Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 265; StPO § 267 Abs. 1 Satz 3; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354 Abs. 1 a Satz 1; StGB § 22; StGB § 23 Abs. 2; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 226 Abs. 1; StGB § 226 Abs. 1 Nr. 3; StGB § 226 Abs. 1 Nr. 5; StGB § 226 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - beabsichtigter - schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich der Angeklagte insbesondere gegen die Anwendung des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte der Nebenklägerin in der Absicht "sie in den Rollstuhl zu bringen" mit einem Hammer mehrfach auf beide Schienbeine und fügte ihr zudem mit einem Messer einen tiefen Schnitt in die rechte Kniekehle zu. Die Nebenklägerin erlitt hierdurch offene Tibiaschaftbrüche beidseits, rechteckige, stark gequetschte, teils "matschige" Wunden an den Beinen sowie multiple, tiefe Schnittverletzungen; im Bereich der rechten Kniekehle entstand eine große, quer verlaufende klaffende Wunde mit teilweiser Durchtrennung der Unterschenkelsehne. Nach Ausheilen der Brüche und Wunden sind bei der Nebenklägerin eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks sowie zahlreiche Narben an den Unterschenkeln und in der rechten Kniekehle zurückgeblieben. Die größte Narbe zieht sich bogenförmig von der rechten Kniekehle bis zur Vorderseite des rechten Oberschenkels und ist 20 cm lang. Diese Narbe ist durch die Spannung in der Kniekehle deutlich verbreitert. Sie kann auch durch kosmetische Operationen nicht Erfolg versprechend verkleinert werden. Sowohl hinsichtlich der erlittenen Verletzungen als auch zur Frage der verbliebenen Narben hat das Landgericht im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf Lichtbilder Bezug genommen, die der Senat in Augenschein genommen hat.
Eine - im tatbestandsmäßigen Sinne - dauernde Entstellung in erheblicher Weise ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Zwar sind - wie sich insbesondere aus den Lichtbildern ergibt - die an den Beinen der Nebenklägerin verbliebenen Narben nicht zu übersehen. Die Verunstaltung ihrer äußeren Gesamterscheinung erreicht jedoch nicht das zur Verwirklichung des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzte Maß. Dieses ist auch mit Blick auf die übrigen in § 226 Abs. 1 StGB genannten Folgen zu bestimmen. Wenigstens der in ihrem Gewicht geringsten dieser Folgen muss die dauernde Entstellung im Maß ihrer beeinträchtigenden Wirkung in etwa gleichkommen (vgl. BGH StV 1991, 115; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 226 Rdn. 9). Das kann für die Narben an den Beinen der Nebenklägerin nicht angenommen werden, zumal diese ihr Gesamterscheinungsbild weniger stark prägen als etwa vergleichbare Narben im Gesicht (vgl. auch BGH aaO für den Fall von durch zahlreiche Narben und Verfärbungen entstellten Händen).
Durch sein Verhalten hat sich der Angeklagte indessen der versuchten beabsichtigten schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 22 StGB schuldig gemacht, da er als Folge seiner Misshandlungen ein Verfallen der Nebenklägerin in Lähmung erstrebte. Die von der Kammer ohne Rechtsfehler als ebenfalls verwirklicht erkannte gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB steht zu der versuchten schweren Körperverletzung im Verhältnis der Tateinheit (vgl. BGHSt 21, 194, 195 f.).
Da sich der Angeklagte nicht der vollendeten schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB (dauernde Entstellung in erheblicher Weise) schuldig gemacht hat, braucht nicht entschieden zu werden, ob dem Landgericht in der Auffassung gefolgt werden könnte, dass die Tat als vollendete beabsichtigte schwere Körperverletzung zu werten ist, weil der Täter eine schwere Folge ("Lähmung") beabsichtigt hat und - so das Landgericht - die tatsächlich eingetretene schwere Folge ("dauernde erhebliche Entstellung") in der beabsichtigten typischerweise enthalten ist. Dies erscheint aber zumindest zweifelhaft.
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der im Wesentlichen geständige Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge. Von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO macht der Senat keinen Gebrauch. Zwar könnte sich die Angemessenheit der erkannten Strafe auch nach Änderung des Schuldspruchs aus der Erwägung ergeben, dass eine Strafmilderung gemäß § 23 Abs. 2 StGB mit Blick auf die beinahe das Ausmaß einer vollendeten Tat erreichenden Tatfolgen fern liegt. Diese für die Strafzumessung grundlegende Weichenstellung muss aber, zumal die abgeurteilte Tat durch die Änderung ein anderes Gepräge erfährt, dem Tatrichter vorbehalten bleiben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAB-95439
1Nachschlagewerk: nein