Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrVG § 75 Abs. 1 Satz 1; BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2; InsO § 123 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: ArbG Bochum 4 Ca 3510/02 vom LAG Hamm 2 Sa 1723/03 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
Der Kläger war seit dem bei der R GmbH & Co. KG als Betonbauer im Betrieb S beschäftigt. Die R GmbH & Co. KG befasste sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Beton- und Stahlbetonprodukten für Kanalisationssysteme. Sie unterhielt Betriebe an sieben Standorten und beschäftigte etwa 350 Arbeitnehmer. Am wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Beklagte und der bei der Insolvenzschuldnerin errichtete Gesamtbetriebsrat schlossen am einen Interessenausgleich, in dem es ua. heißt:
"I.
... Die zu erwartenden Verluste und die fehlenden Liquidität schließen eine wirtschaftliche Sanierung der Schuldnerin aus eigener Kraft aus, und eine Betriebsfortführung über den hinaus ist nicht zu vertreten.
Es soll eine übertragende Sanierung derart stattfinden, daß das Anlage- und Vorratsvermögen an eine Auffanggesellschaft übertragen wird, die den Geschäftsbereich der Schuldnerin teilweise fortführt, wie folgt:
Die Betriebsstätten M und S werden stillgelegt.
Die Betriebsstätte H wird in die Betriebsstätte Mü verlegt.
Die Betriebsstätten I, Id und D bleiben bestehen mit verminderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Durchführung dieser übertragenden Sanierung, die zum Erhalt von 177 Arbeitsplätzen führt, macht die Kündigung von 173 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern notwendig.
..."
Ebenfalls am vereinbarten der Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
"I.
...
1. Der Sozialplan gilt ausschließlich für solche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die am in einem Arbeitsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin standen.
Keine Ansprüche aus dem Sozialplan haben:
...
- Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis infolge der Betriebsänderung auf einen Übernehmer übergeht oder nicht übergeht, weil der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a BGB widerspricht.
2. Arbeitnehmer, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Betriebsänderung arbeitgeberseitig oder durch Auflösungsvertrag erfolgt, nehmen wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes und zur Milderung der damit verbundenen sozialen Härten am Sozialplan teil und erhalten eine Abfindung.
...
III.
...
Für Mitarbeiter, die aus Anlaß ihres Ausscheidens eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben, oder einen Einstellungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer geltend machen, ruhen die Ansprüche aus diesem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits. ..."
Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum . Am verkaufte er das gesamte Anlage- und Vorratsvermögen der Insolvenzschuldnerin mit Wirkung vom an eine Auffanggesellschaft, die E B GmbH & Co. KG. Diese veräußerte noch am selben Tag ohne Wissen des Beklagten den Betrieb S an die B Kanalsystem GmbH. Der Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom von der Arbeitsleistung frei. Die B Kanalsystem GmbH führte den Betrieb S auf dem bisherigen Betriebsgelände mit den bisherigen Betriebsmitteln unter Nutzung der vorhandenen Betriebsstrukturen fort. Am schloss sie mit etwa 70 % der zuvor im Betrieb S beschäftigten Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge, darunter auch mit dem Kläger. Die finanziellen Bedingungen waren für diesen ungünstiger als bei der Insolvenzschuldnerin; die dort zurückgelegte Betriebszugehörigkeit wurde nicht angerechnet. Mit Rundschreiben vom teilte der Beklagte den Beschäftigten des Standorts S mit, dass er wegen der Fortführung des Betriebs deren Sozialplanansprüche nicht erfüllen werde und forderte sie auf, gegenüber der B Kanalsystem GmbH Wiedereinstellungsansprüche geltend zu machen.
Der Kläger hat mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, er habe aus dem Sozialplan einen Abfindungsanspruch in - rechnerisch unstreitiger - Höhe von 23.700,00 Euro. Dem stehe die Ausschlussregelung in Nr. I. 1. des Sozialpans nicht entgegen. Sein Arbeitsverhältnis sei nicht im Sinne dieser Bestimmung infolge der Betriebsänderung auf einen Übernehmer übergegangen. Ein Betriebsübergang habe nicht stattgefunden, weil der Betrieb einen Monat stillgelegen und die Produktpalette sich geändert habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 23.700,00 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sozialplanabfindung sei nach Nr. I. 1. des Sozialplans ausgeschlossen, da das Arbeitsverhältnis infolge Betriebsübergangs auf die B Kanalsystem GmbH übergegangen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, dass anstelle der Verurteilung zur Leistung die Feststellung der Klageforderung als Masseverbindlichkeit begehrt wird. Hinsichtlich des Zinsanspruchs für die Zeit vom bis zum hat er die Klage in der Verhandlung vor dem Senat mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen.
Der Beklagte hat im Revisionsverfahren geltend gemacht, am sei zwischen ihm und dem Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung zur "Anpassung zum Sozialplan vom " geschlossen worden, durch die klargestellt worden sei, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung habe. In der Anpassungsvereinbarung heißt es ua.:
"...
4. Die Betriebsparteien stellen klar, daß mit dem Sozialplan vom geregelt werden sollte, daß auch die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse vor Stillegung des Geschäftsbetriebes infolge eines Betriebsüberganges auf einen Betriebsteilerwerber übergehen, keine Ansprüche aus dem Sozialplan haben. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß ein Betriebsübergang von der Insolvenzschuldnerin auf die Auffanggesellschaft und von der Auffanggesellschaft auf andere Unternehmen stattfindet.
5. Hilfsweise für den Fall, daß der unter Ziffer 3 und 4 dargestellte Sachverhalt nicht von Ziffer I des Sozialplans vom erfaßt wird, vereinbaren die Betriebsparteien unter Berücksichtigung der geänderten Umstände ergänzend, daß auch diejenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen keine Ansprüche aus dem Sozialplan haben, deren Arbeitsverhältnis vor Stillegung des Geschäftsbetriebes infolge eines Betriebsüberganges von der Auffanggesellschaft, der Firma E B GmbH & Co. KG, auf einen Betriebsteilerwerber übergeht."
Der Kläger hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats zu der Anpassungsvereinbarung bestritten. Auch liege kein zu einer Anpassung des Sozialplans berechtigender Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Im Übrigen könne ihm aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit der 2002 entstandene Anspruch zwei Jahre später nicht mehr entzogen werden.
Gründe
Die Revision des Beklagten war mit der vom Kläger begehrten Maßgabe zurückzuweisen. Die Vorinstanzen haben der Klage in der Sache zu Recht entsprochen. Der Kläger hat gegen den Beklagten den geltend gemachten Sozialplananspruch. Der Anspruch besteht auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 613a BGB auf die B Kanalsystem GmbH übergegangen sein sollte.
A. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Feststellungsantrag zulässig.
I. Der Kläger besitzt an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse. Dem steht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei Forderungen aus einem nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO um Masseforderungen, die nach § 53 InsO vorweg zu befriedigen sind. Nach § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO ist aber eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig. Ein entsprechender Leistungstitel stellt demnach dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage dar. Die allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum hält aus diesem Grund eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm abgeschlossenen Sozialplan für unzulässig und verweist den Gläubiger auf den Weg der Feststellungsklage (vgl. insb. - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1, zu II 3 der Gründe; - 10 AZR 275/01 - BAGE 102, 82, zu II 1 a der Gründe; - BGHZ 154, 358, zu II 1 der Gründe mwN). Einer solchen Klage kann deshalb das Feststellungsinteresse nicht versagt werden (vgl. - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 4, zu I der Gründe; - 1 AZR 541/02 - BAGE 107, 91, zu A I der Gründe m. Anm. Oetker).
II. Der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage ist im Streitfall ausnahmsweise auch im dritten Rechtszug zulässig.
1. Allerdings ist eine Änderung des Sachantrags in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht möglich. Dort können neue prozessuale Ansprüche nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden ( - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2, zu II 1 der Gründe mwN). Der Schluss der Berufungsverhandlung bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Urteilsgrundlage für das Revisionsgericht ( - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu III der Gründe). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann aber aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn es sich um eine Änderung des Klageantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO handelt und der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt gestützt wird ( - aaO). Dies ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die beklagte Partei gegen die Antragsänderung keine Einwendungen erhebt, ihre Verfahrensrechte - darunter vor allem dasjenige auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht verkürzt werden und die Antragsänderung darauf beruht, dass die Vorinstanzen einen nach § 139 Abs. 1 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen haben. Jedenfalls in einem solchen Fall ist es angezeigt, den Parteien eine andernfalls erforderliche Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht oder gar eine erneute erstinstanzliche Anrufung der Gerichte für Arbeitssachen zu ersparen (vgl. zur Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 112 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen <zVv.>., zu B III 1 a aa der Gründe; - 1 ABR 37/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 29 = EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 2, zVv., zu B I 1 a der Gründe).
2. So liegt der Fall hier. Bei dem vorliegenden Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage handelt es sich um eine Beschränkung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO. Der geänderte Antrag stützt sich auf den von dem Landesarbeitsgericht bereits festgestellten Lebenssachverhalt. Rechte des Beklagten werden nicht verkürzt. Dieser hat gegen den Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage auch keine Einwendungen erhoben. Die Antragsänderung beruht darauf, dass es die Vorinstanzen unterlassen haben, den Kläger auf die angesichts des Vollstreckungsverbots bestehenden Bedenken an der Zulässigkeit einer Leistungsklage hinzuweisen. Da es sich um eine Beschränkung des Klageantrags handelt, war eine Anschlussrevision des Klägers nicht erforderlich.
B. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach Nr. I. 2. des Sozialplans einen Anspruch auf die - der Höhe nach unstreitige - Sozialplanabfindung. Dem steht die Ausnahmeregelung in Nr. I. 1. des Sozialplans nicht entgegen.
I. Der Anspruch des Klägers folgt aus Nr. I. 2. des Sozialplans. Danach erhalten Arbeitnehmer, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Betriebsänderung arbeitgeberseitig erfolgt, eine Abfindung. Zu diesen gehört der Kläger. Ihm wurde vom Beklagten wegen der beabsichtigten Stilllegung des Betriebs S am zum gekündigt. Auf Grund dieser Kündigung hat das Arbeitsverhältnis geendet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger am mit der B Kanalsystem GmbH einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen hat.
II. Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert der Anspruch nicht an der Bestimmung in Nr. I. 1. des Sozialplans, nach der Arbeitnehmer keinen Anspruch haben, deren Arbeitsverhältnis "infolge der Betriebsänderung auf einen Übernehmer übergeht". Der vorliegende Sachverhalt wird von dieser Ausnahmeregelung nicht erfasst. Das ergibt die Auslegung des Sozialplans.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. - BAGE 103, 312, zu A II 1 der Gründe mwN; - 1 AZR 3/04 - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 13 = NZA 2005, 831, zu 1 der Gründe).
2. Hiernach erfasst die Ausnahmeregelung in Nr. I. 1. des Sozialplans nur die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ungekündigt auf einen Betriebsübernehmer übergeht, sowie solche, bei denen die Wirkungen einer ausgesprochenen Kündigung ersatzlos beseitigt werden und das Arbeitsverhältnis vom Betriebsübernehmer zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird. Nicht erfasst werden die Fälle, in denen ein vom Beklagten auf Grund der Betriebsänderung gekündigtes Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist auf einen Betriebserwerber übergeht und dieser sodann mit dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag zu ungünstigeren Bedingungen schließt. Dies folgt zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut der Ausnahmeregelung, ergibt sich aber aus deren Gesamtzusammenhang, ihrem Sinn und Zweck und dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung.
a) Nach dem Wortlaut des Sozialplans gilt die Ausnahmeregelung für solche Fälle, in denen ein Arbeitsverhältnis "infolge der Betriebsänderung auf einen Übernehmer übergeht". Die Betriebsänderung, deren Nachteile durch den Sozialplan ausgeglichen oder gemildert werden sollen, sind im Streitfall die im Interessenausgleich näher bezeichneten Maßnahmen, also die Stillegung und Verlegung von Betrieben sowie die Reduzierung von Belegschaften. Durch diese Maßnahmen gehen unmittelbar keine Arbeitsverhältnisse auf einen Übernehmer über. Damit verbliebe bei einer streng am Wortlaut haftenden Interpretation für die Ausnahmeregelung keinerlei Anwendungsbereich. Ein solches Ergebnis würde dem mit der Regelung verfolgten Zweck erkennbar nicht gerecht. Zu ihrem Verständnis bedarf es vielmehr einer Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs sowie des Zwecks der Bestimmung.
b) Der Gesamtzusammenhang der Regelung zeigt, dass durch die Ausnahmebestimmung diejenigen Arbeitnehmer von Sozialplanansprüchen ausgenommen werden sollen, denen anlässlich der Betriebsänderung deshalb keine Nachteile entstehen, weil ihr Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 BGB auf einen Betriebserwerber übergeht, oder die einem solchen Übergang widersprechen. Wie sich aus Nr. I. 2. des Sozialplans ergibt, nehmen die Arbeitnehmer wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes und zur Milderung der damit verbundenen sozialen Härten am Sozialplan teil. Dieser Verlust tritt dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis ungekündigt auf einen Betriebserwerber übergeht oder die Folgen einer ausgesprochenen Kündigung ersatzlos beseitigt werden. Geht dagegen das Arbeitsverhältnis in gekündigtem Zustand über und endet es auf Grund der Kündigung, trifft den Arbeitnehmer der Verlust des Arbeitsplatzes, der durch die Abfindung gemildert werden soll, gleichermaßen.
c) Ein solches Verständnis der Ausnahmeregelung entspricht dem Sinn und Zweck des Sozialplans. Dessen Funktion ist es nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen, zumindest zu mildern (vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 174 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 12, zVv., zu B III 2 c aa der Gründe; - 1 AZR 254/04 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 175 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 14, zVv., zu II 1 b bb der Gründe mwN). Solche Nachteile treten nicht ein, wenn Arbeitsverhältnisse ungekündigt auf einen Betriebserwerber übergehen oder die Folgen einer zuvor ausgesprochenen Kündigung ersatzlos beseitigt werden. Sie entstehen dagegen, wenn ein in gekündigtem Zustand übergegangenes Arbeitsverhältnis beim Betriebserwerber auf Grund der Kündigung endet.
d) Dieses Verständnis der Ausnahmeregelung ist auch nach dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung geboten.
aa) Eine Regelung, nach der Arbeitnehmer nur deshalb von einer Abfindung ausgeschlossen werden, weil ihr Arbeitsverhältnis in gekündigtem Zustand noch vor Ablauf der Kündigungsfrist auf einen Betriebserwerber übergeht, wäre mit dem von den Betriebsparteien bei Sozialplänen zu beachtenden betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG nicht vereinbar. Dieser zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 175 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 14, zVv., zu II 1 b aa der Gründe mwN). Eine gleichheitswidrige, sachlich nicht zu rechtfertigende Gruppenbildung läge vor, wenn der Anspruch auf die Sozialplanabfindung in Fällen entfiele, in denen ein wegen der Betriebsänderung gekündigtes Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist auf einen Betriebswerber übergeht und sodann bei diesem auf Grund der Kündigung endet. Der Betriebsübergang lässt in einem solchen Fall die Nachteile, die der Sozialplan ausgleichen soll, völlig unberührt. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach Betriebsübergang auf Grund einer bereits zuvor vom bisherigen Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung endet, erleidet dieselben Nachteile wie der Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis zum selben Kündigungstermin ohne vorherigen Betriebsübergang verliert.
bb) Der Sozialplan enthält auch keine Regelung, die dahin verstanden werden könnte, dass ein gekündigter Arbeitnehmer dann seinen Abfindungsanspruch verlieren soll, wenn er gegen den Betriebserwerber einen möglichen Fortsetzungs- oder Wiedereinstellungsanspruch nicht durchzusetzen versucht. Er bestimmt vielmehr in Nr. III. lediglich, dass für Mitarbeiter, die einen Einstellungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer von sich aus geltend machen, die Ansprüche aus seinen Bestimmungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits ruhen. Im Übrigen wäre eine Sozialplanregelung, die Ansprüche auf Abfindungen davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer erfolglos einen möglichen Betriebserwerber in Anspruch nimmt, unwirksam. Es handelte sich um eine dem Arbeitnehmer unzumutbare, mit § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unvereinbare Bedingung (vgl. - BAGE 107, 100, zu III 1 der Gründe). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als ein Fortsetzungsanspruch gegenüber dem Betriebserwerber jedenfalls im Insolvenzfalle äußert umstritten ist (vgl. dazu näher zuletzt - BAGE 110, 336).
cc) Eine Regelung, die danach differenziert, ob einem auf Grund der Betriebsänderung gekündigten Arbeitnehmer noch während der Kündigungsfrist von einem Betriebserwerber ein neues Arbeitsverhältnis - und sei es zu ungünstigeren Bedingungen - angeboten wird, wäre zwar den Betriebsparteien durch das betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 75 Abs. 1 BetrVG nicht untersagt. Eine derartige Bestimmung haben die Betriebsparteien vorliegend aber nicht getroffen. Es hätte hierzu einer eigenständigen, unmissverständlichen Regelung bedurft. Die dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile sind zwar geringer. Gleichwohl sind sie nicht unerheblich. Zum einen verliert der Arbeitnehmer den mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit wachsenden kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz, zum andern verschlechtern sich seine materiellen Arbeitsbedingungen. Seine Situation unterscheidet sich damit im Wesentlichen nicht von derjenigen des Arbeitnehmers, der bei einem neuen Arbeitgeber einen Arbeitsplatz findet.
e) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Anpassungsvereinbarung vom - ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit - zur Auslegung des Sozialplans nicht herangezogen werden. Grundlage der Auslegung und maßgeblich für die Rechtsanwendung ist der von den Betriebsparteien unterzeichnete Text des Sozialplans. Dies folgt aus § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in Verbindung mit § 77 Abs. 2 BetrVG. (Spätere) Rechtsansichten der Betriebsparteien sind kein Auslegungsmaßstab ( - EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 4 = ZIP 2003, 1414, zu II 3 der Gründe). Diese können einer Regelung durch eine spätere "Klarstellung" nicht nachträglich einen anderen Erklärungsgehalt beimessen.
3. Hiernach steht die Ausnahmeregelung in Nr. I. 1. dem Abfindungsanspruch des Klägers nicht entgegen. Dabei kann zugunsten des Beklagten angenommen werden, dass spätestens am ein Übergang des Betriebs S zunächst auf die Auffanggesellschaft E B GmbH & Co. KG und sodann von dieser auf die B Kanalsystem GmbH stattfand und dabei das Arbeitsverhältnis des Klägers jeweils nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB überging. Der mögliche Übergang des Arbeitsverhältnisses erfolgte aber in gekündigtem Zustand. Der Beklagte hatte dem Kläger am zum gekündigt. Hieran änderte der Betriebsübergang nichts. Dieser machte die Kündigung weder ungeschehen noch unwirksam. Die Folgen dieser Kündigung wurden in der Folgezeit nicht etwa vollständig beseitigt. Daran wäre nur dann zu denken, wenn bei dem neuen zwischen dem Kläger und der B Kanalsystem GmbH am geschlossenen Arbeitsvertrag die bisherige Dienstzeit in vollem Umfang angerechnet worden wäre und sich die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtert hätten. Dies war aber nicht der Fall. Der neue Arbeitsvertrag enthält für den Kläger ungünstigere finanzielle Bedingungen und sieht keine Anrechnung der bisherigen Dienstzeit vor. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Kläger habe gegen die B Kanalsystem GmbH einen Wiedereinstellungs- oder Fortsetzungsanspruch zu unveränderten Bedingungen gehabt. Der Kläger hat einen etwaigen Anspruch nicht geltend gemacht und war hierzu zur Aufrechterhaltung seines Abfindungsanspruchs auch nicht verpflichtet.
III. Der Anspruch des Klägers wurde durch die nach der Behauptung des Beklagten mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossene Anpassungsvereinbarung vom nicht nachträglich beseitigt. Dabei kann dahinstehen, ob der bei der Insolvenzschuldnerin errichtete Gesamtbetriebsrat zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung rechtlich noch existierte, ob er für eine Abänderung des Sozialplans bezüglich der Belegschaft des Betriebs S zuständig war und ob er für die Anpassungsvereinbarung einen ordnungsgemäßen Beschluss gefasst hatte. Auch kommt es nicht darauf an, ob einer im September 2004 vorgenommenen Verschlechterung der Rechte der Arbeitnehmer die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entgegenstünden. Denn auch wenn zugunsten des Beklagten von der Wirksamkeit der Anpassungsvereinbarung vom ausgegangen wird, steht diese dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Die Nr. 4 und 5 der Anpassungsvereinbarung sind nämlich ebenfalls gesetzeskonform dahin auszulegen, dass nur die jeweiligen Arbeitnehmer vom Sozialplan ausgeschlossen sein sollen, deren Arbeitsverhältnisse unverändert unter Anrechnung der bisherigen Dienstzeit und zu denselben Bedingungen von der Beklagten auf die Auffanggesellschaft und von dieser auf einen Betriebserwerber übergehen. Dagegen fallen unter die Vereinbarung nicht die Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis als gekündigtes übergeht und mit dem Betriebserwerber ein neues Arbeitsverhältnis ohne Anrechnung der bisherigen Dienstzeit und zu schlechteren Bedingungen geschlossen wird. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn die Gruppe derjenigen Arbeitnehmer im Betrieb S berücksichtigt wird, deren Arbeitsverhältnis zwar auf die B Kanalsystem GmbH - gekündigt - überging, mit denen aber keine neuen Arbeitsverträge geschlossen wurden. Immerhin waren dies rund 30 % der dortigen Belegschaft. Würde ihnen die Sozialplanabfindung wegen eines möglichen Fortsetzungsanspruchs vorenthalten, verstieße dies gegen § 75 Abs. 1 BetrVG (vgl. - BAGE 107, 100). Eine Differenzierung zwischen dieser Gruppe und der Gruppe der Arbeitnehmer, mit denen die B Kanalsystem GmbH neue Arbeitsverträge abschloss, sieht wiederum auch die Anpassungsvereinbarung vom nicht vor.
Fundstelle(n):
OAAAB-93428
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein