BAG Urteil v. - 5 AZR 280/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 305; BGB § 305c Abs. 2; Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT vom

Instanzenzug: ArbG Freiburg 3 Ca 704/03 vom LAG Baden-Württemberg 9 Sa 47/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Tariflohnerhöhung des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT vom (im Folgenden: 35. Vergütungs-TV) an den Kläger weitergeben muss.

Der Kläger ist seit 2000 als Altenpfleger in einer Einrichtung der Beklagten in F beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte, ein überregionaler Träger von Altenpflegeeinrichtungen, ist in Baden-Württemberg nicht tarifgebunden. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom zugrunde, in dem es ua. heißt:

"§ 5 Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung:

Vergütungsgruppe/-Stufe Kr 5/5|= DM 2.954,90

Ortszuschlag|= DM 1.193,18

Allgemeine Zulage|= DM 192,61

Freiwillige Zulage (AT)|= DM 0,00

|DM 4.340,69

Bei der Verrichtung von Überstunden, für Arbeiten an Sonntagen, Wochenfeiertagen und für Nachtarbeit vereinbaren die Parteien Zuschläge. Hinsichtlich deren Höhe orientieren sich die Parteien an den Beträgen des BAT. Die Vergütungsbestandteile sind abschließend aufgeführt. Die Zahlung der Freiwilligen Zulage (AT) erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Auch bei wiederholter Gewährung entsteht kein Anspruch.

...

§ 14 Für die Arbeitsbedingungen im übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der DSK Gesundheitsdienste gGmbH in Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit , längstens jedoch bis zum Zustandekommen eines Tarifvertrages für das jeweilige Tarifgebiet oder die jeweilige Einrichtung. Ab diesem Zeitpunkt gelten dann die Bestimmungen des geschlossenen Tarifvertrages.

..."

Nach dem Tarifvertrag zwischen der DSK Gesundheitsdienste gGmbH in Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft ÖTV finden auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer grundsätzlich die Bestimmungen des "Bundesmanteltarifvertrages für Angestellte bei Bund und Ländern (BAT)" sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Tarifverträge zum BAT (ua. Vergütungstarifvertrag und Tarifvertrag über allgemeine Zulagen) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Durch den 35. Vergütungs-TV wurden die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die Allgemeine Zulage ua. für die Vergütungsgruppen KR I bis KR XI ab dem um 2,4 % erhöht. In dem Tarifvertrag heißt es außerdem:

"§ 3

Einmalzahlungen

(1) Die Angestellten, die im Monat Februar 2003 Anspruch auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis haben, das am bereits bestanden hat, erhalten im Monat März 2003 eine Einmalzahlung. Die Einmalzahlung beträgt 7,5 % der Vergütung (§ 26 BAT) einschließlich der allgemeinen Zulage, höchstens jedoch 185 €. Bei der Bemessung der Einmalzahlung ist die Vergütung des Monats Dezember 2002 zu Grunde zu legen. Hat der Angestellte im Monat Dezember 2002 keinen Anspruch oder nur für Teile des Monats Anspruch auf Vergütung gehabt, ist die Vergütung zu Grunde zu legen, die er erhalten hätte, wenn er für den gesamten Monat Dezember 2002 Anspruch auf Vergütung gehabt hätte.

..."

Ab Juni 2000 erhielt der Kläger Vergütung nach VergGr KR 5a/Stufe 9. Die Gehaltsabrechnung des Klägers für Dezember 2002 weist "Tarif BAT, KR-Tarifgruppe 05 a, Stufe 9" aus. Die Beklagte gab bis Ende 2002 die Erhöhungen der Vergütungen entsprechend den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum BAT einschl. der Einmalzahlungen weiter.

Der Kläger verlangt die Einmalzahlung nach § 3 des 35. Vergütungs-TV in Höhe von 137,00 Euro sowie die Tariflohnerhöhung für die Zeit von Januar 2003 bis März 2004. Er hat die Auffassung vertreten, die Vergütung sei in § 5 des Arbeitsvertrags nicht abschließend geregelt. Vielmehr finde über die Verweisung in § 14 des Arbeitsvertrags die Vergütungsregelung zum BAT Anwendung. Jedenfalls enthalte § 5 des Arbeitsvertrags eine Verweisung auf die jeweilige BAT-Vergütung.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 137,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 847,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 601,04 Euro seit dem und aus 246,36 Euro seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Vergütung sei in § 5 des Arbeitsvertrags ausdrücklich und abschließend geregelt. Diese Bestimmung enthalte keine dynamische Verweisung auf die jeweilige Vergütungshöhe nach dem BAT. Eine Orientierung am BAT sei ausschließlich für die Höhe der Zuschläge bei Überstunden, Sonntags-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit vereinbart. Aus § 14 des Arbeitsvertrags lasse sich entnehmen, dass vertraglich geregelte Arbeitsbedingungen nur bei einer ausdrücklichen Verweisung dem Tarifrecht unterstehen sollten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen und das Versäumnisurteil im Einspruchsverfahren aufrechterhalten. Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat sein die Berufung der Beklagten zurückweisendes Versäumnisurteil vom zu Recht aufrechterhalten.

I. Die streitigen Ansprüche ergeben sich nicht aus einer unmittelbaren Geltung des Tarifvertrags. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden (§§ 3, 4 TVG).

II. In Betracht kommt allein eine einzelvertragliche Geltung der jeweiligen Tarifvergütung auf Grund einer Verweisung in § 14 oder § 5 des Arbeitsvertrags.

1. § 14 des Arbeitsvertrags verweist auf Tarifrecht nur "für die Arbeitsbedingungen im übrigen". Das sind jedenfalls nicht die in § 5 ausdrücklich genannten Vergütungsbestandteile. Diese sind selbständig durch Arbeitsvertrag geregelt und unterliegen nicht der allgemeinen Verweisung nach § 14. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 5 als eine der Auffangbestimmung des § 14 vorgehende spezielle Regelung verstanden werden muss.

2. Die Ansprüche des Klägers folgen aus § 5 des Arbeitsvertrags iVm. dem 35. Vergütungs-TV.

a) Es handelt sich bei § 5 des Arbeitsvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Das Revisionsgericht hat die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbständig nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen vorzunehmen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (Senat - 5 AZR 545/04 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 b der Gründe; -, zu II 1 a aa der Gründe mwN). Die Überprüfung der Auslegung von Seiten des Berufungsgerichts ist nicht eingeschränkt ( - NZA 1999, 659, zu II 1 der Gründe; - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 12, zu II 2 a der Gründe mwN). Ein vom Landesarbeitsgericht etwa festgestellter übereinstimmender Wille der Parteien bleibt aber maßgebend.

b) Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der schon vor In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Arbeitsrecht Geltung besaß (vgl. - NZA 1999, 659, zu II 1 c der Gründe). Die Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass es Sache des Verwenders ist, sich klar und unmissverständlich auszudrücken. Danach kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die von ihr verwendeten Formularverträge seien hinsichtlich der Verweisung auf die tarifliche Vergütung unklar und deshalb sei davon auszugehen, die Vergütung richte sich allein nach dem bei Abschluss des Arbeitsvertrags geltenden Tarifgehalt (vgl. - aaO).

c) § 5 des Arbeitsvertrags bezieht sich ersichtlich auf die Vergütungsbestimmungen KR der Anlage 1b zum BAT für das Krankenpflegepersonal des öffentlichen Dienstes. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Umstritten ist nur, ob eine statische oder eine dynamische Verweisung vorliegt.

d) Die Vereinbarung ist dahin auszulegen, dass sich der Vergütungsanspruch hinsichtlich Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeiner Zulage nach der jeweiligen Tarifvergütung der arbeitsvertraglich festgelegten Vergütungsgruppe richtet.

aa) Der Wortlaut ist nicht eindeutig. Die Formulierung "Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung" in Verbindung mit der Benennung einer bestimmten Vergütungsgruppe/Stufe kann mangels einer entgegenstehenden Bestimmung eine Verweisung auf das jeweilige Entgelt der betreffenden Entgeltgruppe darstellen (vgl. - NZA 1999, 659, zu II 1 a der Gründe; - 4 AZR 351/01 - BAGE 103, 338, 343, zu III 1 b bb der Gründe mwN; - 4 AZR 64/02 - BAGE 103, 346, 350, zu 2 der Gründe). Die den tariflichen Vergütungsbestandteilen zugeordneten Zahlbeträge sollen dann nur über das bei Vertragsabschluss aktuelle Vergütungsniveau informieren. Gemeint sein kann aber auch die bloße Zuordnung zu einer tariflichen Gehaltsgruppe, ohne dass damit etwas zur Frage der dynamischen Anpassung an die jeweilige tarifliche Gehaltsentwicklung ausgesagt wird (vgl. Senat - 5 AZR 284/04 -, zu III 2 der Gründe, zur entsprechenden Auslegung eines Arbeitsvertrags durch das Berufungsgericht).

bb) Der Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Regelungen gibt keinen Aufschluss. Die Eingruppierungsautomatik des § 22 BAT soll offenbar nicht gelten. Die Vereinbarung von Zuschlägen steht selbständig neben der Vergütungsregelung. Aus der hier vorgesehenen Orientierung an den Beträgen des BAT lässt sich nichts hinreichend deutlich herleiten. Die Verweisung auf den DSK-Tarifvertrag betrifft ausdrücklich nur die Arbeitsbedingungen im Übrigen. Danach bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung von Sinn und Zweck der Regelung. Die Auslegung allein nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB bleibt zweifelhaft. Danach durfte weder die Beklagte von einer Festlegung auf die seinerzeit aktuelle Tarifvergütung ausgehen, noch der Kläger ohne weiteres annehmen, es sei die jeweilige Tarifvergütung vereinbart.

cc) Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf das Senatsurteil vom (- 5 AZR 622/03 - AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 4). Die Lohngruppe war hier nicht in einem Arbeitsvertrag, sondern in den Lohnabrechnungen angegeben. Diese bezeichnen allerdings nur die Höhe der aktuellen Vergütung, ein Erklärungswert über Ansprüche auf künftige Lohnerhöhungen kommt ihnen nicht zu ( - 5 AZR 622/03 - aaO, zu II 2 der Gründe). Ebenso ergibt sich nichts aus der Senatsrechtsprechung zur Bedeutung von regelmäßigen Lohnerhöhungen entsprechend den tariflichen Lohnerhöhungen ( - 5 AZR 622/03 - aaO, zu II 4, 5 der Gründe mwN). Der Streitfall betrifft die Auslegung des schriftlichen Arbeitsvertrags, nicht die einer wiederholten tatsächlichen Handhabung. Derartige Umstände lassen auch nicht auf den Willen der Parteien bei Vertragsabschluss schließen, sondern können auf nachträglichen Entscheidungen beruhen.

dd) Somit bleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel. Die vom Kläger vertretene Auslegung ist ebenso rechtlich vertretbar wie die der Beklagten. Keine der Auslegungen verdient den klaren Vorzug (vgl. - NJW 2002, 3232, zu 4 der Gründe). Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten. Diese Auslegungsregel gilt gerade auch für den Fall, dass die Tragweite einer Verweisung auf Tarifnormen zweifelhaft ist. Dem steht das - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284) nicht entgegen. Der Vierte Senat hat hier eine Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede ausgelegt und dabei Zweifel als nicht berechtigt bezeichnet ( - 4 AZR 331/02 -aaO S. 289 f., zu I 2 d bb der Gründe). Demnach ist eine zeitdynamische Verweisung anzunehmen, denn in der Regel wird die Vergütung in Entgelttarifverträgen für den Arbeitnehmer verbessert und nicht verschlechtert (vgl. -, zu A II 1 der Gründe).

ee) Die Verweisung auf Tarifrecht betrifft nicht nur die Grundvergütung. Mit der ausdrücklichen Nennung des Ortszuschlags und der Allgemeinen Zulage, die jeweils auch im Tarifvertrag geregelt sind, sind die betreffenden tariflichen Vergütungsbestandteile gemeint. Auch insoweit entsprachen die im Arbeitsvertrag genannten Beträge bei Vertragsabschluss der tariflichen Vergütung, so dass von keiner anderen Vergütungsordnung als der des BAT ausgegangen werden konnte.

e) Die zeitdynamische Verweisung umfasst tarifliche "Einmalzahlungen", die an die Stelle einer (prozentualen) Erhöhung der im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsbestandteile treten. Solche Einmalzahlungen stellen nach der tariflichen Systematik keinen "neuen" Vergütungsbestandteil, sondern eine pauschale Erhöhung der laufenden Vergütungsbestandteile dar oder gleichen deren - aus der Sicht der Tarifvertragsparteien - verspätete Erhöhung einmalig aus. Sie können nicht anders behandelt werden als die Vergütungsbestandteile selbst. § 3 des 35. Vergütungs-TV knüpft in diesem Sinne an die Vergütung (§ 26 BAT) einschließlich der Allgemeinen Zulage an. Die Zahlung soll zudem einen einmaligen Ausgleich dafür bieten, dass Grundvergütung und Ortszuschlag nicht zum , sondern erst zum 1. Januar bzw. erhöht worden sind. Danach hat der Arbeitnehmer, dessen Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulage sich nach BAT KR richten, Anspruch auf die Einmalzahlung gem. § 3 des 35. Vergütungs-TV. Sofern an diesem Auslegungsergebnis überhaupt Zweifel bestehen können, gehen sie gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.

III. Die Vergütungsgruppe KR Va/Stufe 9 ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Streitig ist nur die Frage, ob ein Anspruch auf die Erhöhung entsprechend dem 35. Vergütungs-TV besteht. Die einzelnen Erhöhungsbeträge sind ebenfalls unstreitig.

IV. Die Revision ist entsprechend dem Antrag des Klägers mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Zinsen auf 246,36 Euro brutto ab zu zahlen sind.

V. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
RAAAB-94289

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein