BAG Urteil v. - 9 AZR 481/01

Leitsatz

[1] 1. Ist zu der von einem schwerbehinderten Menschen beantragten Beschäftigung in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers die Zustimmung des Betriebsrats des aufnehmenden Betriebes erforderlich, so kann unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO der Arbeitgeber zu dieser Beschäftigung unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Betriebsrats verurteilt werden.

2. Der schwerbehindertenrechtliche Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX läßt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unberührt.

3. Soweit für die Erfüllung des schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruchs eine Versetzung erforderlich ist, hat der schwerbehinderte Mensch einen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber die Zustimmung nach § 99 BetrVG beim Betriebsrat einholt. Wird diese verweigert und steht nicht fest, daß dem Betriebsrat objektiv Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG zustehen, hat der schwerbehinderte Mensch auch einen Anspruch auf Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG.

4. Führt der Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren schuldhaft unzureichend durch, kann das einen Schadenersatzanspruch begründen.

Gesetze: ZPO § 259; SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1; SGB IX § 81 Satz 3; SGB IX § 99 Abs. 1; BetrVG § 99

Instanzenzug: ArbG Bielefeld 3 Ca 1758/00 vom LAG Hamm 8 (6) Sa 30/01 vom LAG Hamm 8 (6) Sa 30/01 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Versetzung in eine andere Niederlassung der Beklagten hat, um dort im Bereich der Briefzustellung beschäftigt zu werden, obwohl der Betriebsrat damit nicht einverstanden ist sowie darüber, ob die Beklagte für die Zeit der unterbliebenen Beschäftigung Entgelt zu zahlen hat.

Der Kläger nahm im Juni 1995 eine Beschäftigung bei der Beklagten in deren Niederlassung D auf. Zunächst war er als vollbeschäftigter Arbeiter tätig. Das Arbeitsverhältnis ist seit November 1995 unbefristet. In Anwendung der in Bezug genommenen Tarifverträge der Deutschen Bundespost ist der Kläger als Paketzusteller in die Lohngruppe 4 des TV Arb eingruppiert. Seit Januar 1996 leidet er unter einer Schuppenflechte. Im Mai 1999 erlitt er einen Herzinfarkt. Zunächst wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 50, später von 70 festgestellt. Nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit bezog der Kläger vom 9. November bis Krankengeld. Nach der ärztlichen Bescheinigung vom ist ihm nur noch leichte körperliche Arbeit zumutbar. Der Betriebsarzt hielt den Kläger im Jahre 1999 weder als Fracht-, noch als Briefzusteller einsetzbar. Auf Bitte des Personalleiters begutachtete ein Arbeitsmediziner vom Werkarztzentrum R e.V. die gesundheitliche Eignung des Klägers. Er kam nach Augenscheinseinnahme zu dem Ergebnis, der Kläger könne die als leicht bis mittelschwer eingestuften Tätigkeiten eines Briefzustellers ausführen. Die mit der sog. Verbundzustellung anfallende gleichzeitige Zustellung von Paketen belaste den Kläger allerdings zu sehr.

Nach der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme erklärte sich der Kläger zur Arbeitsaufnahme am bereit. Die Beklagte prüfte die Einsatzmöglichkeiten und kam zu dem Ergebnis, ein Einsatz als Briefzusteller sei ausschließlich in der Niederlassung Produktion BRIEF H möglich. Der für diesen Betrieb zuständige Betriebsrat befürchtete, daß andere Arbeitnehmer umgesetzt werden müßten. Er lehnte mit Schreiben vom eine Beschäftigung insbesondere deswegen ab, weil "unsererseits erhebliche Besorgnis (besteht), dass ein Einsatz des Arb L bei der NL Produktion BRIEF H zu einer Störung des Betriebsfriedens führen würde."

Die zuständige Vertrauensperson schloß sich dieser Einschätzung an. Später teilte sie dem Kläger mit, daß sie unter Druck gesetzt worden sei und einer Tätigkeit des Klägers in der Niederlassung zustimmen würde.

Mit der am erhobenen Klage verlangt der Kläger, in der Niederlassung Produktion BRIEF H im Briefdienst, hilfsweise in der Verbundzustellung, beschäftigt zu werden. Ferner fordert er Arbeitsentgelt für die Zeit der Nichtbeschäftigung von Mai bis Dezember 2000. Er macht geltend, für die Tätigkeit im Briefdienst sei er arbeitsfähig. Die für eine Versetzung erforderliche Zustimmung des Betriebsrats müsse von der Beklagten notfalls gerichtlich erzwungen werden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihn in ihrer Niederlassung H im Briefdienst, und zwar im Fahrdienst, hilfsweise in der Verbundzustellung vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats zu beschäftigen,

2. beim Betriebsrat die erforderliche Zustimmung nach § 99 BetrVG einzuholen einschließlich des Zustimmungsersetzungsverfahrens,

3. an ihn 15.839,00 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.001,89 DM seit dem , auf weitere 2.146,90 DM seit dem , auf weitere 2.065,76 DM seit dem , auf weitere 2.065,76 DM seit dem , auf weitere 2.146,90 DM seit dem , auf weitere 2.065,76 DM seit dem , auf weitere 2.132,20 DM seit dem und auf weitere 2.213,83 DM seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, sie könne den Kläger nicht einsetzen. Auf Grund der ablehnenden Haltung des Betriebsrats sei ihr ein Einsatz des Klägers in der Niederlassung H nicht zuzumuten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach einer Antragsänderung in der Berufungsinstanz hat das Landesarbeitsgericht zunächst in einem Teilurteil die Beklagte verurteilt, beim Betriebsrat die Zustimmung zum Einsatz des Klägers als Briefzusteller in der Niederlassung H nach § 99 BetrVG einzuholen, einschließlich der Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens. Den Zahlungsantrag hat es abgewiesen. Nach Einholung einer schriftlichen ärztlichen Auskunft hat es in dem Schlußurteil die Beklagte auch verpflichtet, den Kläger vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats tatsächlich als Briefzusteller in H im Fahrdienst zu beschäftigen. Es hat gegen beide Urteile die Revision zugelassen. Mit ihren Revisionen verfolgen die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Gründe

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, den Kläger vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats im Briefdienst/Fahrdienst in ihrer Niederlassung H zu beschäftigen. Der Kläger hat nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Im übrigen ist die Revision der Beklagten begründet. Der Rechtsstreit ist insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Denn bei der Verurteilung der Beklagten zur Einholung der erforderlichen Zustimmung einschließlich der Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht notwendige Feststellungen unterlassen.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Entgelt für die Zeit der unterbliebenen Beschäftigung von Mai bis Dezember 2000.

I. Soweit der Kläger die Beschäftigung in der Niederlassung Produktion BRIEF H im Briefdienst/Fahrdienst vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats verlangt, ist seine Klage sowohl zulässig als auch begründet. Der Hilfsantrag auf Beschäftigung in der Verbundzustellung fällt somit nicht mehr zur Entscheidung an.

1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist es zulässig, daß der Kläger die Beschäftigung von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig macht.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Bundesgerichtshof ( - V ZR 131/75 - NJW 1978, 1262) eine Verurteilung unter dem Vorbehalt der behördlichen Genehmigung dann für zulässig gehalten hat, wenn die Voraussetzungen zur Verurteilung auf eine künftige Leistung nach § 259 ZPO vorliegen. Diese Voraussetzung ist bereits dann erfüllt, wenn der Beklagte seine Leistungspflicht leugnet. Entsprechendes gilt für die Zustimmung des Betriebsrats. Der Arbeitgeber, der für eine Maßnahme der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, ist davon genauso abhängig wie eine Prozeßpartei, die für eine Handlung einer behördlichen Genehmigung bedarf. Da die Beklagte ihre Pflicht zur Einholung der Zustimmung leugnet, liegen auch die Voraussetzungen des § 259 ZPO vor.

2. Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht die Beschäftigung des Klägers als Briefzusteller in der Niederlassung H auch für den Fall abgelehnt, daß der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs der Versetzung zustimmen sollte.

a) Sowohl nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, der seit dem in Kraft getreten ist (vgl. Art. 68 Abs. 1 des SGB IX vom [BGBl. I S 1046]), als auch nach der vor dem geltenden gleichlautenden Gesetzesfassung in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SchwbG, haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX steht, wie bereits nach dem alten Recht, auch dieser besonders kodifizierte Beschäftigungsanspruch unter dem Vorbehalt, daß seine Erfüllung für den Arbeitgeber zumutbar und nicht mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist.

b) Das Schwerbehindertenrecht gewährt keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz und auch kein Recht, nach seinen Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden. Es räumt im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf ein, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, daß der schwerbehinderte Mensch entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (zum alten Recht: - BAGE 68, 141 mwN). Der Anspruch entsteht unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts bedarf es dazu keiner besonderen, der Beschäftigung vorangehenden "Zuweisung" des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber.

Auf Grund der mit seiner Schwerbehinderung verbundenen gesundheitlichen Einschränkung des Klägers kommt ein Einsatz allein als Briefzusteller im Fahrdienst in Betracht, der sofort ohne Wiedereingliederung möglich ist. Das hat das Landesarbeitsgericht auf Grund einer schriftlichen ärztlichen Auskunft festgestellt. An diese Feststellung ist der Senat, da sie nicht mit Revisionsrügen angegriffen wurde, gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO nF). Da nach den Feststellungen der Beklagten ein solcher Einsatz allein in der Niederlassung Produktion BRIEF H möglich ist, konkretisiert sich der Anspruch des Klägers auf einen Einsatz dort.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der schwerbehinderte Mensch für den Fall einer für seinen Einsatz notwendigen Vertragsänderung zunächst auf Änderung eines Arbeitsvertrags klagen muß oder ob er auch - wie es der Kläger tut - unmittelbar eine Beschäftigung in der angestrebten Stelle gerichtlich geltend machen kann (vgl. Senat - 9 AZR 348/97 - AP SchwbG 1986 § 14 Nr. 2 = EzA SchwbG 1986 § 14 Nr. 5; - BAGE 32, 105). Der Kläger könnte hier ohne Vertragsänderung in der Niederlassung Produktion BRIEF H eingesetzt werden. Nach § 20 Abs. 1 des zwischen den Parteien arbeitsvertraglich in Bezug genommenen MTV Arb kann der Arbeiter aus dienstlichen Gründen versetzt werden. Daß die von ihm angestrebte Tätigkeit etwa mit der Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit verbunden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (zur Rechtslage bei Beförderungsstellen - aaO).

c) Die Beklagte hat keine Gründe iSv. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX vorgebracht, die ihr die Erfüllung des Anspruchs des Klägers unzumutbar machen würden.

aa) Die aus dem Schreiben des Betriebsrats vom ersichtliche Möglichkeit, daß andere Arbeitnehmer umgesetzt werden müßten, ist kein entgegenstehender Grund. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß schon zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung eines nicht schwerbehinderten Menschen derartige Maßnahmen erforderlich sein können (dazu - BAGE 85, 107). Die Beklagte hat nicht behauptet, andere Arbeitnehmer entlassen zu müssen, um den Kläger beschäftigen zu können. Darauf, ob das von ihr verlangt werden könnte (dazu Senat - 9 AZR 348/97 - aaO), kommt es deshalb nicht an.

bb) Ob der Beklagten eine Beschäftigung vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrates zumutbar ist, hängt nicht von dessen derzeitiger Ablehnung der Beschäftigung des Klägers in der Niederlassung Produktion BRIEF H ab. Zur tatsächlichen Beschäftigung des Klägers ist die Beklagte erst verpflichtet, sobald der Betriebsrat entweder zugestimmt hat oder die Zustimmung gerichtlich rechtskräftig ersetzt ist.

Da die vom Kläger begehrte Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs in einem anderen Betrieb des Unternehmens als Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG anzusehen ist, kann die Beklagte den Beschäftigungsanspruch des Klägers nicht erfüllen, ohne die Mitbestimmungsrechte der Betriebsverfassung zu beachten. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stellt sich für den Betriebsrat der Niederlassung H die vom Kläger begehrte Versetzung wie die Einstellung in diesen Betrieb dar (vgl. - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109 mwN).

Anders als es für die sozialen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG geregelt ist, enthält § 99 Abs. 1 BetrVG keinen die Mitbestimmung ausschließenden Gesetzesvorrang. Zwar wird der schwerbehindertenrechtliche Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX ausgeschlossen ua. soweit Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Regelungen entgegenstehen. Damit wollte der Gesetzgeber aber keine Aussage zum Verhältnis zwischen dem schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruch und dem betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrecht treffen. Ein Umkehrschluß dahingehend, nur in den dort geregelten Fällen gingen andere Rechtsnormen dem Anspruch vor, ist unzulässig. Dem Arbeitgeber ist danach auch dann die Erfüllung eines schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruchs verwehrt, solange eine nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Zustimmung fehlt (vgl. Weber SchwbG Stand Mai 2000 § 14 Anm. 17).

II. Dem Teilurteil des Landesarbeitsgerichts kann nicht entnommen werden, daß es die notwendigen Feststellungen zur Verurteilung der Beklagten, "beim Betriebsrat ... die ... erforderliche Zustimmung ... einzuholen, einschließlich Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens" getroffen hat. Das Landesarbeitsgericht hat in seinen Gründen ausdrücklich offengelassen, ob die Beklagte bei dem Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes nur unverbindlich die Meinung des Betriebsrats für eine später noch einzuholende konkrete Versetzungsabsicht erkundet hat, so daß die Einholung der Zustimmung noch erforderlich sein könnte. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, kann nicht "abstrakt" über die Rechtsfrage entschieden werden, ob ein Arbeitgeber zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet ist. Welcher Anspruch dem Kläger zur Seite steht, hängt vielmehr vom Stand des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG ab.

1. Der Kläger hat nach § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX (nach altem Recht: § 14 Abs. 3 Nr. 1 SchwbG), einen Anspruch gegen die Beklagte, die betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Beschäftigung zu schaffen. Der schwerbehindertenrechtliche Beschäftigungsanspruch liefe sonst ins Leere. Seine Grenze findet dies allein in § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX (inhaltsgleich mit § 14 Abs. 3 Satz 3 SchwbG). Danach darf die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs nicht unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sein.

Dies wird durch § 99 Abs. 1 SGB IX bestätigt. Danach ist die Beklagte verpflichtet, eng mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten, um die Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben in ihren Betrieben sicherzustellen. Aus dieser den Betriebsparteien gesetzlich zugewiesenen gemeinsamen Verantwortung wird ein Arbeitgeber nicht schon dann entlassen, wenn der Betriebsrat eines aufnehmenden Betriebes Vorbehalte gegen die Versetzung eines schwerbehinderten Menschen äußert.

2. Die Einleitung eines Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG ist einem Arbeitgeber stets zumutbar. Insbesondere kann ein Arbeitgeber sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß im Interesse einer guten Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat in anderen Fragen ihm die Einholung einer förmlichen Zustimmung zur Versetzung eines schwerbehinderten Menschen unzumutbar sei. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, gehört die Einholung der Zustimmung in dem in § 99 Abs. 1 bis 3 BetrVG geregelten Verfahren zu der Pflicht der Beklagten im Rahmen des ihr Zumutbaren. Damit ist kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden.

3. Erst wenn der um seine Zustimmung zur konkreten Versetzung gebetene Betriebsrat seine Zustimmung wirksam verweigert hat, kann ein Anspruch des schwerbehinderten Menschen bestehen, das seiner Beschäftigung entgegenstehende Erfüllungshindernis vom Arbeitgeber im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG beseitigen zu lassen.

a) Die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens ist einem Arbeitgeber nicht von vornherein unzumutbar. Aus der gemeinsamen Verantwortung für die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben folgt, daß der Arbeitgeber die vom Betriebsrat ordnungsgemäß und fristgerecht geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe überprüfen muß. Erkennt er, daß die geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe tatsächlich nicht vorliegen, hat er alles zu tun, um das Teilhabehindernis zu beseitigen. Das ist auch nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist das vom Gesetzgeber festgelegte Mittel, um eine unberechtigte Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates aus der Welt zu schaffen.

Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Zweiten Senats vom (- 2 AZR 9/96 - BAGE 85, 107). Dort hat der Zweite Senat die Ansicht vertreten, der Arbeitgeber müsse an sich als mildere Mittel vor einer Kündigung wegen Krankheit zu Verfügung stehende Umorganisationen dann nicht durchführen, wenn er dazu ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführen müsse. Dies sei dem Arbeitgeber in der Regel wegen des damit verbundenen erheblichen Prozeßrisikos nicht zumutbar. Diese Entscheidung ist auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Hier geht es um einen gesetzlich ausdrücklich geregelten Anspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis und nicht um richterrechtlich aufgestellte Anforderungen, welche Obliegenheiten der Arbeitgeber erfüllen muß, um wirksam von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch machen zu können.

b) Der Arbeitgeber ist gegenüber dem schwerbehinderten Menschen dann nicht verpflichtet, das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, wenn feststeht, daß die vom Betriebsrat geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgründe objektiv vorliegen und die Zustimmungsverweigerung rechtlich tragen. Denn es ist dem Arbeitgeber unzumutbar, ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, wenn dieses keine Aussicht auf Erfolg hat. Ob dem so ist, kann im Klageverfahren, mit dem der schwerbehinderte Mensch die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens - oder seine Beschäftigung - durchsetzen will, geprüft werden.

c) Dieses Ergebnis wird auch den unterschiedlichen Interessen des Arbeitgebers, des Betriebsrats und der schwerbehinderten Menschen gerecht.

Dadurch, daß nur objektiv feststehende Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG den Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens - und auch den schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruch ohne den Vorbehalt der Zustimmung des Betriebsrats - ausschließen, wird verhindert, daß der Arbeitgeber im Klageverfahren des schwerbehinderten Menschen zu den Zustimmungsverweigerungsgründen unzureichend vorträgt. Damit kommt den rechtlich begründeten Bedenken des Betriebsrats das erforderliche Gewicht zu. Beantragt der Arbeitgeber die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG, so hat der Betriebsrat die Möglichkeit, seinen Standpunkt effektiv in das gerichtliche Verfahren einzubringen.

Das entspricht auch dem berechtigten Interesse des schwerbehinderten Menschen. Zwar ist er nicht Beteiligter im Beschlußverfahren ( - BAGE 39, 102). Außerdem muß er sich auf die bestandskräftige Entscheidung eines Beschlußverfahrens verweisen lassen. Es wäre dem Arbeitgeber nämlich unzumutbar, eine Maßnahme durchzuführen, von der gegenüber dem Betriebsrat feststeht, daß sie unzulässig ist. Der schwerbehinderte Mensch hat aber einen Schadenersatzanspruch, wenn der Arbeitgeber zu Lasten des schwerbehinderten Menschen das Beschlußverfahren schuldhaft unzureichend führt, weil er zB die Einlegung eines aussichtsreichen Rechtsmittels unterläßt. Der Anspruch kann sich aus dem Gesichtspunkt der Schutz- oder positiven Forderungsverletzung nach der hier noch anwendbaren alten Fassung des BGB (dazu Senat - 9 AZR 287/99 - BAGE 97, 23) - jetzt §§ 280, 241 Abs. 2 BGB nF - sowie aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX bzw. vorher § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SchwbG (dazu - BAGE 34, 250) ergeben. Der Arbeitgeber hat folglich ein eigenes Interesse daran, die Belange des schwerbehinderten Menschen im Beschlußverfahren zur Geltung zu bringen.

4. Ob die Beklagte zur Einholung der Zustimmung beim Betriebsrat oder zur Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens verurteilt werden kann, hängt damit davon ab, ob das Zustimmungsverfahren von der Beklagten bereits im Mai 2000 eingeleitet und durch die Stellungnahme des Betriebsrats vom abgeschlossen worden ist. Diese Tatfrage kann entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht offengelassen werden. Eine vom Sachverhalt "abstrahierende" Entscheidung liefe auf die Erstattung eines unzulässigen Gutachtens hinaus (vgl. - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 22 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 41). Eine Sachentscheidung ist daher dem Senat angesichts der fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht möglich. Der Rechtsstreit ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Zahlungsklage abgewiesen. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch zu.

1. Entgeltansprüche stehen dem Kläger bei unterbliebener Arbeitsleistung nicht bereits deswegen zu, weil er als schwerbehinderter Mensch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht (vgl. - BAGE 68, 141; ebenso Senat - 9 AZR 287/99 - BAGE 97, 23).

2. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges (§§ 615, 293 ff. BGB) liegen nicht vor.

Annahmeverzug setzt voraus, daß der Gläubiger - hier also die Beklagte als Arbeitgeber - die ihm nach § 296 Satz 1 BGB obliegende Handlung nicht vornimmt. Diese besteht darin, die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung hinreichend zu bestimmen und ihn auf einem so bestimmten Arbeitsplatz zu beschäftigen (vgl. Senat - 9 AZR 287/99 - aaO). Der Kläger schuldete aber keine Leistung in der Niederlassung Produktion BRIEF H. Dem stand entgegen, daß die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats der dortigen Niederlassung noch nicht vorliegt.

3. Dem Kläger steht auch kein Schadenersatzanspruch zur Seite.

Ein solcher setzt - wie dargelegt - Verschulden des Arbeitgebers voraus. Jedenfalls für die in der Klage geltend gemachten Zeiträume ist der Beklagten aber nicht als Verschulden vorzuwerfen, daß sie meinte, nicht gegen ihren Betriebsrat angehen zu müssen, dessen ablehnende Haltung ihr seit dem Schreiben vom bekannt war. Darin liegt ein unverschuldeter Rechtsirrtum. Ein solcher ist gegeben, wenn die Rechtslage ungeklärt ist, der Schuldner sie sorgfältig geprüft und gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsmeinung gefunden hat. Es genügt nicht, daß er sich auf eine ihm günstige Ansicht im Schrifttum berufen kann, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. - BAGE 71, 350). Hier lag es nahe, daß sich die Beklagte auf die einen ähnlichen, wenngleich im Ergebnis nicht gleichen Sachverhalt betreffende Entscheidung des Zweiten Senats vom (- 2 AZR 9/96 - aaO) stützte.

B. Im Rahmen der erneuten Berufungsverhandlung hat das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1014 Nr. 19
DB 2003 S. 1230 Nr. 22
MAAAB-95027

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