BAG Urteil v. - 3 AZR 554/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 9 Abs. 3; BetrAVG § 1 ; MTV der Techniker Krankenkasse (TKT) Anlage 6a; Änderungstarifvertrag Nr. 01/02 zum TKT (ÄTV 02); Vereinbarung zum Änderungstarifvertrag Nr. 01/02 zum TKT (ÄTV 03)

Instanzenzug: ArbG Hamburg 1 Ca 145/03 vom LAG Hamburg 1 Sa 23/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin monatlich zustehenden Ruhegeldes für den Zeitraum vom bis sowie die Höhe des Weihnachtsgeldes für diese Jahre.

Die Klägerin ist am geboren. Sie war seit dem bis zum bei der Beklagten angestellt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis die von der Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge, ua. der Manteltarifvertrag der Techniker Krankenkasse (TKT), in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Klägerin bezieht seit dem eine Betriebsrente.

Anlage 6a zum TKT enthält hinsichtlich der Berechnung der Betriebsrente folgende Bestimmungen:

"Nr. 7 Versorgungsfall

1. Der Versorgungsfall tritt ein, wenn der Angestellte

a) berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung wird,

b) erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung wird,

c) Altersruhegeld auf Antrag vor Vollendung des 65. Lebensjahres erhält,

d) das 65. Lebensjahr vollendet, frühestens jedoch am Tage nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

...

Nr. 8

Zuschuß an Angestellte

Die Kasse gewährleistet dem Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuß von der Kasse gezahlt.

Nr. 9

Höhe des Gesamtruhegeldes

Das Gesamtruhegeld beträgt nach erfüllter Wartezeit (Nr. 6 Ziffer 4) 35 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts (Nr. 10). Es erhöht sich vom 06. bis 10. Beschäftigungsjahr um je 3,0 v.H., vom 11. bis 20. Beschäftigungsjahr um je 1,5 v.H., vom 21. bis 25. Beschäftigungsjahr um je 1,0 v.H. und für die folgenden Beschäftigungsjahre um je 0,5 v.H. bis höchstens 75 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts.

Für die Berechnung der Beschäftigungsjahre sind die Zeiten nach Nr. 6 nach Jahren und Tagen zusammenzuzählen; ein Rest von mehr als 182 Tagen gilt als vollendetes Beschäftigungsjahr.

Nr. 10

Ruhegeldfähiges Gehalt

Das Gesamtruhegehalt wird vom Bruttogehalt (Anlage 2 TKT) und der Stellenzulage (§ 10 TKT) des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet (ruhegeldfähiges Gehalt); wenn es für den Angestellten günstiger ist, wird jedoch der Durchschnittsverdienst der letzten fünf Jahre zugrunde gelegt. ...

Nr. 11 Anzurechnende Bezüge

1. Auf das Gesamtruhegehalt werden angerechnet

a) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe

...

c) die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, und zwar auch dann in monatlichen Beträgen, wenn die Versicherungsrente von der VBL in einer einmaligen Zahlung abgefunden wurde,

...

3. Ändern sich die nach Ziffer 1 anzurechnenden Bezüge, wird der Zuschuß der Kasse (Nr. 8) neu festgesetzt.

...

Nr. 13

Weihnachtsgeld

1. Der Anspruchsberechtigte (Nr. 5) erhält nach einer Beschäftigungszeit (Nr. 6) von zehn Jahren in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe des am 15. November maßgeblichen monatlichen Gesamtruhegeldes; es wird auch dann gezahlt, wenn wegen der nach Nr. 11 anzurechnenden Bezüge kein Zuschuß gezahlt wird.

...

Nr. 14

Anpassung des Gesamtruhegeldes

Ändern sich die Gehaltsbezüge der Angestellten, ändert sich das ruhegeldfähige Gehalt (Nr. 10 und Nr. 12) entsprechend."

Im Oktober 2002 schlossen die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum den "Änderungstarifvertrag Nr. 01/02" zum TKT (ÄTV 02) mit einer Laufzeit von 15 Monaten. Darin erhöhten sie die Gehälter der Angestellten und Auszubildenden ab dem um 2,9 % und mit Wirkung zum um weitere 0,6 %. Ferner wurde in diesem Tarifvertrag folgende Regelung getroffen:

"II. Gesamtruhegeld

Der Zuschuss nach Anlage 6a und 6b zum TKT, ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wird abweichend von Nr. 14 der Anlagen 6a und 6b zum TKT um 2,16 % erhöht."

Am vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Protokollnotiz zum ÄTV 02 mit folgendem Wortlaut:

"Die Tarifvertragsparteien waren sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 darüber einig:

1. dass mit Zuschuss nach Ziff. II ,Gesamtruhegeld' des Änderungstarifvertrages Nr. 01/02 zum TKT, ausschließlich der Zuschuss nach Ziff. 8 der Anlagen 6a und 6b zum TKT (ohne Leistungen anderer Träger gem. Ziff. 11 der Anlagen 6a und 6b zum TKT) gemeint war,

2. dass mit dem Passus, ,ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung' ausschließlich die Nichtanrechnung der aktuellen Rentenanpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Laufzeit des Änderungstarifvertrages 01/02 zum TKT gemeint war."

Außerdem änderten die Tarifvertragsparteien den ÄTV 02 mit "Vereinbarung zum Änderungstarifvertrag Nr. 01/02 zum TKT" vom selben Tage (künftig: ÄTV 03) wie folgt:

"Die Ziff. II Gesamtruhegeld wird wie folgt geändert:

Der Zuschuss nach Ziff. 8 der Anlagen 6a und 6b zum TKT (ohne Leistungen anderer Träger gem. Ziff. 11 der Anlagen 6a und 6b zum TKT) wird ohne Anrechnung der aktuellen Rentenanpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Laufzeit des Änderungstarifvertrages 01/02 zum TKT abweichend von Nr. 14 der Anlagen 6a und 6b zum TKT um 2,16 % erhöht. Diese Vereinbarung tritt rückwirkend zum in Kraft."

Im Zuge verschiedener Rechtsstreitigkeiten über die Höhe der Ruhegeldansprüche gaben die Tarifvertragsparteien nach einem gerichtlichen Auflagenbeschluss am eine "Gemeinsame Erklärung" ab. Darin bestätigten sie ua., dass die beschränkte Dynamisierung sich auch auf das Weihnachtsgeld erstrecken sollte.

Die Beklagte erhöhte im streitbefangenen Zeitraum die Betriebsrente und das Weihnachtsgeld der Klägerin lediglich um 2,16 % und damit nicht in demselben Ausmaß wie das Entgelt der aktiven Arbeitnehmer. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, auf sie sei weiterhin die Anlage 6a zum TKT ohne Berücksichtigung des ÄTV 02 und des ÄTV 03 anzuwenden. Der ÄTV 02 sei völlig inkonsistent und verstoße gegen das Gebot der Normklarheit, so dass er eine Änderung nicht habe herbeiführen können. Beide Tarifverträge enthielten zudem unzulässige Rückwirkungsklauseln. Für Letzteres beruft sich die Klägerin ua. auf eine Änderung des Versorgungssystems seit Mai 1977. Damals sei die Dynamisierung des ruhegeldfähigen Einkommens und damit der Gesamtversorgung als Ausgleich für den Wegfall der Renten steigernden Wirkung einer VBL-Versicherung eingeführt worden. Dies habe die Beklagte in einem Schreiben vom ausdrücklich zugesichert. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Abbau einer Überversorgung stützen.

Die Klägerin hat in den Vorinstanzen zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 204,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 57,38 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 318,27 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Nettoversorgungsgrad der Betriebsrentner habe sich von 84,6 % im Jahre 1958, also sechs Jahre nach Einführung der Versorgung, auf 106 % im Jahre 2002 erhöht. Insofern liege eine Überversorgung vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erhöhung ihrer regelmäßigen Bezüge entsprechend den für die aktiven Arbeitnehmer vorgesehenen Bezügen oder auf eine entsprechende Erhöhung ihres Weihnachtsgeldes. Derartige Leistungen kann die Klägerin auf Grund der tarifvertraglichen Vorschriften, die auf sie Anwendung finden, nicht geltend machen. Die tariflichen Regelungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

I. Die tariflichen Bestimmungen zur Regelung der Höhe des Ruhegeldes sind auf die Klägerin anwendbar. Ihre Auslegung ergibt, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche darauf nicht stützen kann.

1. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag der Klägerin die jeweils geltenden tariflichen Regelungen in Bezug genommen. Eine derartige Klausel gilt auch über den Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand hinaus (Senat - 3 AZR 313/93 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10, zu B I 2 b der Gründe). Da der Arbeitgeber Ruhestandsleistungen nach einheitlichen Regeln erbringen will, steht eine betriebliche Altersversorgung, die sich nach tarifvertraglichen Vorschriften regelt, auch unter dem Vorbehalt einer Änderung des Tarifvertrages (Senat - 3 AZR 313/93 - aaO). Auf Grund der vertraglichen Verweisung kommt es nicht darauf an, inwieweit die Tarifvertragsparteien Regelungsmacht für die Rechtsverhältnisse der Betriebsrentner (vgl. dazu Senat - 3 AZR 515/99 - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 27, zu II der Gründe; - 3 AZR 313/93 - aaO, zu B I 2 c der Gründe) haben.

2. Ansprüche aus Anlage 6a TKT stehen der Klägerin nicht zu. Die Anlage 6a TKT ist für die Betriebsrentner durch die späteren und damit nach der Zeitkollisionsregel vorgehenden (vgl. ua. Senat - 3 AZR 515/99 - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 27, zu III der Gründe) ÄTV 02 und ÄTV 03 dahin gehend modifiziert worden, dass lediglich eine Erhöhung der laufenden Leistungen einschließlich des Weihnachtsgeldes um 2,16 % unter Verzicht auf eine Anrechnung der aktuellen Rentenerhöhung stattfindet.

a) Durch Ziff. II des ÄTV 02 haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass sie von der Regelung in Nr. 14 der Anlage 6a TKT abweichen wollten. Diese Regelung ihrerseits enthält den Grundsatz, dass sich die Gesamtversorgung der Betriebsrentner und damit deren Lebensstandard entsprechend den Bezügen der Angestellten verbessern sollte. Die Tarifvertragsparteien haben hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass sie diesen Grundsatz für eine begrenzte Zeit aussetzen und durch eine eigenständige Anpassungsregelung ersetzen wollten.

Sie besteht darin, dass der Zuschuss nach der Anlage 6a zum TKT, wie ihn die Betriebsrentner beziehen, lediglich um 2,16 % erhöht wird. Soweit in dieser Regelung außerdem erwähnt ist, dass der Zuschuss "ohne Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung" erhöht werde, kann sich dies nicht auf den ursprünglichen Zuschuss nach der Anlage 6a TKT beziehen. Denn der nach dieser Anlage zu zahlende Zuschuss - Nr. 8 - errechnet sich durch Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Nr. 11 der Anlage auf das Gesamtruhegeld nach Nr. 9 der Anlage. Auf diesen Zuschuss wird die gesetzliche Rente nicht angerechnet. Der Einschub in Ziff. II ÄTV 02 muss sich deshalb auf die Frage beziehen, ob auf die dort genannte Erhöhung um 2,16 % Beträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden sollen. Diese Frage haben die Tarifvertragsparteien verneint.

Die durch Ziff. II ÄTV 02 getroffene Regelung ist deshalb vor dem Hintergrund der ursprünglich in der Anlage 6a zum TKT gefundenen Ruhegeldsystematik hinreichend deutlich. Das Gebot der Normklarheit, wie es auch für die Tarifvertragsparteien gilt ( - BAGE 100, 339, zu B II 3 b dd der Gründe; - 4 AZR 435/79 - BAGE 37, 370), ist nicht verletzt. Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung im ÄTV 02 und ÄTV 03 von der Systematik der Anlage 6a zum TKT abweicht. Für die Laufzeit der abweichenden Tarifverträge haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, inwieweit das System nicht angewandt werden soll.

b) Im Übrigen könnte die Klägerin aus einer Verletzung des Gebots der Normklarheit nichts herleiten. Das durch die Auslegung des ÄTV 02 gefundene Ergebnis wurde von den Tarifvertragsparteien - schon nach dem Wortlaut eindeutig - jedenfalls im ÄTV 03 niedergelegt. Diese Regelung sollte, wie die Protokollnotiz vom selben Tage beweist, lediglich klarstellen, was die Tarifvertragsparteien ursprünglich vereinbart hatten. Eine solche Klarstellung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Das ist unabhängig davon, ob der ÄTV 02 tatsächlich bereits genauso auszulegen war oder sich die Rechtslage durch den ÄTV 03 rückwirkend geändert hat:

Ebenso wie der Gesetzgeber dürfen die Tarifvertragsparteien durch tarifliche Bestimmungen vorangegangene Tarifverträge authentisch interpretieren. Voraussetzung ist, dass sie den Rückwirkungsschutz beachten ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 42 = EzA TVG § 12a Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit umfassenden Nachweisen). Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) folgende Vertrauensgrundsatz verlangt, dass es stets einer besonderen Rechtfertigung bedarf, wenn eine nachträglich belastende Änderung der bereits eingetretenen Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens ausnahmsweise zulässig sein soll. Eine derartige Rechtfertigung ist jedoch gegeben, wenn es an einem schutzwürdigen Vertrauen in den Fortbestand der begünstigenden Rechtslage - hier einer durch den ÄTV 02 unberührt bleibenden Anwendung der Anlage 6a zum TKT -fehlt. Das ist ua. dann der Fall, wenn die rückwirkende Norm der Beseitigung einer unklaren oder verworrenen Rechtslage dient ( - WM 1998, 2025 f., zu II 2 a aa (1) der Gründe). Würde man - wie die Klägerin - annehmen, der ÄTV 02 verstoße gegen das Gebot der Normklarheit, lägen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Regelung durch den ÄTV 03 vor. Der ÄTV 03 ist bereits nach seinem Wortlaut als ein die Rechtslage verändernder Tarifvertrag zu verstehen.

c) Die Änderung des Ruhegeldes der Betriebsrentner wirkt sich auch auf das Weihnachtsgeld aus. Dieses bemisst sich nach Nr. 13 der Anlage 6a zum TKT nach dem in jedem Jahr am 15. November "maßgeblichen" Gesamtruhegeld. Durch die Regelung im ÄTV 02 und ÄTV 03, auf Grund derer sich die laufende Betriebsrente - wie dargelegt - nicht mehr an einem Gesamtruhegeld orientiert, das an die für aktive Beschäftigte geltenden Bezüge anknüpft, ist das nach dieser Methode errechnete Gesamtruhegeld iSd. TKT auch nicht mehr "maßgeblich". Maßgeblich könnte allenfalls das Gesamtruhegeld aus dem Vorjahr sein. Daran hat sich die Beklagte orientiert und diesen Betrag erhöht. Damit ist sie jedenfalls nicht hinter den Ansprüchen der Klägerin zurückgeblieben.

d) Auf die Auswirkungen und die Bedeutung der "Gemeinsamen Erklärung" der Tarifvertragsparteien vom kommt es nach allem nicht an.

II. Die sich dadurch ergebende Einschränkung der Versorgungsansprüche ist rechtlich nicht zu beanstanden. Weder haben die Tarifvertragsparteien unzulässig in geschützte Besitzstände der Klägerin eingegriffen noch liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor.

1. Die Eingriffe verletzen nicht die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.

a) Der Senat hat für die materielle Überprüfung von Eingriffen in Versorgungsanwartschaften ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt (ständige Rechtsprechung seit - 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57, 66 ff.). Dieses Schema kann nicht unbesehen auf Tarifverträge angewandt werden (Senat - 3 AZR 123/03 -ZTR 2005, 263, zu B I 4 b bb (2) der Gründe). Die Tarifautonomie ist als Teil der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt ( - BVerfGE 103, 293). Den Tarifvertragsparteien steht daher bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu ( - BAGE 108, 95). Tarifverträge unterliegen deshalb keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen (Senat - 3 AZR 313/93 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10, zu B II 2 der Gründe).

Allerdings sind die Tarifvertragsparteien - ebenso wie der Gesetzgeber - an die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Wird nicht in den erdienten Besitzstand einer Versorgungsanwartschaft eingegriffen und sind - wie hier - die Nachteile nicht schwerwiegend, so reichen sachliche Gründe aus. Diese können zB in der Eindämmung von Überversorgungen, veränderten Gerechtigkeitsvorstellungen der Tarifvertragsparteien oder Veränderungen im Sozialversicherungsrecht bestehen ( - EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 27, zu III 1 a, b der Gründe).

b) Diesen Grundsätzen wird die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Änderung gerecht.

aa) Die Eingriffe sind nicht schwerwiegend. Zwar erhöht sich die Gesamtversorgung der Betriebsrentner nicht mehr im selben Umfange wie das Bruttoeinkommen der aktiven Arbeitnehmer. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch davon abgesehen, jegliche Steigerungen für die Betriebsrentner auszuschließen. Sie haben diese Steigerung lediglich der Höhe nach begrenzt.

bb) Damit reicht jeder sachliche Grund für einen Eingriff aus. Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob schon geänderte Gerechtigkeitsvorstellungen der Tarifvertragsparteien den hier vorgenommenen Eingriff rechtfertigen. Jedenfalls ergibt sich eine Rechtfertigung aus der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Begrenzung einer Überversorgung:

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte anhand statistischer Daten belegt, dass Rentner bei einer Anbindung der betrieblichen Versorgungsleistungen an die Bruttolöhne im Jahre 2002 eine Gesamtversorgung von durchschnittlich 106 % der vergleichbaren Nettobezüge aktiver Arbeitnehmer erreichten, wenn man von einer Gesamtversorgungsobergrenze in Höhe von 75 %, wie sie Nr. 9 und 10 der Anlage 6a zum TKT als Höchstgrenze vorsehen, ausgeht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien in Ausfüllung ihres Gestaltungsspielraums auf eine derartige im Tarifwerk strukturell angelegte Überversorgung reagieren. Näherer Untersuchungen zu den Auswirkungen auf einzelne Rentner oder alle Rentner bedurfte es nicht.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Teil des öffentlichen Dienstes an die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden ist (hier nach § 4 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Für sie ist der Abbau einer Überversorgung - auch einer planmäßigen - nicht nur gerechtfertigt, sondern rechtlich geboten (vgl. Senat - 3 AZR 123/03 - ZTR 2005, 263, zu B I 4 b bb (3) der Gründe).

2. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor.

Auch die Tarifvertragsparteien sind - entweder unmittelbar oder mittelbar auf Grund der aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten - bei ihrer tariflichen Normsetzung an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Hinsichtlich des Prüfmaßstabes macht es keinen Unterschied, auf welche Rechtsgrundlage die Anwendung des Gleichheitssatzes gestützt wird (vgl. - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 = EzA GG Art. 3 Nr. 101, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 und 3 der Gründe). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht allein deshalb vor, weil - wie hier - die Verbesserungen für die aktiven Arbeitnehmer nicht auf die Rentner erstreckt werden (vgl. Senat - 3 AZR 565/81 - BAGE 44, 61, zu III 3 a der Gründe).

Fundstelle(n):
HAAAB-93935

1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein