BAG Urteil v. - 7 AZR 535/02

Leitsatz

[1] Ein nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristeter und verlängerter Arbeitsvertrag konnte nach dem nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren verlängert werden. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, wonach die Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig ist, wenn zu demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestand, ist auf die Verlängerung eines nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristeten Arbeitsvertrags nicht anzuwenden.

Gesetze: BeschFG 1996 § 1 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 2 Satz 1; TzBfG § 14 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: ArbG Bocholt 1 Ca 2053/01 vom LAG Hamm 8 Sa 154/02 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer Befristung am geendet hat.

Der Kläger war vom bis zum als Feinwerker bei der Beklagten beschäftigt. Auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrags vom wurde er erneut befristet bis zum eingestellt. Der Arbeitsvertrag wurde durch Vereinbarung vom bis zum , durch eine weitere Vereinbarung vom bis zum und letztmals durch Vereinbarung vom bis zum verlängert. Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt richtet sich die vorliegende, am beim Arbeitsgericht eingegangene Klage.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in dem Vertrag vom vereinbarte Befristung zum sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, weil er bereits vom bis zum bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Befristung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrags zum rechtsunwirksam ist und über den hinaus zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklage hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die Befristung sei wirksam. Das am nach § 1 Abs. 1 BeschFG in der bis zum geltenden Fassung (BeschFG 1996) begründete Arbeitsverhältnis habe bis zur Höchstdauer von zwei Jahren drei Mal verlängert werden können. Diese Voraussetzungen seien eingehalten. Die Bestimmung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG finde auf die Vertragsverlängerung keine Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erst-instanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auf Grund der im Vertrag vom vereinbarten Befristung am geendet. Die nach den Bestimmungen des TzBfG vom und nicht nach den zum außer Kraft gesetzten Normen des BeschFG zu beurteilende Befristung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Diese Bestimmung erfaßt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur die erstmalige Befristung eines Arbeitsvertrags, nicht jedoch dessen Verlängerung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG. Das gilt auch, wenn der zu verlängernde Vertrag noch im zeitlichen Geltungsbereich des BeschFG abgeschlossen wurde. Auch ein zeitlich vorangehender, nicht mit dem verlängerten Vertrag in unmittelbarem Zusammenhang iSv. § 1 Abs. 3 BeschFG stehender weiterer Arbeitsvertrag der Parteien ist unschädlich.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Wirksamkeit der im Vertrag vom vereinbarten Befristung nach den Bestimmungen des TzBfG und nicht nach denjenigen des BeschFG 1996 richtet.

Die Vereinbarung über die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags ist ein Rechtsgeschäft. Für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts kommt es auf die Rechtslage im Zeitpunkt seines Abschlusses an ( - AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 26 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 18, zu B I 4 der Gründe). Bei Abschluß des Verlängerungsvertrags vom galten für die Befristung von Arbeitsverträgen die Vorschriften des TzBfG. Diese traten am in Kraft und lösten die Regelungen des am außer Kraft getretenen BeschFG 1996 über sachgrundlose Befristungen ab. Da das TzBfG keine Übergangsvorschriften enthält, sind seine Bestimmungen auf alle Sachverhalte anzuwenden, die sich seit dem in seinem Geltungsbereich verwirklichen. Dazu gehört auch die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags. Dabei ist es unerheblich, ob der zu verlängernde Vertrag noch vor dem nach den Bestimmungen des BeschFG abgeschlossen wurde. Denn die Verlängerungsvereinbarung ist ein eigenständiges Rechtsgeschäft.

II. Die in dem Vertrag vom vereinbarte Befristung zum ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG wirksam. Dem steht § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen. Diese Vorschrift ist auf die Verlängerung von Arbeitsverträgen, die nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristet waren, nicht anzuwenden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall eingehalten. Die Einstellung des Klägers erfolgte am befristet bis zum . Der Vertrag wurde in der Folgezeit dreimal verlängert und endete am . Damit ist die Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren ebenso gewahrt wie die höchstzulässige Anzahl von Vertragsverlängerungen.

2. Bei der im Vertrag vom vereinbarten Befristung handelt es sich um eine Vertragsverlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG und nicht um eine Erstbefristung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz TzBfG.

a) Nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist, ebenso wie bei der Vorgängerregelung in § 1 Abs. 1 BeschFG 1996, zu unterscheiden zwischen dem Neuabschluß eines befristeten Arbeitsvertrags und der Verlängerung eines bereits bestehenden befristeten Arbeitsvertrags.

Sowohl nach § 14 Abs. 2 TzBfG als auch nach § 1 BeschFG 1996 ist bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nicht zulässig ist hingegen der mehrfache Neuabschluß sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge in diesem Zeitraum. Dies gilt für das TzBfG wegen des Anschlußverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG uneingeschränkt, nach dem BeschFG 1996 unter der Voraussetzung, daß zwischen den sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, der vermutet wird, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Monaten liegt (§ 1 Abs. 3 BeschFG 1996). Eine Verlängerung setzt voraus, daß sie noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags vereinbart wird und nur die Vertragsdauer, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen geändert werden ( - BAGE 95, 255 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 4, zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1996). Andernfalls handelt es sich um den Neuabschluß eines befristeten Arbeitsvertrags, der ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig ist, weil mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

b) Hiernach ist der Vertrag vom ein Verlängerungsvertrag. Er wurde noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags abgeschlossen. Durch ihn wurde nur die Vertragslaufzeit geändert, die übrigen Vertragsbedingungen blieben bestehen. Zwar wurde der zu verlängernde Vertrag nicht auf der Grundlage des TzBfG, sondern nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 vereinbart. Dies steht jedoch der Vertragsverlängerung nicht entgegen. Auch Arbeitsverträge, die nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristet waren, konnten nach dem nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG verlängert werden.

§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG unterscheidet nicht zwischen Befristungen und Vertragsverlängerungen nach altem und neuem Recht. Die Vorschrift beschränkt ihren Anwendungsbereich bereits nach dem Wortlaut nicht auf Befristungen nach dem TzBfG, sondern regelt in Halbsatz 1 "die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes" und in Halbsatz 2 die "Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags". Um die Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags handelt es sich auch, wenn der zu verlängernde Vertrag nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 abgeschlossen wurde.

Aus Sinn und Zweck der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ergibt sich nichts anderes. Mit dieser Bestimmung wurde die bereits nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 zulässige sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen mit dreimaliger Verlängerungsmöglickeit bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren beibehalten (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S 19). Diesem Regelungszweck entspricht es, die Verlängerungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG auch auf befristete Verträge anzuwenden, die bereits vor dem auf der Grundlage des BeschFG abgeschlossen wurden und bei denen die zweijährige Höchstbefristungsdauer und die dreimalige Verlängerungsmöglichkeit noch nicht ausgeschöpft waren (vgl. zur Verlängerung sachgrundlos nach dem BeschFG 1985 befristeter Arbeitsverträge nach dem BeschFG 1996: - BAGE 94, 118 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 1, zu B II 1 a der Gründe; - 7 AZR 920/98 - BAGE 95, 186 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 2, zu B IV 2 a der Gründe; - 7 AZR 567/99 - nv., zu 1 der Gründe).

3. Die im Vertrag vom vereinbarte Befristung ist nicht deshalb unwirksam, weil zwischen den Parteien bereits vom bis zum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zwar bestimmt § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG - anders als die Vorgängerregelung in § 1 BeschFG 1996 -, daß eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Bestimmung betrifft jedoch nur die Erstbefristung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz TzBfG, nicht aber die Verlängerung eines nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristeten Arbeitsvertrags gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift.

a) Der Gesetzeswortlaut, von dem bei der Auslegung auszugehen ist, ist zwar nicht eindeutig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine "Befristung nach Satz 1" unzulässig, wenn bereits zuvor mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der in Bezug genommene Satz 1 regelt sowohl die Befristung eines Arbeitsvertrags (1. Halbsatz) als auch die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags (2. Halbsatz). Da § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur auf die Befristung nach Satz 1 verweist, die Verlängerung aber nicht erwähnt, kann dies bedeuten, daß die Vorschrift die Verlängerung nicht erfaßt. Dies ist aber nicht eindeutig, denn auch die Verlängerung eines befristeten Vertrags ist eine Befristung.

b) Aus dem bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang der Norm ergibt sich jedoch, daß sich § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht auf Verlängerungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG, sondern nur auf die Erstbefristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz TzBfG bezieht. Andernfalls gäbe es für Vertragsverlängerungen keinen Anwendungsbereich.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Würde sich das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch auf die in Satz 1 geregelte Verlängerung beziehen, wäre jede Verlängerungsvereinbarung unzulässig, weil der Arbeitnehmer bereits auf Grund des zu verlängernden Arbeitsvertrags in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber steht. Dies war vom Gesetzgeber ersichtlich nicht beabsichtigt. Die Bestimmung kann daher nur so verstanden werden, daß das Verbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur für den Neuabschluß eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags gilt, nicht aber für Vertragsverlängerungen. Dies hat zur Folge, daß ein vor dem nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 befristeter Arbeitsvertrag auch dann nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG verlängert werden kann, wenn er den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht genügt, weil zwischen den Parteien bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestand.

c) Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Durch §§ 14 ff. TzBfG wurden zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG des Rates der Europäischen Union Vorschriften geschaffen, die den Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor Diskriminierung gewährleisten, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung verbessern sollen (BT-Drucks. 14/4374 S 1). Deshalb ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nur noch bei einer Neueinstellung zulässig, dh. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Dadurch soll die nach dem BeschFG 1996 theoretisch bestehende Möglichkeit der unbegrenzten Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenarbeitsverträge) ausgeschlossen werden. Diese waren bis dahin möglich, weil eine Befristung ohne Sachgrund auch nach einer Sachgrundbefristung zulässig war und sachgrundlose Befristungen mehrfach vereinbart werden konnten, wenn kein enger sachlicher Zusammenhang zu dem vorhergehenden Arbeitsvertrag bestand. Dem mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck wird dadurch genügt, daß künftig der Neuabschluß eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nur dann zulässig ist, wenn nicht bereits zuvor mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Einer Erstreckung des Anschlußverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Vertragsverlängerungen bedarf es dazu nicht. Denn allein durch die Verlängerung eines zulässigerweise sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags entsteht keine nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers unerwünschte Befristungskette. Dies ist auch dann nicht der Fall, wenn der zu verlängernde Vertrag noch nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 abgeschlossen wurde.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1624 Nr. 31
DB 2003 S. 2787 Nr. 51
RAAAB-94720

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