BGH Beschluss v. - I ZB 37/02

Leitsatz

[1] Hat eine Partei in einer Kennzeichenstreitsache einen als Rechtsanwalt und als Patentanwalt zugelassenen Vertreter in beiden Funktionen beauftragt, sind ihr auch die entstandenen Patentanwaltsgebühren gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG zu erstatten.

Gesetze: MarkenG § 140 Abs. 3

Instanzenzug: LG Düsseldorf

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen der Kostenfestsetzung um die Erstattungsfähigkeit einer Patentanwaltsgebühr eines als Rechtsanwalt und zugleich als Patentanwalt zugelassenen Prozeßbevollmächtigten.

Die Klägerin ist in einer Kennzeichenstreitsache unterlegen und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Beklagte war durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, der als Rechtsanwalt und zugleich als Patentanwalt zugelassen ist und mit der Klageerwiderung angezeigt hatte, seinen Mandanten auch in seiner Eigenschaft als Patentanwalt zu vertreten.

Der Beklagte hat im Kostenfestsetzungsantrag neben der Festsetzung der 10/10 Prozeß- und Verhandlungsgebühr seines Prozeßbevollmächtigten als Rechtsanwalt "die Festsetzung einer 10/10 Patentanwaltsgebühr gemäß § 140 Absatz 5 MarkenG" geltend gemacht. Die Kostenfestsetzung ist antragsgemäß erfolgt.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Gebühr gemäß § 140 Abs. 5 MarkenG a.F. von der Festsetzung auszunehmen, weiter. Der Beklagte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Das Beschwerdegericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Durch die Beauftragung und das Auftreten des Patent- und Rechtsanwalts des Beklagten in beiden Funktionen sei diesem auch aus seiner Tätigkeit als Patentanwalt ein Gebührenanspruch erwachsen. Der zusätzliche Gebührenanspruch sei nicht mit der für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt entstandenen Gebühr abgegolten. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn es in dem Rechtsstreit gerade auf besondere marken- oder kennzeichenrechtliche Fragen ankomme und der Patent- und Rechtsanwalt sie im Prozeß auch tatsächlich behandle. Nachdem die gesonderte Gebühr angefallen sei, sei sie nach § 140 Abs. 5 MarkenG a.F. auch zu erstatten.

III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Frage, ob ein als Rechtsanwalt und zugleich als Patentanwalt zugelassener Prozeßbevollmächtigter auch die Gebühren für seine Tätigkeit als Patentanwalt erstattet erhält, ist umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, daß in derartigen Fällen keine zusätzliche Gebühr anfalle (Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 140 Rdn. 19; BPatG für das Patentnichtigkeitsverfahren zuletzt in GRUR 1991, 205, 206; vgl. auch Keller in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rdn. 22 a.E.), daß dies von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der tatsächlich erbrachten Mehrleistung des Prozeßbevollmächtigten als Patentanwalt abhänge (OLG Schleswig JurBüro 1987, 1729, 1731; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rdn. 13 "Patentanwaltskosten") oder daß die Gebühr im Fall der doppelten Mandatierung und Vertretung generell zu erstatten sei (OLG Karlsruhe AnwBl. 1989, 106, 107; OLG München JurBüro 1972, 988 f.; JurBüro 1983, 1815, 1816; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 140 Rdn. 63; Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 140 Rdn. 18; Benkard/Rogge, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 144 Rdn. 24; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., S. 1060 f. "Patentsachen", 7.3.3. "Doppelfunktion"; von Eicken in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rdn. 28).

2. Die Patentanwaltsgebühr steht dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zu, weil er in beiden Funktionen als Rechtsanwalt und als Patentanwalt beauftragt wurde und an dem Rechtsstreit mitgewirkt hat, wobei er sowohl als Rechtsanwalt als auch als Patentanwalt in der jeweiligen Funktion Organ der Rechtspflege ist. Zu Unrecht meint die Klägerin, der Beklagte sei im Fall der Personenidentität des Rechts- und Patentanwalts zur Zahlung der Patentanwaltsgebühren nicht verpflichtet. Die Annahme eines "Doppelmandats" sei konstruiert und lebensfremd; vielmehr komme ein einheitliches Mandatsverhältnis zustande.

Zutreffend hat das Beschwerdegericht ausgeführt, daß einem Rechtsanwalt und Patentanwalt, der im Rahmen seiner Beauftragung in beiden Funktionen in einer Kennzeichenstreitsache seine Partei vertritt, aus seiner Tätigkeit als Patentanwalt ein gesonderter Gebührenanspruch erwächst. Die Beratung und die Vertretung gegenüber Dritten sind typische Aufgaben eines Patentanwalts in einem Kennzeichenstreit (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 PatAnwO). Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten tatsächlich sowohl in seiner Funktion als Rechtsanwalt als auch in seiner Funktion als Patentanwalt beauftragt worden war und daß die Beauftragung eines (anderen) Patentanwalts einen Gebührenanspruch in der geforderten Höhe ausgelöst hätte. An der Begründung des Gebührenanspruchs gegenüber seinem Mandanten ändert der Umstand nichts, daß der Prozeßbevollmächtigte in dieser Kennzeichenstreitsache als Rechts- und Patentanwalt ein und dieselbe Person ist. Denn es besteht kein Verbot, das es einem Rechtsanwalt und Patentanwalt verwehren würde, sich in beiden Eigenschaften beauftragen zu lassen.

Zu Unrecht meint die Klägerin, es sei eine Selbstverständlichkeit und gehöre zum "Betreiben des Geschäfts" eines zum Prozeßbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts im Sinne von § 31 Abs. 1 BRAGO, daß der mit der Prozeßvertretung beauftragte Rechts- und Patentanwalt seine besonderen markenrechtlichen Kenntnisse - ebenso wie ein Fachanwalt für Steuerrecht seine besonderen steuerrechtlichen Kenntnisse - einsetze. Dies sei mit den Gebühren als Rechtsanwalt abgegolten. Die Klägerin läßt dabei unberücksichtigt, daß der im Streitfall tätige Rechtsanwalt nicht nur über Spezialwissen auf dem Gebiet eines Patentanwalts verfügt, sondern - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat - als solcher ein unabhängiges Organ der Rechtspflege nach § 1 PatAnwO ist. Diese auf besonderen fachlichen Fähigkeiten begründete berufliche Stellung mit entsprechenden Rechten und Pflichten besteht neben derjenigen eines Rechtsanwalts und wird - im Fall der Vereinigung beider Berufsbilder in einer Person - durch diese auch nicht verdrängt (OLG Karlsruhe AnwBl. 1989, 106, 107; OLG München JurBüro 1972, 988, 989). Auf die Abgrenzbarkeit der einzelnen Handlungen des Rechts- und Patentanwalts nach ihrer Zugehörigkeit zu seinem einen oder anderen Funktionsbereich kommt es dabei nicht an (OLG München JurBüro 1972, 988, 989).

Das Beschwerdegericht hat offengelassen, ob ein Rechts- und Patentanwalt, der für seine Partei in einer Kennzeichenstreitsache aufgrund eines doppelten Mandates tätig wird, stets einen Gebührenanspruch erwirbt oder ob dies davon abhängt, daß dieser die besonderen marken- oder kennzeichenrechtlichen Fragen behandelt, auf die es im Rechtsstreit ankommt. Das Beschwerdegericht hat jedenfalls das Eingehen auf die besonderen kennzeichenrechtlichen Fragen durch den Beklagtenvertreter bejaht. Dies beanstandet die Rechtsbeschwerdeführerin mit der Rüge, der Beklagtenvertreter habe keine "Mehrleistung" erbracht, denn ob zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinne bestehe, habe der Prozeßbevollmächtigte bereits in seiner Funktion als Rechtsanwalt prüfen müssen. Hierauf kommt es indessen nicht an, weil eine besondere Prüfung einer "Mehrleistung" angesichts der formalisierten Regelung nicht in Betracht kommt.

3. Der gegenüber dem Beklagten entstandene Gebührenanspruch des Beklagtenvertreters als Patentanwalt ist von der Klägerin auch zu erstatten (§ 140 Abs. 5 MarkenG a.F., wegen Streichung der Abs. 3 und 4 mit Wirkung vom jetzt § 140 Abs. 3 MarkenG).

Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hatte seine Mitwirkung als Patentanwalt im Verfahren in der Klageerwiderung angezeigt.

Die gegebene Personenidentität von Rechts- und Patentanwalt steht der Annahme einer Mitwirkung im Sinne des § 140 Abs. 3 MarkenG nicht entgegen. Zwar geht der Wortlaut der Vorschrift ("Mitwirkung") davon aus, daß neben dem eigentlichen Prozeßbevollmächtigten (Rechtsanwalt) ein Patentanwalt im Rechtsstreit mit tätig wird (BPatG GRUR 1991, 205, 206). Die Vorschrift schließt aber eine Anwendung auf den doppelqualifizierten Prozeßbevollmächtigten nach ihrem Sinn und Zweck nicht aus. Andernfalls wäre dieser, obwohl er gleichermaßen qualifiziert und in beiden Funktionen jeweils Organ der Rechtspflege ist, in nicht nachvollziehbarer Weise benachteiligt, da sein Mandant im Fall des Obsiegens eine Erstattung der Patentanwaltskosten vom Gegner nicht verlangen könnte.

Die Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG sieht ausdrücklich vor, daß in Kennzeichenstreitsachen von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts entstehen, die Gebühren nach § 11 BRAGO und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten sind. Die ursprünglich in der Regelung enthaltene Begrenzung der Erstattung ("bis zur Höhe einer vollen Gebühr") ist zuvor mit Gesetz vom (BGBl. I S. 3656, 3675) mit Wirkung vom gestrichen worden. Sie ist im Streitfall nicht überschritten, so daß es auf die Frage der Geltung der neuen Regelung für den Streitfall nicht ankommt. Eine Prüfung, ob die durch die Mitwirkung des Patentanwalts entstandenen Gebühren notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind, findet aufgrund der Regelung des § 140 Abs. 3 MarkenG (§ 140 Abs. 5 MarkenG a.F.) nicht statt (vgl. OLG Karlsruhe AnwBl. 1989, 106, 107; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 140 Rdn. 66; Althammer/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 140 Rdn. 18).

IV. Danach war die Rechtsbeschwerde der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
RAAAB-96622

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja