Leitsatz
[1] 1. Wird eine Betriebsvereinbarung im Zuge eines Betriebsübergangs Inhalt des Arbeitsverhältnisses, ist sie vor einer Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb nicht in weiterem Umfang bewahrt, als wenn sie kollektivrechtlich weitergegolten hätte.
2. Es ist einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht verwehrt, im selben Betrieb mehrere voneinander unabhängige Vergütungssysteme zur Anwendung zu bringen. Die dem zugrunde liegende Bildung verschiedener Beschäftigtengruppen muss aber auf sachlichen Gründen beruhen, um nicht dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zuwiderzulaufen. Die weitere Entwicklung der unterschiedlichen Vergütungssysteme ist dann im Verhältnis zueinander nicht Gegenstand der Überprüfung nach den Maßstäben innerbetrieblicher Entgeltgerechtigkeit.
Gesetze: BetrVG § 77 Abs. 5; BetrVG § 77 Abs. 6; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB § 613a Abs. 1; BGB § 611
Instanzenzug: ArbG Köln 5 Ca 3433/00 vom LAG Köln 5 (4) Sa 606/02 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung für das Jahr 1999.
Die Klägerin wurde am vom Rechtsvorgänger der Beklagten - dem Verein R e.V. - als Diplom-Ingenieurin im Bereich Medizintechnik eingestellt. Im Arbeitsvertrag heißt es, sie erhalte eine monatliche Vergütung "nach der Gehaltsgruppe LBO A 9/2". Im Betrieb galt die Betriebsvereinbarung "Lohn- und Gehaltsregelung" vom (BV 1981). Diese sah die Zahlung eines Weihnachtsgelds vor.
Seit dem bestand das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf Grund Betriebsübergangs mit der Beklagten zu 2) fort. Mitarbeiter, die die Beklagte zu 2) nicht übernommen hatte, sondern nach dem neu einstellte, vergütete sie nach einer von ihr aufgestellten "Gehaltsordnung" vom September 1992. Nach deren Nr. 4 erhielten sie eine Sonderzahlung "i.H.v. 50 % der November-Bruttovergütung der jeweiligen Gehaltsgruppe". Ein Betriebsrat bestand seinerzeit nicht.
Nachdem bei der Beklagten zu 2) ein Betriebsrat gewählt worden war, verhandelten die Betriebsparteien über eine Änderung der BV 1981. Am trat durch Spruch der Einigungsstelle die "Betriebsvereinbarung über eine Jahressonderzahlung" (BV 1996) in Kraft. Sie enthält folgende Regelungen:
"1. Diese Vereinbarung gilt für die Beschäftigten der [Beklagten zu 2)], die durch Betriebsübergang zum vom R e.V. auf (sie) übergegangen sind. ...
2. Die Beschäftigten erhalten ab dem Jahr 1996 eine Jahressonderzahlung. Die Jahressonderzahlung wird mit den November-Bezügen ausgezahlt.
2.1. Die Jahressonderzahlung beträgt vorbehaltlich der Ziffer 2.2. für das Jahr 1996 100 % und ab dem Jahr 1997 75 % der Gehaltsbestandteile ...
2.2. Die Jahressonderzahlung für das Jahr 1996 vermindert sich um den Betrag, um den das der/dem Beschäftigten im Jahr 1996 ... ausbezahlte Urlaubsgeld den Betrag von DM 500,-- übersteigt.
3. Eine Zahlung setzt voraus, dass der/die Beschäftigte am 20. November des Auszahlungsjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. ...
4. Der/die Beschäftigte ist zur Rückzahlung verpflichtet, wenn er/sie am 31.03. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres nicht mehr im Arbeitsverhältnis steht, ...
...
7. Diese Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle der Regelung über Weihnachtsgeld in Nummer 8.1. der Betriebsvereinbarung "Lohn- und Gehaltsregelung" des R e.V., gültig ab ."
Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte zu 2) die BV 1996 zum . Verhandlungen mit dem Betriebsrat über eine Neuverteilung aller Jahressonderzahlungen im Betrieb lehnte die Beklagte zu 2) mit der Begründung ab, die Sonderzahlung für die aus der BV 1996 Begünstigten solle vollständig entfallen.
Mit Wirkung vom wurden mehrere Teile des Betriebs der Beklagten zu 2) abgespalten und auf verschiedene andere Unternehmen übertragen. Der Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt war, wurde von der Beklagten zu 1) nach § 613a BGB übernommen.
Zunächst hat die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung 1999 erhoben. Mit der vorliegenden Klage hat sie sodann gegenüber der Beklagten zu 1) den vollen Betrag der Jahressonderzahlung 1999 geltend gemacht, die Beklagte zu 2) hat sie als Gesamtschuldnerin bis zur Höhe des auf die Zeit bis zum Betriebsübergang im November 1999 entfallenden anteiligen Betrags in Anspruch genommen. Rechnerisch stehen beide Summen zwischen den Parteien außer Streit.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die BV 1996 wirke über den Ablauf der Kündigungsfrist am nach. Der Beklagten zu 2) habe es nicht freigestanden, allein darüber zu bestimmen, welchem Personenkreis sie nach der Kündigung der BV 1996 eine Jahressonderzahlung weiter zukommen lasse: ausschließlich den seit neu eingestellten Mitarbeitern oder weiterhin auch den übernommenen sog. "LBO-Mitarbeitern". Die bis 1998 geleisteten Jahressonderzahlungen hätten beiden Beschäftigtengruppen die Betriebstreue entlohnen sollen. Aus diesem einheitlichen Leistungszweck ergebe sich ein einheitlicher begünstigter Personenkreis. Dieser könne mitbestimmungsrechtlich nicht in zwei unabhängig voneinander zu behandelnde Arbeitnehmergruppen aufgeteilt werden. Die Streichung sämtlicher Mittel für die "LBO-Mitarbeiter" stelle sich deshalb als Kürzung der für beide Gruppen insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel dar und löse ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich einer möglichen Neuverteilung aus. Bis zu einer Neuregelung wirke die BV 1996 nach.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.336,00 DM (= 1.705,67 Euro) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem zu zahlen; die Beklagte zu 1) darüber hinaus zu verurteilen, an sie weitere 445,49 DM (= 227,78 Euro) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, durch die Kündigung der BV 1996 sei die Grundlage für die Klageforderung entfallen. Die BV wirke nicht nach, weil es für den Kreis der von ihr erfassten Arbeitnehmer nichts mehr zu verteilen und zu regeln gebe. Bei der Vergütung der "LBO-Mitarbeiter" und der nach dem von der Beklagten zu 2) neu eingestellten Arbeitnehmer handele es sich um zwei verschiedene, voneinander unabhängige Entgeltsysteme. Dies komme auch darin zum Ausdruck, dass - unstreitig - nur die erstgenannte Beschäftigungsgruppe Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung besitze, den neu eingestellten Mitarbeitern dagegen wegen veränderter wirtschaftlicher Daten eine Betriebsrente nicht mehr habe zugesagt werden können. Im Übrigen habe der Betriebsrat der Beklagten zu 2) das Nebeneinander der unterschiedlichen Vergütungssysteme jahrelang akzeptiert. Darin liege mit Blick auf die Jahressonderzahlung an die neu eingestellten Mitarbeiter der konkludente Abschluss einer Regelungsabrede. Weil diese nicht gekündigt worden sei, habe sich mangels rechtlichen Spielraums die Frage einer Neuverteilung der Mittel für eine Jahressonderzahlung auch aus diesem Grunde nicht gestellt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung beider Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Gründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Die Klageforderung besteht nicht. Als Rechtsgrundlage scheiden vertragliche Ansprüche ebenso aus wie die beim R geltende BV 1981 und die zum gekündigte BV 1996. Auch die BV 1996 ist noch vor der Entstehung des Anspruchs auf die Jahressonderzahlung 1999 abgelaufen und wirkt für die Zeit nach dem Ende der Kündigungsfrist nicht nach.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung 1999 gegen die Beklagte zu 2).
1. Vertragliche Ansprüche scheiden aus.
a) Zwar heißt es in Nr. 7 des mit dem R geschlossenen Arbeitsvertrags vom 20./, "für das Anstellungsverhältnis (gälten) ... die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen ... des R, soweit ihre Anwendung nicht nach Inhalt oder persönlichem Geltungsbereich (entfalle)". Die seinerzeit im Beschäftigungsbetrieb geltende BV 1981 sah in Nr. 8.1 die Zahlung eines Weihnachtsgelds vor. Auf einen vertraglichen Anspruch mit dem Inhalt von Nr. 8.1 der BV 1981 vermag sich die Klägerin dennoch nicht zu berufen. Durch die Verweisung auf ohnehin geltende kollektive Regelungen haben die damaligen Vertragsparteien keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für die BV 1981 geschaffen. In aller Regel bringen Vertragsparteien durch eine solche Verweisung nur zum Ausdruck, dass nicht sämtliche für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen - außergesetzlichen - Bestimmungen im Text des Arbeitsvertrags wiedergegeben, sondern darüber hinaus in den genannten kollektiven Vereinbarungen enthalten sind. Die Verweisungsklausel stellt dann schon kein Rechtsgeschäft dar. Ihr liegen keine Willenserklärungen zugrunde. Durch Willenserklärungen sollen Rechtsfolgen bewirkt werden. Bei der Verweisung handelt es sich aber nur um einen bloßen rechtlichen Hinweis.
Selbst wenn Nr. 7 des Arbeitsvertrags vom 20./ einen rechtsgeschäftlichen Inhalt hätte, würde sich dieser in der deklaratorischen Abrede erschöpfen, es sollten die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen im Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Der Klausel lässt sich dagegen nicht der Wille der Vertragsparteien entnehmen, es sollten die bei Vertragsschluss geltenden Betriebsvereinbarungen des R unabhängig von ihrem kollektivrechtlichen Fortbestand und allein mit ihrem seinerzeit gültigen Inhalt als vertraglich vereinbart gelten. Hätten die Vertragsparteien eine solche konstitutive, statische Verweisung auf die Betriebsvereinbarungen gewollt, hätten sie dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Dass Nr. 7 des Arbeitsvertrags so zu verstehen sei, hat im Übrigen auch die Klägerin nicht vorgetragen. Die Regelungen der BV 1981 sind nicht Inhalt des Arbeitsvertrags geworden.
b) Eine betriebliche Übung ist nicht entstanden. Zwar haben der R und die Beklagte zu 2) seit 1981 bzw. 1996 jährlich Sonderzahlungen an ihre "LBO-Mitarbeiter" ausgeklärt. Das taten sie jedoch - für die Mitarbeiter erkennbar - ausschließlich in Anwendung der entsprechenden Betriebsvereinbarungen. Dafür, dass sie die Zahlungen auch unabhängig von der (Fort-)Geltung der Betriebsvereinbarungen hätten leisten wollen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Für eine betriebliche Übung ist deshalb kein Raum; sie kann nur entstehen, wenn es an einer anderen Rechtsgrundlage für die betreffende Leistung fehlt ( - BAGE 98, 323, 331, zu A I 3 der Gründe mwN).
2. Ansprüche der Klägerin unmittelbar aus Nr. 8.1 BV 1981 oder aus dieser Regelung in Verb. mit § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB scheiden ebenfalls aus. Nr. 8.1 BV 1981 ist durch die BV 1996 abgelöst worden.
a) Allerdings besaß die BV 1981 ursprünglich normative Geltung auch für das Arbeitsverhältnis der Klägerin. Diese war vom bis zum beim R beschäftigt. Erst seit dem bestand ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Betriebsübergangs mit der Beklagten zu 2).
Es fehlt an entsprechendem Parteivorbringen und Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, um beurteilen zu können, ob die BV 1981 im Betrieb der Beklagten zu 2) normativ fortgalt, etwa weil diese den Betrieb insgesamt vom R übernommen oder doch den übernommenen Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt wurde, als selbständigen Betrieb weitergeführt hätte (zur normativen Fortgeltung einer Betriebsvereinbarung in diesen Fällen vgl. - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 5, auch zur Veröffentlichtung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B III 2 b cc, dd der Gründe). Sollte dies der Fall gewesen sein, hätte die zum gleichen Gegenstand geschlossene BV 1996 die Nr. 8.1 BV 1981 abgelöst. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Rechtsnormen, die denselben Gegenstand regeln und sich an denselben Adressatenkreis richten, gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach wird die ältere Regelung durch die jüngere abgelöst. Nur diese kommt für die Zukunft zur Geltung; in Nr. 7 BV 1996 ist dies ausdrücklich vorgesehen. Darauf, welche Regelung für die Beschäftigten die günstigere ist, kommt es nicht an. Grenzen ergeben sich nur aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem darauf beruhenden Rückwirkungsverbot ( - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 99 Umgruppierung Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 der Gründe). Für die Unwirksamkeit der Ablösung von Nr. 8.1 BV 1981 durch die BV 1996 ist nichts ersichtlich.
b) Hat die BV 1981 bei der Beklagten zu 2) dagegen nicht normativ weitergegolten, sind ihre Regelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zwar individualrechtlicher Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien geworden. Gleichwohl sind sie auch dann durch die BV 1996 abgelöst worden. Wird eine Betriebsvereinbarung im Zuge eines Betriebsübergangs Inhalt des Arbeitsverhältnisses, ist sie vor der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb nicht in weiterem Umfang bewahrt, als wenn sie kollektivrechtlich weitergegolten hätte. Zwar gilt im Verhältnis von Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip. Doch darf im Fall des Betriebsübergangs der Ursprung der vertraglichen Regelung nicht außer Betracht gelassen werden. Der Bestand einer von Gesetzes wegen auf die individualrechtliche Ebene transformierten Kollektivregelung kann nicht weitergehend geschützt sein als die ursprünglich kollektive Regelung selbst. Andernfalls würde die vor dem Betriebsübergang bestehende Rechtsposition der Arbeitnehmer durch den Betriebsübergang nicht nur nicht verschlechtert, sondern verbessert. Dies ist mit Sinn und Zweck von § 613a Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren und wird auch von der EG-Betriebsüber-gangsrichtlinie nicht gefordert ( - BAGE 98, 323, 332 ff., zu A II 1 der Gründe).
Folge der Ablösung ist, dass die spätere Betriebsvereinbarung an die Stelle der individualrechtlich fortgeltenden früheren Regelung tritt. Die auf § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB beruhende individualrechtliche Position der übernommenen Arbeitnehmer entfällt gänzlich und wird einschließlich des Geltungsgrunds durch die neue kollektive Regelung ersetzt. Die individualrechtliche Position lebt deshalb auch nach einer Kündigung der sie ablösenden kollektiven Regelung nicht etwa wieder auf.
3. Die BV 1996 scheidet als Grundlage für den Klageanspruch gleichfalls aus. Ihre Regelungen haben für die Zeit nach dem ihre Wirkung verloren.
a) Die anspruchsbegründenden Bestimmungen der BV 1996 haben allerdings bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gegolten und waren nicht etwa von Beginn an unwirksam. Zwar hat der Senat in einem vom Betriebsrat der Beklagten zu 2) eingeleiteten Beschlussverfahren auf die Unwirksamkeit von Nr. 2.2 BV 1996 erkannt ( - 1 ABR 66/98 - AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67, zu B II 6 der Gründe). Die Abweisung des weitergehenden, auf die Unwirksamkeit aller Regelungen gerichteten Feststellungsbegehrens schon durch das Arbeitsgericht ist jedoch rechtskräftig geworden. Mangels Vorbringens von möglichen Unwirksamkeitsgründen, die nicht schon im Rahmen des damaligen Beschlussverfahrens einer gerichtlichen Prüfung unterlegen hätten, ist für das vorliegende Urteilsverfahren davon auszugehen, dass die übrigen Regelungen der BV 1996 wirksam zustande gekommen sind.
b) Die Beklagte zu 2) hat die BV 1996 unter Einhaltung der dreimonatigen Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG wirksam zum gekündigt. Dazu war sie berechtigt, weil in der BV 1996 anderes nicht geregelt war. Weitere Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung bestehen nicht, insbesondere bedarf die Kündigung keines sachlichen Grundes ( - BAGE 75, 16, 18 ff., zu 1 a der Gründe).
c) Mit Ablauf der Kündigungsfrist hat die BV 1996 ihre Geltung verloren; sie wirkt nicht nach.
aa) Nach § 77 Abs. 6 BetrVG kommt die Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung nur dann in Betracht, wenn die in ihr getroffene Regelung eine Angelegenheit der sog. erzwingbaren Mitbestimmung betrifft. Ist die Angelegenheit nur der freiwilligen Mitbestimmung zugänglich, wirkt die getroffene Regelung nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach. Darauf, ob die Betriebsvereinbarung einvernehmlich geschlossen wurde oder auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhte, kommt es nicht an ( - BAGE 66, 8, 11, zu B II 1 der Gründe).
bb) Als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kommen in Ansehung des Gegenstands der BV 1996 allein Fragen der betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht. Das Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift betrifft insbesondere die Aufstellung von (neuen) Entlohnungsgrundsätzen. Gegen-stand des Mitbestimmungsrechts sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsnormen. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts ist dagegen nicht mitbestimmungspflichtig (BAG GS - GS 2/90 - BAGE 69, 134; - BAGE 101, 288, 294, zu III 2 der Gründe mwN).
Der Betriebsrat kann nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Gewährung bestimmter Entgeltleistungen an die Beschäftigten verlangen, zu denen der Arbeitgeber gesetzlich oder (tarif-)vertraglich nicht verpflichtet ist. Der Arbeitgeber ist vielmehr frei in seiner Entscheidung darüber, ob er solche freiwilligen Leistungen erbringt. Er kann ferner mitbestimmungsfrei entscheiden, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen Zweck er mit ihnen verfolgt und wie der begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt werden soll. Im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt erst die Erstellung des sog. Leistungsplans, also die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander bestimmt werden sollen, der Mitbestimmung ( - BAGE 98, 323, 334 f., zu A II 2 a der Gründe mwN; - 1 ABR 73/89 - BAGE 66, 8, 11, zu B II 2 der Gründe mwN).
So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er freiwillige Leistungen überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei über ihre vollständige Einstellung befinden. Der Umstand, dass der Betriebsrat über die Erstellung des Leistungsplans mitzubestimmen hat, ändert daran nichts. Der Arbeitgeber kann mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts nicht gezwungen werden, eine freiwillige Leistung länger zu erbringen, als er auf Grund der in der Betriebsvereinbarung selbst eingegangenen Bindung verpflichtet ist ( - BAGE 66, 8, 14, zu B II 3 der Gründe). Fällt die Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers infolge der Kündigung der Betriebsvereinbarung weg, ist für einen mitbestimmten Verteilungsplan kein Raum mehr. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung scheidet dann aus ( - aaO, zu B II 2 a, 3 der Gründe; - 1 AZR 46/93 - BAGE 75, 16, 21, zu 2 a der Gründe).
cc) Etwas anderes gilt dann, wenn der Arbeitgeber die freiwillige Leistung nicht völlig zum Erlöschen bringen will, sondern die Kündigung der Betriebsvereinbarung nur zu einer Verringerung des Volumens der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel und zugleich zu einer Veränderung des Verteilungsplans führen soll. In diesen Fällen wirkt die Betriebsvereinbarung nach. Soll mit der Kündigung die Verringerung des Volumens für die freiwillige Leistung aus der Betriebsvereinbarung und die Änderung des Verteilungsplans erreicht werden, ist der mitbestimmungspflichtige Teil der Betriebsvereinbarung betroffen. Sinn der Nachwirkung des § 77 Abs. 6 BetrVG wiederum ist, aus der Mitbestimmungspflichtigkeit einer Regelung die Konsequenz zu ziehen, dass trotz Kündigung der betreffenden Betriebsvereinbarung die mitbestimmte Regelung weitergilt ( - BAGE 66, 8, 15, zu B II 4 der Gründe). Weil nur die gesamte Betriebsvereinbarung nachwirken kann, führt die Anwendung von § 77 Abs. 6 BetrVG bei teilmitbestimmten einheitlichen Betriebsvereinbarungen zur Nachwirkung auch des mitbestimmungsfreien Teils.
Darin liegt zwar eine gewisse überschießende Wirkung. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, bei teilweise mitbestimmungspflichtigen Betriebsvereinbarungen gebe es selbst dann keine Nachwirkung, wenn mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Volumens und eine Änderung des Leistungsplans beabsichtigt ist. Vielmehr ersetzt auch in diesen Fällen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bei dem Spruch über eine die Nachwirkung ablösende Betriebsvereinbarung hat die Einigungsstelle allerdings das vom Arbeitgeber für die freiwillige Leistung weiterhin zur Verfügung gestellte Volumen als mitbestimmungsfreie Vorgabe ihrer Verteilungsentscheidung zugrunde zu legen ( - BAGE 75, 16, 22 f., zu 2 b der Gründe; - 1 AZR 208/95 - BAGE 81, 38, 45, zu III 1 der Gründe).
Im Streitfall hat die Beklagte zu 2) mit der Kündigung der BV 1996 nicht nur den Umfang der für die Begünstigten bereitgestellten Mittel unter Veränderung des Leistungsplans kürzen wollen. Sie wollte vielmehr die Sonderzahlungen nach der BV 1996 gänzlich einstellen. Dazu bedurfte sie bezüglich des von der BV 1996 erfassten Personenkreises nach den vorstehenden Grundsätzen keiner Zustimmung des Betriebsrats.
dd) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Gruppe der nach dem eingestellten Mitarbeiter eine Sonderzahlung weiterhin erhält. Die von der Beklagten zu 2) zu diesem Zweck bereitgestellten Mittel waren von Beginn an ausschließlich für diesen Beschäftigtenkreis bestimmt. Sie sind deshalb nicht Teil eines einheitlichen Gesamtbudgets, das die Beklagte zu 2) unaufgegliedert sowohl für die nach der BV 1996 als auch für die nach der "Gehaltsordnung" vom September 1992 erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt hätte und über dessen Verteilung nur ein einheitlicher Leistungsplan entscheiden könnte. Sie sind vielmehr Teil des für die nach dem eingestellten Mitarbeiter geltenden eigenständigen Vergütungssystems und vom Schicksal der Leistungen nach der BV 1996 unabhängig. Eine solche Aufgliederung der Entlohnungssysteme ist zulässig.
(1) Es ist einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht verwehrt, im selben Betrieb mehrere voneinander unabhängige Vergütungssysteme anzuwenden. Allerdings darf er damit nicht gegen den Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen. Dieser besteht darin, die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten und willkürlichen Lohngestaltung zu schützen. Es sollen das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig gestaltet und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit gewahrt werden ( - BAGE 101, 288, 294, zu III 2 der Gründe mwN; - 1 ABR 20/95 - AP BetrVG 1972 Lohngestaltung Nr. 81 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 53, zu B II 2 b der Gründe).
Die Verteilungsgerechtigkeit ist dabei regelmäßig nur mit Hilfe einer vergleichenden Wertung des gesamten betrieblichen Entgeltgefüges zu erreichen. Der Arbeitgeber kann den Gegenstand eines solchen Vergleichs und damit die Tragweite des Mitbestimmungsrechts nicht dadurch einschränken, dass er die Belegschaft in beliebige Gruppen von Arbeitnehmern aufspaltet, für die er jeweils unterschiedliche Entgeltsysteme vorsieht ( - AP BetrVG 1972 Lohngestaltung Nr. 81 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 53).
(2) Im Streitfall beruht die Bildung der beiden Beschäftigtengruppen auf sachlichen Gründen und ist deshalb gerechtfertigt.
Die "LBO-Mitarbeiter" der Beklagten zu 2) sind die bis zum beim R beschäftigten und mit Wirkung vom von ihr übernommenen Arbeitnehmer. Deren Gehalt orientierte sich an der Landesbesoldungsordnung NRW, ihnen kamen Leistungen aus der beim R geltenden BV 1981 zugute und sie hatten Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung. Bindungen, wie sie sie insoweit auf Grund des Betriebsübergangs übernommen hatte, wollte die Beklagte zu 2) nicht auch gegenüber ihren neuen, nach dem eingestellten Mitarbeitern eingehen. Dementsprechend vergütete sie diese nach der von ihr selbst aufgestellten "Gehaltsordnung" vom September 1992. Tatsachen, aus denen auf eine rechtliche Unwirksamkeit dieser Differenzierung zu schließen wäre, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Insbesondere war ein Betriebsrat bei Einführung der "Gehaltsordnung" im Betrieb der Beklagten zu 2) noch nicht gebildet.
Das Bestreben, gegenüber neu eingestellten Mitarbeitern ein neues Vergütungssystem im Betrieb einzuführen, stellt mitbestimmungsrechtlich einen sachlichen Grund für die entsprechende Aufteilung der Belegschaft dar. Es spaltet diese nicht willkürlich in verschiedene Gruppen, um dadurch einer auf den gesamten Betrieb bezogenen vergleichenden Wertung des Lohngefüges zu entgehen. Es führt lediglich zu einer sowohl an einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers als auch am Schutz von Besitzständen der Arbeitnehmer orientierten Teilung der Belegschaft in Mitarbeiter, die bereits vor einem bestimmten Stichtag, und solche, die erst danach eingestellt wurden. Weitergehende Differenzierungen innerhalb der jeweiligen Beschäftigtengruppe sind damit nicht verbunden.
ee) Bestehen aus sachlich gerechtfertigten Gründen unterschiedliche Vergütungssysteme im Betrieb, ist die weitere Entwicklung dieser Systeme im Verhältnis zueinander nicht Gegenstand der Überprüfung nach den Maßstäben innerbetrieblicher Entgeltgerechtigkeit ( - BAGE 98, 323, 336, zu A II 2 c der Gründe). Das schließt es aus, dass bei der Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Entscheidungen der Beklagten zu 2), die Sonderzahlung nach Maßgabe der BV 1996 für die "LBO-Mitarbeiter" gänzlich zu streichen, die Sonderzahlung an die sonstigen Mitarbeiter nach der "Gehaltsordnung" vom September 1992 aber beizubehalten, als einheitlicher Regelungsgegenstand angesehen und deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen werden (vgl. für die unterschiedliche Anrechnung von Tariferhöhungen - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 81 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 53, zu B II 2 b der Gründe).
Anders als die Klägerin gemeint hat, steht dem nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2) mit den Sonderzahlungen in beiden Vergütungssystemen dasselbe Ziel der Belohnung von Betriebstreue verfolgt haben dürfte. Es liegt in der Konsequenz der Eigenständigkeit zweier Vergütungssysteme, dass ein systemübergreifender bewertender Vergleich einzelner Arbeitgeberleistungen mitbestimmungsrechtlich nicht geboten ist. Die Streichung der Leistungen nach der BV 1996 war deshalb nicht mitbestimmungspflichtig; ihre Regelungen haben nach dem nicht kraft Nachwirkung weitergegolten.
4. Der Klageanspruch folgt auch nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Ein Arbeitgeber ist individualrechtlich nicht gehindert, die gleiche Tätigkeit von Arbeitnehmern ungleich zu vergüten. Der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage. Vielmehr besteht in Fragen der Vergütung Vertragsfreiheit, die lediglich durch verschiedene rechtliche Bindungen wie Diskriminierungsverbote und tarifliche Mindestentgelte eingeschränkt ist. Andernfalls bedürfte es nicht einer Vorschrift wie in § 612 Abs. 3 BGB, der zufolge in einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder gleichwertige Arbeit bei der Höhe der Vergütung nicht wegen des Geschlechts der Arbeitnehmer differenziert werden darf ( - AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83, zu I der Gründe). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitnehmer nur, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppen und eine sachfremde Gruppenbildung ( - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79).
Ein solcher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt im Streitfall nicht vor. Die Beklagte zu 2) hat mit allen seit dem eingestellten Arbeitnehmern das neue Vergütungssystem vereinbart. Dies beruht auf ihrer Entscheidung, ab diesem Zeitpunkt gegenüber neu eingestellten Mitarbeitern früher übliche vergütungsrechtliche Bindungen nicht mehr zu begründen. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist individualrechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt vom selbst gesetzten Stichtag an den Sachgrund für eine Ungleichbehandlung der Beschäftigten in sich. Schon angesichts des ständigen Wandels der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist der Arbeitgeber nicht aus Gleichbehandlungsgründen verpflichtet, einmal vereinbarte Vertragsinhalte auch künftigen Einstellungen immer wieder zugrunde zu legen ( - BAGE 101, 288, 293 f., zu II der Gründe).
Selbst wenn für einen Vergleich der beiden Beschäftigtengruppen nicht ohnehin auf das jeweilige Gesamtentgelt abzustellen wäre, das möglicherweise für die "LBO-Mitarbeiter" trotz Wegfalls der Leistungen aus der BV 1996 weiterhin höher ausfällt als für die übrigen Beschäftigten, vermag die Klägerin den Klageanspruch deshalb nicht auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu stützen. Auch weitere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.
II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung 1999 gegen die Beklagte zu 1).
Ein solcher Anspruch gegen die Beklagte zu 1), auf die das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Wirkung vom nach § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist, würde voraussetzen, dass die Klägerin noch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs den betreffenden Anspruch gegenüber der Beklagten zu 2) besaß. Dies war nicht der Fall.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 2529 Nr. 46
DB 2004 S. 1508 Nr. 27
WAAAB-93447
1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein