BAG Beschluss v. - 5 AS 7/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3

Instanzenzug: ArbG Berlin 36 Ca 3996/06 vom

Gründe

I. Die Parteien streiten über Vergütung, Auslagenersatz sowie die Herausgabe der Steuerkarte. Die Klägerin ist neben zwei weiteren Personen Geschäftsführerin der beklagten GmbH und als solche heute noch im Handelsregister eingetragen (Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB).

Nach Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Berlin-Mitte mit Beschluss vom den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es handele sich um eine "arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeit" iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. Der Geschäftsführervertrag sei ein Arbeitsvertrag im Sinne dieser Bestimmung, weil er Regelungen enthalte, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Die Klägerin habe Lohnsteuer, Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag abzuführen. Die Klägerin sei deshalb nicht als "freie Beschäftigte/selbständige Unternehmerin" für die Beklagte tätig.

Das Arbeitsgericht Berlin hat nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom den Rechtsstreit dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hat ausgeführt, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht gegeben und der Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Mitte sei nicht bindend.

II. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens liegen vor.

1. Gem. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Auch ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss, der nicht hätte ergehen dürfen, ist grundsätzlich einer weiteren Überprüfung entzogen (Senat - 5 AS 1/03 - BAGE 105, 305, 307, zu B I 1 der Gründe; - 5 AS 17/98 - AP ZPO § 36 Nr. 55 = EzA ZPO § 36 Nr. 28, zu B III 1 der Gründe; - AP GVG § 17a Nr. 46, zu B 1 der Gründe; - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990, zu II 1 der Gründe; -BFHE 204, 413, 415, zu 1 b der Gründe). Nur bei krassen Rechtsverletzungen kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise in Betracht (Senat - 5 AS 1/03 - aaO; - aaO, zu 1 c der Gründe).

2. In entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts zu erfolgen, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist (Senat - 5 AS 1/03 - BAGE 105, 305, 307, zu B I 2 der Gründe; - FamRZ 2004, 434, zu II 2 der Gründe; - X ARZ 138/03 - NJW 2003, 2990, zu II 3 der Gründe; - X ARZ 266/01 - AP GVG § 17a Nr. 46, zu B 2 der Gründe; - BFHE 204, 413, 416, zu 1 d der Gründe). Erforderlich ist, dass es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, der Rechtsstreit werde von diesem nicht prozessordnungsgemäß betrieben, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (ebenso - NZA 2002, 813, zu II 3 der Gründe). Zuständig für die Zuständigkeitsbestimmung ist derjenige oberste Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird.

III. Zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit ist in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO das für die weitere Sachbehandlung zuständige Gericht zu bestimmen. Das ist das Amtsgericht Berlin-Mitte. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts ist offensichtlich unhaltbar. Die Klägerin war Geschäftsführerin der Beklagten. Ob die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand, wie das Amtsgericht angenommen hat, ist für die Begründung der Zuständigkeit offensichtlich unerheblich, weil die Klägerin als Geschäftsführerin der beklagten GmbH gem. § 35 GmbHG kraft Gesetzes zur Vertretung der juristischen Person berufen war und deshalb gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmerin gilt. Mit dieser Vorschrift hat sich das Amtsgericht in keiner Weise auseinandergesetzt und damit in krasser Weise gesetzliche Zuständigkeitsregelungen verletzt. Die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Berlin führt deshalb zu einer nicht mehr hinnehmbaren Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf.

Fundstelle(n):
DB 2006 S. 1908 Nr. 35
NJW 2006 S. 2798 Nr. 38
DAAAB-94207

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