BGH Urteil v. - II ZR 326/01

Leitsatz

[1] Die Satzung einer GmbH kann anordnen, daß ein kündigender Gesellschafter auch schon vor Zahlung seiner Abfindung endgültig aus der Gesellschaft ausscheidet.

Gesetze: GmbHG § 15 Abs. 3; GmbHG § 30; GmbHG § 34 Abs. 3

Instanzenzug: LG Meiningen vom

Tatbestand

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen einer GmbH mit einem Stammkapital von 150.000,00 DM. Ihre Gesellschafter waren die Beklagte (ebenfalls eine GmbH) und A. S.. Mit Schreiben vom 13. und erklärte die Beklagte die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses zum . Die Satzung der GmbH bestimmt dazu in § 14 folgendes:

"(1) Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft mit einer Frist von neun Monaten zum Schluß des Geschäftsjahres kündigen. ...

(2) Durch die Kündigung tritt der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Sein Geschäftsanteil wächst den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zueinander an. Diese können jedoch eine andere Verteilung vereinbaren.

(3) Der ausscheidende Gesellschafter erhält ein Ausscheidungsguthaben. Dieses ist spätestens zwölf Monate nach Wirksamkeit der Kündigung auszuzahlen. Das Ausscheidungsguthaben bemißt sich nach dem Verkehrswert. An den Geschäften, die im Zeitpunkt des Ausscheidens laufen, nimmt der ausscheidende Gesellschafter nicht teil.

(4) Im Falle der Kündigung durch einen Gesellschafter können die übrigen Gesellschafter anstelle der Übernahme der Geschäftsanteile aber auch beschließen, daß die Gesellschaft aufgelöst wird."

Unter dem 21. Februar/ schlossen die GmbH, vertreten durch den Gesellschaftergeschäftsführer S., und die Beklagte einen Vergleich über eine an diese zu zahlende Abfindung von 500.000,00 DM, zahlbar in fünf Raten zu je 100.000,00 DM. Die GmbH zahlte drei Raten am 31. März und sowie am . Eine weitere Rate über 100.000,00 DM zahlte der Gesellschafter S. mit einem auf sein Bankkonto gezogenen Scheck. Die letzte Rate wurde nicht gezahlt.

Mit der Klage hat zunächst die GmbH und nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der jetzige Kläger die Beklagte auf Rückerstattung der an sie geflossenen Zahlungen von 400.000,00 DM in Anspruch genommen, weil diese zu Lasten des Stammkapitals der GmbH gezahlt worden seien (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG). Bereits bei Abschluß des Abfindungsvergleichs im März 1995 habe festgestanden, daß sie die Abfindung nicht aus freiem Vermögen würde leisten können. Die letzte Rate habe der Gesellschafter S. im Wege eines Gesellschafterdarlehens auf die Schuld der GmbH geleistet.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die auf einen Teilbetrag von 249.000,00 DM beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre Revision.

Gründe

Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage im Umfang der Berufung der Beklagten.

I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte schulde dem Kläger gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG Rückzahlung der von dem Gesellschafter S. geleisteten Zahlung von 100.000,00 DM. Diese sei als Zahlung der GmbH anzusehen, weil hierdurch eine sie treffende Verbindlichkeit getilgt worden sei, und zwar durch eine Leistung, die sie durch S. als Dritten erbracht habe.

Dies ergebe sich aus der in § 14 der Satzung der GmbH vorgesehenen Wirkung der Kündigung eines Gesellschafters. § 14 Abs. 2 Satz 2 sei nicht so zu verstehen, daß der Geschäftsanteil des Kündigenden automatisch den verbleibenden Gesellschaftern anfalle und S. daher mit der Zahlung von 100.000,00 DM eine eigene Gegenleistungsverpflichtung für den Erwerb des Geschäftsanteils der Beklagten erfüllt habe, weil es im Kapitalgesellschaftsrecht eine dem § 738 BGB entsprechende Regelung nicht gebe. Vielmehr sei die Regelung dahingehend zu interpretieren, daß im Fall des Austritts eines Gesellschafters durch Kündigung dessen Anteil eingezogen werde (§ 34 GmbHG) und sich dadurch der Nennbetrag der verbleibenden Geschäftsanteile erhöhe. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, sei aufgrund des von S. mitgetragenen Abfindungsvergleichs vom März 1995 von einer (konkludenten) Einziehung auszugehen, die aber erst mit vollständiger Zahlung der von der GmbH geschuldeten, zum Teil von S. unter Verletzung ihres Stammkapitals gezahlten Abfindung wirksam werde. Daraus ergebe sich zugleich, daß die Beklagte auch die im Jahr 1995 aus freiem Vermögen der GmbH geleisteten Zahlungen in Höhe von 149.000,00 DM zurückzuzahlen habe, weil die Beklagte Gesellschafterin der GmbH geblieben und das gesamte Geschäft deshalb rückabzuwickeln sei. Der einseitige Verzicht der Beklagten auf die restliche Abfindung könne daran nichts ändern.

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei der aus Geldmitteln des Gesellschafters S. an die Beklagte geleisteten Zahlung von 100.000,00 DM nicht um eine gemäß § 30 GmbHG verbotene Leistung aus dem Vermögen der GmbH, mag diese auch aus der zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen und nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wirksamen Abfindungsvereinbarung verpflichtet gewesen sein. Der Hinweis des Berufungsgerichts, daß S. auf eine Schuld der GmbH gegenüber der Beklagten geleistet habe, läßt offen, ob er dabei aus eigenem Antrieb als Dritter im Sinne von § 267 BGB oder im Auftrag der GmbH (vertreten durch ihn) für ihre Rechnung gehandelt hat. Anders als im ersten wäre zwar im zweiten Fall eine Leistung der GmbH anzunehmen, die jedoch unter den gegebenen Umständen eine Unterbilanz der GmbH weder herbeiführte noch vertiefte, jedenfalls aber die - durch § 30 GmbHG geschützten - Belange ihrer Drittgläubiger nicht berührte. Denn der - für die Voraussetzungen des § 30 GmbHG darlegungspflichtige - Kläger hat ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils selbst vorgetragen, daß S. der GmbH mit der Zahlung an die Beklagte "ein eigenkapitalersetzendes Darlehen" gewähren wollte und gewährt hat, weil die GmbH zu diesem Zeitpunkt von dritter Seite keinen Kredit mehr habe erhalten können. Infolgedessen war der Darlehensrückzahlungsanspruch des Gesellschafters S. gegenüber der GmbH in gleicher Weise entsprechend § 30 GmbHG gesperrt (vgl. Senat, BGHZ 90, 370, 376 ff. und st. Rspr.) wie der Abfindungsanspruch der Beklagten (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG), der durch die Zahlung gemäß §§ 267 oder 362 BGB teilweise erfüllt wurde. Es handelt sich um einen bloßen Austausch gleichrangiger Passiva, der keinerlei Nachteil für die Gläubiger der GmbH mit sich brachte und deshalb nicht unter § 30 GmbHG fällt.

2. Rechtsfehlerhaft ist weiter die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde die Rückzahlung der im Jahr 1995 aus freiem Vermögen der GmbH gezahlten 149.000,00 DM, weil - so meint das Berufungsgericht offenbar - die für die Wirksamkeit der Einziehung des Geschäftsanteils und damit des Austritts der Beklagten aus der GmbH vorausgesetzte Bedingung vollständiger Zahlung der Abfindung angesichts der Insolvenz der GmbH nicht mehr eintreten könne und deshalb der Abfindungsvergleich "rückabzuwickeln" sei. Das widerspricht schon dem Grundsatz, daß kein Schuldner aus seiner eigenen Zahlungsunfähigkeit Vorteile wie etwa ein Rücktrittsrecht herleiten kann. Selbst wenn man den Austritt bzw. die Einziehung gegen ein "Abfindungsentgelt" bis zu dessen Zahlung wie einen gegenseitigen, beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrag im Sinne von § 9 GesO zu behandeln hätte und von einer Erfüllungsablehnung des Klägers ausginge, würde daraus nur eine Insolvenzforderung der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GesO, nicht aber ein Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung wirksam geleisteter Zahlungen folgen (vgl. auch Kreft in: MünchKommInsO, § 103 Rdn. 32). Die Anwendbarkeit des § 9 GesO kann hier aber dahinstehen, weil ein quasi-synallagmatischer Zusammenhang zwischen Austritt und Zahlung der Abfindung nach der Satzung der GmbH nicht besteht und der Austritt der Beklagten aus der GmbH bereits vollzogen ist.

a) Zwar bedarf der - im GmbHG nicht geregelte, aber bei entsprechender Satzungsregelung zulässige - Austritt aus einer GmbH im Wege der Kündigung regelmäßig eines Vollzuges durch Einziehung oder Übernahme des Geschäftsanteils durch einen oder mehrere Mitgesellschafter (Senat, BGHZ 88, 320, 322 f.), wobei die Wirksamkeit der sog. "entgeltlichen Einziehung" nach überwiegender Auffassung im Anschluß an das - eine Ausschließungsklage ohne statutarische Regelung betreffende - Senatsurteil BGHZ 9, 157 ff., 173 unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Abfindungsentgelts stehen soll (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 34 Rdn. 10 ff.; Scholz/Westermann, GmbHG 9. Aufl. § 34 Rdn. 53, jew. m.w.N.; offengelassen in BGHZ 139, 299, 301 f.), was zu einer schwierigen Schwebelage führt (krit. Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl. § 34 Rdn. 22 ff.; Goette, FS Lutter, S. 399, 405 ff.). Jedenfalls kann aber die Satzung eine hiervon abweichende Regelung treffen und selbst für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluß anordnen, daß der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliert (vgl. Senat, BGHZ 32, 17, 23; Sen.Urt. v. - II ZR 237/82, WM 1983, 956). Für einen Austritt durch Kündigung gilt nichts anderes (wovon auch BGHZ 88, 320, 322 ausgeht). Ob der - in diesem Fall bestehenbleibende (vgl. BGHZ 32, 17, 23) - Geschäftsanteil mangels gegenteiliger Satzungsanordnung bis zu seiner Verwertung durch die Gesellschaft trägerlos wird (so Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 34 Rdn. 36 f.; Roth/Altmeppen aaO, § 60 Rdn. 93; ebenso zu § 21 GmbHG, Senat, BGHZ 42, 89, 92) oder ihr vorübergehend treuhänderisch anfällt (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 17. Aufl. § 21 Rdn. 12 m.N.), bedarf hier wegen der Regelung in der Satzung der GmbH keiner Entscheidung.

b) Die Regelung der Kündigungsfolgen in der Satzung der GmbH hat korporativen, auch künftige Gesellschafter betreffenden Charakter, weshalb der Senat deren Auslegung durch das Berufungsgericht unbeschränkt nachprüfen kann (BGHZ 116, 359, 364; 142, 116, 143 f.). Die Auslegung ist objektiv allein nach dem in der Satzung zum Ausdruck kommenden Gesellschafterwillen vorzunehmen (BGHZ 116 aaO).

aa) Nach § 14 Abs. 2 tritt der kündigende Gesellschafter "durch die Kündigung", die mit Ablauf der Kündigungsfrist gemäß Abs. 1 wirksam wird, aus der Gesellschaft aus. Bereits das steht der vom Berufungsgericht angenommenen "Bedingungslösung" entgegen. Das Berufungsgericht verstellt sich weiter den Blick dafür, daß in § 14 von einer Einziehung gar nicht die Rede ist, sondern der Geschäftsanteil den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile "anwächst" und der ausscheidende Gesellschafter dafür eine Abfindung erhält, die gemäß Abs. 3 spätestens zwölf Monate nach Wirksamkeit der Kündigung (!) auszuzahlen ist. Auch danach besteht kein Bedingungs- oder sonstiger Zusammenhang zwischen Ausscheiden und Abfindungszahlung. Die Regelung über das "Anwachsen" des Geschäftsanteils lehnt sich zwar an die Formulierung des § 738 BGB an, hat hier aber eine andere Bedeutung. Mit der Bestimmung, die unter der Mitwirkung eines Notars getroffen wurde, wird zum Ausdruck gebracht, daß der Geschäftsanteil den übrigen Gesellschaftern dinglich anfallen soll. Dies ist im Wege einer durch den Austritt eines Gesellschafters aufschiebend bedingten Teilung (§ 17 Abs. 3 GmbHG) und Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3 GmbHG) ohne weiteres möglich (vgl. zu bedingter Abtretung BGHZ 127, 129, 133; Scholz/Winter aaO, § 15 Rdn. 37 a). Eine entsprechende Regelung kann auch schon in dem notariellen, die Form des § 15 Abs. 3, 4 GmbHG erfüllenden Gesellschaftsvertrag getroffen werden und ist hier ersichtlich gewollt.

Dem steht nicht entgegen, daß die verbleibenden Gesellschafter gemäß Abs. 2 Satz 2 auch eine andere als die verhältnismäßige Aufteilung des Geschäftsanteils vereinbaren oder nach Abs. 4 anstelle der Übernahme der Geschäftsanteile auch beschließen können, daß die Gesellschaft aufgelöst wird. Denn diese Regelungen können auch vor Ablauf der Kündigungsfrist getroffen werden, widrigenfalls der Anteil eben den Gesellschaftern nach Abs. 2 Satz 2 zuwächst. Ebensowenig steht dieser Auslegung entgegen, daß der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters gemäß § 14 Abs. 3 sich offenbar gegen die Gesellschaft richtet, obwohl der Anteil des ausgeschiedenen den verbleibenden Gesellschaftern zugute kommt. Die Belange der Gläubiger der Gesellschaft werden durch diese Art der Finanzierung des Anteilserwerbs mit Gesellschaftsmitteln nicht berührt, weil auf den Abfindungsanspruch die §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG entsprechend anzuwenden sind und § 16 Abs. 3 GmbHG unmittelbar eingreift.

bb) Ob die durch den Anteilserwerb bevorteilten Gesellschafter dem Ausscheidenden für die Abfindung subsidiär (pro rata) haften (vgl. Roth/Altmeppen; Goette jeweils aaO), kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist der Austritt der Beklagten aus der GmbH längst wirksam vollzogen (und der Übergang ihres Anteils auf den Gesellschafter S. spätestens mit Abschluß des Abfindungsvergleichs im Jahr 1995 konkludent gemäß § 16 GmbHG bei der Gesellschaft angemeldet). Es bleibt der Beklagten überlassen, ihren restlichen Abfindungsanspruch in der Insolvenz der GmbH anzumelden. Ein Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung geleisteter Zahlungen wegen Bedingungsausfalls besteht nicht.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1749 Nr. 34
DB 2003 S. 2058 Nr. 38
DStR 2003 S. 1717 Nr. 40
XAAAB-98000

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja