Leitsatz
[1] "Rehabilitationsberater/innen" im Sinne der entsprechenden Beispiele der VergGr. 6 und 7 des Tarifvertrages über die Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse (Anlage 5 zum EKT) sind die Ansprechpartner des Versicherten, die dessen individuellen Rehabilitationsbedarf erfassen und dessen ggf. erforderliche Rehabilitation im Sinne eines Case-Managements steuern.
Gesetze: EKT § 10 Abs. 1; Anlage 5 zum EKT vom Teil A 1 Abschn. I VergGr. 6; Anlage 5 zum EKT vom Teil A 1 Abschn. I VergGr. 7; TVG § 1
Instanzenzug: ArbG Berlin 91 Ca 22046/99 vom LAG Berlin 9 Sa 2064/00 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung der Klägerin.
Die Klägerin steht seit dem in den Diensten der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich kraft vertraglicher Vereinbarung nach dem Tarifvertrag für die Ersatzkassen (EKT) und dem Tarifvertrag über die Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse (Anlage 5 zum EKT). Die Klägerin wird nach VergGr. 6 des Tarifvertrages über die Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse (Anlage 5 zum EKT) vergütet.
Die Klägerin ist in der Geschäftsstelle Berlin- beschäftigt. Die dortige Organisation der Leistungsabteilung ist anders gestaltet als in den übrigen Geschäftsstellen der Beklagten. Während in letzeren die Leistungssachbearbeiter alle Leistungen einschließlich derjenigen des Bereichs Rehabilitation bearbeiten, besteht in der Geschäftsstelle Berlin- insoweit die Trennung zwischen Rehabilitation und den übrigen Leistungen der Beklagten. Im Bereich der Rehabilitation arbeiten neben der Klägerin weitere sechs Mitarbeiterinnen mit denselben Aufgaben sowie die Sozialarbeiterin G. Die übrigen Mitarbeiter im Leistungsbereich sind nicht für Rehabilitation zuständig.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehören ua. die Bearbeitung von Anträgen der Mitglieder der Beklagten auf Bewilligung von Rehabilitationsmaßnahmen, Anschlußheilbehandlungsmaßnahmen, Frührehabilitationsmaßnahmen, Mutter-Kind-Kuren, Kinderkuren, Müttergenesungskuren und von sonstigen ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation einschließlich der dazugehörigen Beratung sowie die Entscheidung über Bewilligung und Ablehnung der Anträge. Bei der ersten Kontaktaufnahme eines Versicherten führt die Klägerin mit diesem zunächst ein Beratungsgespräch, dessen Dauer abhängig von dem jeweiligen Fall ist und in dessen Verlauf sie ua. erläutert, was unter dem Begriff der Rehabilitation zu verstehen ist und was durch eine Rehabilitation erreicht werden kann. Sie erklärt, worin sich die stationären und ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen unterscheiden, welche Ansprüche zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen der Versicherte hat, welche Voraussetzungen für eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme vorliegen müssen und welche Einrichtungen für die jeweiligen Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht kommen. Außerdem berät die Klägerin die Versicherten über die Möglichkeit einer von den Rehabilitationseinrichtungen empfohlenen weiterführenden ambulanten Behandlung am Wohnort nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Ferner bespricht die Klägerin mit Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen zB sog. Frührehabilitationsmaßnahmen. Wird der Beklagten in einem Gutachten die Empfehlung gegeben, eine Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen, schreibt die Klägerin den Versicherten an und bittet ihn, sich zwecks eines Beratungsgesprächs an sie zu wenden.
Mit Wirkung vom wurde in den Tarifvertrag über die Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse (Anlage 5 zum EKT) ua. in Teil A 1 Geschäftsstellen - ohne Landesgeschäftsstellen - Abschnitt I bei VergGr. 7 das Tätigkeitsbeispiel "Rehabilitationsberater/innen" aufgenommen. Die Beklagte informierte über die Tarifänderungen per Rundschreiben und verdeutlichte diese in einer Synopse.
Die Klägerin nahm die Aufnahme des Tätigkeitsbeispiels "Rehabilitationsberater/innen" zum Anlaß, gegenüber der Beklagten Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 7 ab dem zu erheben. Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Vergütung der Klägerin nach VergGr. 6 sei tarifgerecht. Mit ihrer Feststellungsklage verfolgt die Klägerin den von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch weiter.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie übe die Tätigkeit einer Rehabilitationsberaterin aus. Die Antragsbearbeitung sei nur Beiwerk ihrer Beratungstätigkeit. Durchschnittlich seien pro Tag 10 bis 15 Anträge zu bearbeiten. Die Beratung mache - erstinstanzlicher Vortrag - ca. 80 % bzw. - zweitinstanzlicher Vortrag - 80 % bis 90 % ihrer Gesamtarbeitszeit aus; darin sei das Ausfüllen der Anträge enthalten, das ca. 10 % ihrer Tätigkeit in Anspruch nehme. Pro Tag fänden ca. drei Beratungsgespräche auf der Geschäftsstelle statt, zu denen die schriftlichen Beratungen und die Telefonate hinzukämen. Ca. 25 % der Arbeitszeit beträfen Beratungen, die ohne weitere Tätigkeit ihrerseits und ohne eine Antragstellung endeten. Weit mehr als 25 % verwende sie auf die Beratung von Mitgliedern, die zu einer Antragstellung führe. Der Inhalt der zu bearbeitenden Anträge hänge davon ab, was sich aus der Beratung und den Auskünften von Patienten, Krankenhäusern usw. ergeben habe.
Die in VergGr. 7 eingereihte Sozialarbeiterin G, aus der Sicht der Beklagten "Rehabilitationsberaterin" im Tarifsinne, nehme keine Beratung von Mitarbeitern vor und übe keine Öffentlichkeitsarbeit aus. Vielmehr wende sich die Sozialarbeiterin G an sie - die Klägerin - und die anderen Mitarbeiterinnen der Rehabilitationsabteilung, soweit sie zB bei der Öffentlichkeitsarbeit zu Rehafragen Stellung nehmen müsse. Sie - die Klägerin - sei auch der Ansprechpartner der Presseabteilung zu Rehafragen. Die Mitarbeiter der Hauptgeschäftsstelle, die nach einer Bewilligung der Rehamaßnahme abschließend Kontakt mit den Rehabilitationseinrichtungen bzw. Kliniken aufnähmen, erhielten ohne Beratungsgespräche Vergütung nach VergGr. 8.
Auf Grund ihrer Beratungstätigkeit sei sie - die Klägerin - Rehabilitationsberaterin iSd. Tarifvertrages, der nun ihre Tätigkeit ausdrücklich in VergGr. 7 anführe. Die Beklagte habe sie in verschiedenen Schreiben an ihre Mitglieder auch als solche bezeichnet. Mit der Aufnahme des Tätigkeitsbeispiels hätten die Tarifvertragsparteien ihre - der Klägerin - Aufgabe, mit der sie früher als Spezialsachbearbeiterin Gesundheitsfürsorge nach sechsmonatiger Einarbeitungszeit in VergGr. 6 eingruppiert gewesen sei, aufgewertet. Darüber hinaus erfülle sie aber auch die Anforderungen des Obersatzes der VergGr. 7. Die besondere Schwierigkeit ihrer Tätigkeit liege darin, die richtige Rehabilitationsmaßnahme herauszufiltern und zu entscheiden, welches Krankenhaus und welche Rehaklinik konkret ein optimales Ergebnis erbringen könne. Sie müsse daher auch ärztliche Hinweise verstehen und sie bei der Entscheidungsfindung umsetzen können. Ihr Anspruch ergebe sich aber auch daraus, daß sie vor der Änderung des Tarifvertrages eine der Sozialarbeiterin gleichgestellte Sachbearbeiterin gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Vergütung nach VergGr. 7 ab dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei nicht Rehabilitationsberaterin, sondern Sachbearbeiterin. Als solche sei sie in VergGr. 6 nach dem Tätigkeitsbeispiel "Sachbearbeiter/innen im Betreuungsbereich nach 2 1/2jähriger Tätigkeit als Sachbearbeiter/innen (Beiträge und/oder Leistungen) in Vergütungsgruppe 5, denen Feststellungsbefugnis erteilt ist", einzustufen. Es sei die Aufgabe der Klägerin, die Leistungsanträge im Bereich der Rehabilitation zu bearbeiten. Ca. 75 % ihrer Gesamtarbeitszeit entfalle auf Anträge im Bereich der Rehabilitation, die übrigen ca. 25 % auf die Bereiche Psychotherapie, Kurzzeittherapie, Verhaltenstherapie uam. Die Bearbeitung von Anträgen im Bereich der Rehabilitation sei Teil der normalen Leistungssachbearbeitung. Durchschnittlich seien etwa 20 Anträge pro Tag zu bearbeiten. Die eingehenden Anträge würden nicht allein durch Beratung erledigt. Das Tätigkeitsbeispiel "Rehabilitationsberater/innen" meine nicht den Leistungssachbearbeiter im Bereich Rehabilitation, der als Bestandteil der Sachbearbeitung auch Beratungsaufgaben habe. Vielmehr habe das Tätigkeitsbeispiel den Begriff des Sozialarbeiters in der früheren Anlage 5 zum EKT ersetzt. Die Aufgabenteilung zwischen Sozialarbeitern und Sachbearbeitern habe es auch vor Inkrafttreten der neuen Anlage 5 zum EKT gegeben. Eine Rehabilitationsberaterin im Tarifsinne erledige zwar auch die normale Sachbearbeitung in schwierigen Fällen. Daneben gehöre zu ihren Aufgaben aber die Beratung der Sachbearbeiter im Bereich der Rehabilitation der Geschäftsstelle Berlin- und der benachbarten Geschäftsstellen. Ferner sei die Rehabilitationsberaterin aktiv in die Öffentlichkeitsarbeit eingebunden. Hierzu gehöre die Kontaktpflege mit Ärzten, Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen usw., die Durchführung von Vorträgen zum Thema "Rehabilitation sowie Leistungen der Pflegeversicherung" in Krankenpflegeschulen und in Altenpflegeausbildungsinstituten, die Durchführung von Informationsveranstaltungen zur Rehabilitation bei Selbsthilfegruppen sowie Rundfunkinterviews und Telefonforen bei Zeitungen zum Thema Rehabilitation. Ebenso zähle zu ihren Aufgaben die persönliche Betreuung von Behinderten während und nach der Rehabilitation. Diese zusätzlichen Aufgabe obliege nicht der Klägerin, sondern der Rehabilitationsberaterin G.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat den tariflichen Rechtsbegriff des Tätigkeitsbeispiels "Rehabilitationsberater/innen" der VergGr. 7 der Anlage 5 zum EKT verkannt.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Tarifvertrag für die Ersatzkassen (EKT) und der Tarifvertrag über die Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Barmer Ersatzkasse (Anlage 5 zum EKT) kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung.
a) Für die "Eingruppierung" des Angestellten nach dem EKT bestimmt dessen § 10 Abs. 1, daß der Angestellte "nach den Tätigkeitsmerkmalen lt. Anlage 5 in die Vergütungsgruppe eingereiht" wird, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht.
b) Erfüllt der Angestellte mit seiner überwiegend auszuübenden Tätigkeit die Anforderungen einer Vergütungsgruppe, ist er nach dieser zu vergüten. Die Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers hat lediglich deklaratorische Bedeutung (ständige Rechtsprechung des Senats zB - 4 AZR 457/94 - BAGE 80, 122, 125).
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Klägerin überwiegend auszuübende Tätigkeit erfülle "das Tätigkeitsbeispiel der Vergütungsgruppe 6 der Sachbearbeiterin im Betreuungsbereich nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit als Sachbearbeiterin (Beiträge und/oder Leistung) in Vergütungsgruppe 5, der Feststellungsbefugnis erteilt ist". Die von der Klägerin vorgenommene Beratung von Mitgliedern der Beklagten sei ein Teil der Leistungssachbearbeitung, auch wenn das Mitglied als Ergebnis der Beratung keinen Antrag stelle. Rehabilitationsberater iSd. Tarifvertrages sei derjenige, der überwiegend die Öffentlichkeit über Rehabilitationsmaßnahmen sowie Einrichtungen berate, die selbst Rehabilitationsmaßnahmen durchführten, und Kranke außerhalb der gesetzlichen Leistungsgewährung berate. Daß diese Tätigkeiten von der Klägerin überwiegend ausgeübt würden, sei von ihr selbst nicht vorgetragen.
Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft.
a) Richtet sich - wie gem. § 10 Abs. 1 EKT - die Eingruppierung des Angestellten nach der von diesem überwiegend auszuübenden Tätigkeit, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zunächst darauf an festzustellen, ob der Angestellte eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, eine überwiegend auszuübende Teiltätigkeit oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten, von denen keine überwiegt, zu erbringen hat. Dafür gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung von Arbeitsvorgängen nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng. Bei der Feststellung des Tätigkeitszuschnitts sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Für eine zusammenfassende Betrachtung von Tätigkeiten können gesetzliche Bestimmungen, Verwaltungsvorschriften, Geschäftsverteilungspläne, Anschauungen innerhalb einer Behörde oder eine behördliche Übung, aber auch der enge Zusammenhang der dem Angestellten übertragenen Aufgaben herangezogen werden. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit dürfen nicht zusammengefaßt werden. Bei der Einteilung der Tätigkeiten des Arbeitnehmers hat das Tatsachengericht einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die jeweiligen Begriffe verkannt wurden, ob bei ihrer Anwendung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist und ob die Beurteilung unter Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (Senat - 4 AZR 876/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 1; - 4 AZR 577/92 - AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 5 jeweils mwN). Die auf diese Weise bestimmte(n) Tätigkeit(en) ist (sind) dann tariflich zu bewerten.
b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft und nicht entschieden, ob die Tätigkeit der Klägerin eine tariflich einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit ist oder aus mehreren selbständigen Teiltätigkeiten besteht. Dementsprechend fehlen auch Feststellungen zu den Anteilen ggf. anzunehmender mehrerer selbständiger Teiltätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit der Klägerin.
3. Die für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutsamen Tarifbestimmungen des Teils A 1 Abschn. I der Anlage 5 zum EKT in der am in Kraft getretenen Fassung des Ergänzungstarifvertrages vom lauten:
Vergütungsgruppe 6:
Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und in nicht unerheblichem Umfang selbständige Leistungen erfordern
...
Rehabilitationsberater/innen während der Einarbeitung
Sachbearbeiter/innen im Betreuungsbereich nach 2 1/2jähriger Tätigkeit als Sachbearbeiter/innen (Beiträge und/oder Leistungen) in Vergütungsgruppe 5, denen Feststellungsbefugnis erteilt ist.
Vergütungsgruppe 7:
Tätigkeiten, die sich durch die Schwierigkeiten des Arbeitsgebietes oder den Umfang der selbständigen Leistungen aus der Vergütungsgruppe 6 herausheben.
...
Rehabilitationsberater/innen
...
Protokollnotiz
Nr. 2 Sachbearbeiter/innen
Zu den Aufgaben der Sachbearbeiter/Sachbearbeiterinnen im Sinne dieses Tätigkeitsbeispieles zählen: Sachbearbeitung im Betreuungsbereich (Beiträge und/oder Leistungen) oder Sachbearbeitung im Bereich Mahn und/oder Regreß.
4. Für die Eingruppierung des Angestellten nach den vorstehenden Bestimmungen der Anlage 5 zum EKT sind die jeweiligen Obersätze der Vergütungsgruppen maßgebend. Auf die Merkmale der jeweiligen Obersätze der Anlage 5 zum EKT kommt es nicht an, wenn der Angestellte die Anforderungen eines Beispiels erfüllt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines der Beispiele gegeben ist, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt. Die Beispiele stehen nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien dafür, daß bei der Erfüllung des Beispiels die Voraussetzungen der jeweiligen Vergütungsgruppe erfüllt sind, mit anderen Worten ein Fall des jeweiligen Obersatzes vorliegt. Die Tarifvertragsparteien des EKT haben mit den Beispielen erkennbar ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß die Beispielstätigkeiten die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen. Daran sind die Gerichte bei der Auslegung gebunden. Andernfalls würde den Beispielen entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien der typische Charakter für ihre Vergütungsgruppen abgesprochen (vgl. Senat - 4 AZR 457/94 - BAGE 80, 122, 129).
Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat zunächst die Erfüllung der Anforderung des Tätigkeitsbeispiels "Rehabilitationsberater/innen", dann diejenige der Anforderungen des Oberbegriffs der VergGr. 7 durch die Tätigkeit der Klägerin geprüft und beides verneint.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den tariflichen Rechtsbegriff des Tätigkeitsbeispiels "Rehabilitationsberater/innen" verkannt. Bei dessen zutreffender Auslegung kann die Klage Erfolg haben.
Rehabilitationsberater ist nicht derjenige, der "überwiegend die Öffentlichkeit über Rehabilitationsmaßnahmen berät, Einrichtungen berät, die selbst Rehabilitationsmaßnahmen durchführen", wie das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten meint. Vielmehr ist der Rehabilitationsberater bei den Ersatzkassen der Ansprechpartner des Versicherten; er erfaßt dessen individuellen Rehabilitationsbedarf und steuert dessen ggf. erforderliche Rehabilitation im Sinne eines Case-Managements. Er wird daher gerade nicht außerhalb der gesetzlichen Leistungsgewährung tätig, wie das Landesarbeitsgericht meint.
aa) Bei der Ermittlung des Inhalts des Tarifbegriffs "Rehabilitationsberater/innen" ist mangels einer eigenen Definition dieses branchenspezifischen Begriffs in der Anlage 5 zum EKT davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien diesen in dem Sinne verwendet haben, wie er üblicherweise in dem zu regelnden Bereich verwendet wird, und daß sie ihn in dieser Bedeutung auch angewendet wissen wollen (vgl. Senat - 4 AZR 284/82 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 92; - 4 AZR 513/88 - AP TVG § 1 Auslösung Nr. 21 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 55; - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 8; Senat - 4 AZR 107/97 - BAGE 89, 6).
(1) Die Rehabilitationsberatung bei den gesetzlichen Krankenkassen hat sich seit den siebziger Jahren entwickelt. Seit Inkrafttreten des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes vom am (BGBl. I S 1881) werden die gesetzlichen Krankenkassen formell als Träger von Rehabilitationsmaßnahmen genannt. Die Bereiche Aufklärung, Auskunft und Beratung sind in §§ 13 bis 15 des Sozialgesetzbuchs (SGB I) geregelt. Die Vorschrift des § 13 SGB I bezieht sich auf die planmäßige, allgemeine und nicht einzelfallbezogene Information der Bevölkerung durch die Rentenversicherungsträger über Rechte und Pflichten auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers zur Beratung ist in § 14 SGB I geregelt. Dort ist bestimmt, daß jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch hat. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Danach hat jeder Bürger einen Rechtsanspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten durch seinen zuständigen Leistungsträger, weil dieser auf Grund seiner Sachkenntnis dafür am besten geeignet ist. Dabei hat jeder Sozialleistungsträger über den Bereich zu beraten, in dem er auch zu entscheiden hat. Diese Vorschrift verpflichtet zugleich zur umfassenden Beratung (Wolko NBl LVA Baden 2000, 206). Diese Regelungen werden ergänzt durch § 22 SGB IX, der erweiterte Beratungs- und Unterstützungspflichten der gemeinsamen örtlichen Servicestellen der Rehabilitationsträger gegenüber behinderten und von Behinderung betreuten Personen begründet. Nach diesen Normen haben die Reha-Träger den Behinderten, die sich an sie wenden, alle sachdienlichen Auskünfte über die Möglichkeiten zur Durchführung medizinischer, beruflicher und ergänzender Maßnahmen und über die Leistungen zur Rehabilitation zu erteilen und sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit rechtzeitig und umfassend zu beraten.
Die Sozialversicherungsträger haben sich dementsprechend seit den siebziger Jahren intensiv mit der Rehabilitationsberatung, ihrem Inhalt und ihrer Organisation sowie deren ständiger Optimierung und in diesem Zusammenhang insbesondere mit der Bestimmung des Aufgabenbereichs des Rehabilitationsberaters befaßt. Der Bundesverband der AOK hat beispielsweise im Jahre 1979 eine "Aufgabenbeschreibung für Fachkräfte in der Rehabilitations-Beratung und den Sozialen Diensten" erarbeitet (Brückel DOK 1988, 109). Seit den siebziger Jahren gibt es auch zahlreiche Beiträge in den Fachblättern der Sozialversicherungsträger und ihrer Verbände, die den Aufgabenbereich des Rehabilitationsberatungsdienstes der Sozialversicherungsträger behandeln.
(2) Angesichts der ständig gewachsenen Bedeutung der Rehabilitation haben die Ersatzkassen die Rehabilitationsberatung für ihre chronisch kranken bzw. behinderten Versicherten weiter intensiviert. Dem "Ziel, die Rehabilitation zu qualifizieren", dient das am beschlossene "Rahmenkonzept der Ersatzkassen und ihrer Verbände - Aufgabenbeschreibung für Rehabilitationsberater (Reha-Berater) der Ersatzkassen" (dazu Grigoleit ErsK 1995, 236). Dessen Ziff. 5 lautet:
Aufgaben
Zu den Aufgaben des Reha-Beraters in der Praxis zählen frühzeitige Ermittlung von rehabilitationsbedürftigen Krankheiten und Behinderungen
- durch Eigeninitiative in Kooperation mit Sachbearbeitern/Spezialsachbearbeitern etc. anhand von Krankenakten, Entlassungsberichten, Krankheitsverläufen, Unfallberichten etc.,
- durch Fremdinitiative, z.B. Anfragen des Kranken/Behinderten, seinen Angehörigen, Ärzten, Betriebsärzten, Krankenhäusern, Selbsthilfegruppen etc., Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs und Mitwirkung bei der Erstellung eines individuellen Rehabilitationskonzepts incl. bereichsübergreifender Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Personen/Einrichtungen/Stellen. Hier kommen u.a. in Betracht:
- medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation (z. B. ambulante und/oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen, Heil- und Hilfsmittelversorgung, stufenweise Wiedereingliederung),
- Maßnahmen der Prävention,
- berufliche Maßnahmen zur Rehabilitation/Eingliederungshilfen (z.B. Umschulungsmaßnahmen, Kfz-Hilfen),
- allgemeine soziale Eingliederungshilfen, Nachsorge,
- pflegerische Maßnahmen.
Einleitung und Steuerung der Rehabilitation. Diese Aufgaben umfassen u.a.
- Kontaktaufnahme mit den Kranken/Behinderten,
- Gespräche mit dem Betroffenen und den Angehörigen anläßlich von Besuchen zu Hause, im Krankenhaus etc. unter Berücksichtigung der persönlichen Situation,
- Beratung des Kranken/Behinderten auch über Leistungen anderer Träger oder sonstige Hilfen,
- Hilfe bei Problemlösungen in medizinischen, beruflichen oder sozialen Fragen,
- Kontaktvermittlung (u.a. zu Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen etc.),
- Hilfestellungen bei der Beantragung von Rehabilitationsleistungen.
Koordination der erforderlichen Rehabiliationsmaßnahmen/-leistungen.
Einwirken auf einen zeitlich optimalen Rehabiliationsverlauf, Prüfung erreichter Teilerfolge und ggf. flexible Änderung des Rehabilitationsplanes.
Umfassende und rechtzeitige Information des Kranken/Behinderten über alle im Zusammenhang mit seiner Rehabilitation relevanten Leistungsmöglichkeiten und Hilfen.
Aufnahme und Pflege von Kontakten zu anderen Leistungsträgern, Ärzten, Betriebsärzten, MDK und Leistungserbringern, z.B. ambulanten und stationären Einrichtungen insbesondere Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Sozialstationen, Selbsthilfegruppen, Selbsthilfekontaktstellen, psychosoziale Beratungsstellen etc.
Die o. g. Aufgaben sind durch den Reha-Berater nicht nur auf Anfrage/Antrag, sondern auch aus Eigeninitiative zu erbringen.
Für die Erfüllung der Aufgabe des Rehabilitationsberaters kommen vorrangig Mitarbeiter in Betracht, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten oder eine gleichwertige Ausbildung verfügen und sich qualifiziert haben (Ziff. 2 des Rahmenkonzeptes). Die Aufgaben der Rehabilitationsberater setzen neben umfangreichen Kenntnissen des Sozialrechts besonderes Einfühlungsvermögen und Sozialkompetenz voraus (Ziff. 3 des Rahmenkonzeptes). Der Rehabilitationsberater muß zudem ua. über Grundkenntnisse von Krankheitsbildern, Funktionseinschränkungen/Fähigkeitsstörungen und sozialen bzw. psychosozialen Beeinträchtigungen verfügen und in der Zusammenarbeit mit Leistungsanbietern, Kostenträgern, Stellen und Verbänden kompetent sein (Ziff. 4 des Rahmenkonzeptes; wegen der erforderlichen Kenntnisse des Rehabilitationsberaters vgl. näher Grigoleit aaO S 237).
(3) Mangels abweichender Bestimmung dieses Begriffes in der Anlage 5 zum EKT ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien des EKT den Tarifbegriff im branchenspezifischen Sinne verwandt haben. Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß das Rahmenkonzept "lediglich eine im Detail nicht verbindliche Richtlinie" der Ersatzkassen und ihrer Verbände ist, wie die Beklagte geltend macht. Entscheidend ist, daß dem Rahmenkonzept Inhalt und Bedeutung des Begriffes "Rehabilitationsberater/innen" bei den Ersatzkassen zu entnehmen sind.
bb) Auf der Grundlage des Rahmenkonzeptes der Ersatzkassen und ihrer Verbände vom kann das Tarifbeispiel "Rehabilitationsberater/innen" nach seinem Wortlaut ausgelegt werden. Auf die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zum Gesamtzusammenhang der Tarifregelung kommt es daher ebensowenig an wie auf die Ausführungen der Parteien zur Tarifgeschichte.
cc) Dem Rehabilitationsberater kann auch die Entscheidung über Maßnahmen und Leistungen zur Rehabilitation übertragen sein (vgl. näher dazu Wolko aaO). Dann übt der Angestellte eine Mischtätigkeit von Rehabilitationsberatung und Sachbearbeitung aus. Sind beide Tätigkeiten tatsächlich trennbar, ist jede Tätigkeit für sich tariflich zu bewerten. Handelt es sich bei der Tätigkeit des Angestellten im Bereich der Rehabilitation um eine einheitliche Tätigkeit aus Beratung und Sachbearbeitung, richtet sich deren tarifliche Bewertung danach, welche Aufgabe der Tätigkeit des Angestellten das Gepräge gibt (vgl. dazu zB Senat - 4 AZR 435/79 - BAGE 37, 370, 374 f.).
dd) Ob die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit diejenige einer Rehabilitationsberaterin iSd. vorstehenden Ausführungen ist, kann der Senat auf Grund der Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht dagegen angenommen, daß die Erfüllung der Anforderungen des Oberbegriffs der VergGr. 7 von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt ist. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.
II. Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts hat die Aufhebung seines Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung zur Folge. Das Landesarbeitsgericht muß zunächst feststellen, ob die Klägerin eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, eine überwiegend auszuübende Teiltätigkeit oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten ausübt, von denen keine für sich überwiegt. Die so bestimmte/n Tätigkeit/en im Bereich der Rehabilitation sind sodann auf der Grundlage der Auslegung des Senats tariflich zu bewerten. Alsdann ist festzustellen, ob das in § 10 Abs. 1 EKT geforderte Zeitmaß erfüllt ist. Dabei kann das Landesarbeitsgericht davon ausgehen, daß die Klägerin jedenfalls mit 75 % ihrer Gesamtarbeitszeit im Bereich Rehabilitation tätig ist.
Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, daß es für die Eingruppierung der Klägerin unerheblich ist, ob die Sozialarbeiterin G zutreffend als Rehabilitationsberaterin in VergGr. 7 eingruppiert ist. Gleiches gilt für die Eingruppierung der Mitarbeiter in der Hauptgeschäftsstelle, die nach Bewilligung der Rehabilitation Kontakt mit den Rehabilitationseinrichtungen aufnehmen. Auch die Bezeichnung der Angestellten mit der Tätigkeit der Klägerin in Broschüren etc. der Beklagten als "Rehabilitationsberaterinnen" ist kein Umstand, der für die tarifliche Bewertung ihrer Tätigkeit allein entscheidendes Gewicht hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2003 S. 692 Nr. 13
OAAAB-94011
1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Ja