Leitsatz
[1] Beauftragt eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Berufungsverfahren, sind die dadurch entstehenden Reisekosten erstattungsfähig, wenn die Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in zweiter Instanz nach denselben Grundsätzen wie in erster Instanz.
Gesetze: ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
Instanzenzug: LG Hamburg
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin nahm die in Aschaffenburg ansässige Verfügungsbeklagte in einem wettbewerbsrechtlichen Streit vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht in Hamburg auf Unterlassung einer Werbeaussage in Anspruch. In beiden Instanzen war die Verfügungsbeklagte durch in Aschaffenburg ansässige Rechtsanwälte vertreten. In den Verhandlungsterminen vor dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht traten für die Verfügungsbeklagte Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in Hamburg auf.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Verfügungsbeklagte beantragt, auch die in zweiter Instanz zusätzlich durch die Einschaltung von Rechtsanwaltsbüros am Sitz der Verfügungsbeklagten und am Gerichtsort angefallenen Kosten bis zur Höhe fiktiver Reisekosten von 526 € der in Aschaffenburg ansässigen Hauptbevollmächtigten festzusetzen.
Das Landgericht hat dem Antrag nicht entsprochen. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Verfügungsbeklagte habe den in Hamburg ansässigen Rechtsanwälten in zweiter Instanz das Mandat auch alleine überlassen können. Diese seien bereits aufgrund ihrer Tätigkeit als Unterbevollmächtigte in der ersten Instanz mit der Sache vertraut gewesen, und in zweiter Instanz sei nur noch über die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts gestritten worden.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Rechtsbeschwerde der Verfügungsbeklagten, mit der sie ihren Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Reisekosten in Höhe von 526 € weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Die Erstattungsfähigkeit der in Streit befindlichen Kosten hängt davon ab, ob es für die Verfügungsbeklagte in zweiter Instanz notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozeßvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozeßgerichts in Hamburg ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Denn nur in diesem Fall kann die Verfügungsbeklagte von der Verfügungsklägerin die Erstattung der durch die zusätzliche Beauftragung des Rechtsanwalts am Gerichtsort ersparten Reisekosten ihres an ihrem Sitz in Aschaffenburg tätigen Prozeßbevollmächtigten beanspruchen.
Im allgemeinen handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt (, WRP 2004, 495, 496 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w.N.). Eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt wird, wird in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen, ihn gegebenenfalls zu beauftragen oder für eine sachgemäße Information des Rechtsanwalts zu sorgen. Kann diese sachgerechte Information nur in einem persönlichen mündlichen Gespräch erfolgen, so ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozeßgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (vgl. , Rpfleger 2004, 316 = GRUR 2004, 447 - Auswärtiger Rechtsanwalt III).
Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die erste wie für die zweite Instanz. Zwar dient das Berufungsverfahren nach der Neufassung der Zivilprozeßordnung abweichend von der bisherigen Funktion einer vollwertigen zweiten Tatsacheninstanz nunmehr in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung (vgl. , NJW 2003, 2531, 2532). Das schließt aber nicht aus, daß die Partei auch in der Berufungsinstanz zu einer sachgerechten Information auf ein persönliches mündliches Gespräch mit ihrem Prozeßbevollmächtigten angewiesen ist. Eine Ausnahme besteht allerdings, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Das ist u.a. regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (vgl. , GRUR 2003, 725, 726 = WRP 2003, 894 - Auswärtiger Rechtsanwalt II; BGH WRP 2004, 495, 496 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV). Daß ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat die Verfügungsklägerin nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht hat vielmehr die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten mit der Begründung versagt, die Hamburger Rechtsanwälte seien aus der ersten Instanz mit der Sache bereits vertraut gewesen und es sei in zweiter Instanz nur um die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts gestritten worden. Das rechtfertigt es jedoch nicht, die Reisekosten in zweiter Instanz als nicht erstattungsfähig anzusehen. Daß der Streit der Parteien sich auf rechtliche Fragen beschränken würde, stand erst nach der bereits erfolgten Beauftragung der in Aschaffenburg ansässigen Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz durch die Verfügungsbeklagte mit der Vorlage der Berufungsbegründung fest. Danach bestand für die Verfügungsbeklagte keine Veranlassung, auf die Hinzuziehung der Prozeßbevollmächtigten ihres Vertrauens an ihrem Sitz in Aschaffenburg zu verzichten, die sie bereits in erster Instanz mit der Prozeßvertretung beauftragt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
PAAAB-96585
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja