklagten zu 2 als einzig verbliebener Kommanditistin (vgl. dazu Sen.Urt. v. - II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047, 1048 m.w.Nachw.). Prozessual folgt daraus jedoch nicht die Klageabweisung gegenüber der Beklagten zu 1; vielmehr sind auf den Rechtsübergang während des Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden. Da die Beklagte zu 1 zur Zeit des Rechtsübergangs durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war und ein Aussetzungsantrag gemäß § 246 ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit unter der bisherigen Parteibezeichnung mit Wirkung für die Beklagte zu 2 als Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 1 fortgesetzt werden, wobei lediglich das Rubrum des Rechtsstreits entsprechend zu berichtigen ist (Senat aaO, S. 1048).

IV. Aufgrund der unter Nr. II aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung und Zurückverweisung, damit in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 ZPO n.F.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1104 Nr. 20
DB 2005 S. 937 Nr. 17
DStR 2005 S. 707 Nr. 16
DStR 2005 S. 750 Nr. 17
HFR 2005 S. 1027 Nr. 10
SJ 2005 S. 38 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2005 S. 738
TAAAB-98049

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja; Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein