Leitsatz
[1] In Angelegenheiten, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG in vollem Umfang der Mitbestimmung unterliegen, wird der Gesamtbetriebsrat nicht bereits deshalb nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zuständig, weil ein die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit regelnder Tarifvertrag lediglich freiwillige ergänzende Betriebsvereinbarungen zulässt und der Arbeitgeber nur zum Abschluss einer unternehmenseinheitlichen Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat bereit ist.
Gesetze: BetrVG § 50 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: ArbG München 27 BV 211/01 vom LAG München 2 TaBV 23/02 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob eine zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit im Betrieb der Bezirksdirektion H. gilt.
Die Arbeitgeberin, ein Versicherungsunternehmen, unterhält im Bundesgebiet 36 Betriebe, davon 25 Bezirksdirektionen, fünf Niederlassungen, eine Regionaldirektion, drei Vertriebsdirektionen, ein Kunden-Service-Center und die Hauptverwaltung. Mit Ausnahme der Bezirksdirektion M. sind in allen Betrieben Betriebsräte errichtet. Bei der Arbeitgeberin findet auf Grund Verbandszugehörigkeit der zwischen dem Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen und der Gewerkschaft HBV sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft geschlossene Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe vom (MTV) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelung:
"§ 11 Arbeitszeit, Ausgleich für schwere Arbeit
1. Regelmäßige Arbeitszeit
Für die Angestellten im Innendienst (ausgenommen Hausmeister und Heizer) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 38 Stunden in der Woche. Pausen gelten nicht als Arbeitszeit. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag.
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann die Arbeitszeit abweichend davon für alle Angestellten oder für Gruppen von Angestellten einheitlich oder unterschiedlich festgelegt werden. Dabei sind die Erfordernisse des Betriebes und der einzelnen Funktionsbereiche zu berücksichtigen."
Am schlossen Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit, die sog. VK 99. Die örtlichen Betriebsräte, nicht jedoch der Betriebsrat der Bezirksdirektion H., hatten den Gesamtbetriebsrat hiermit beauftragt. Die VK 99 nahm die Bezirksdirektion H. ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich aus. Am 16. März/ schlossen Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat erneut eine Betriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit in den Außenstellen, die sog. VK 122. Ausdrückliche Übertragungsbeschlüsse der örtlichen Betriebsräte hierzu gab es nicht. Die Arbeitgeberin war nur bereit, die Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat abzuschließen. Die VK 122 beansprucht Geltung für alle Außenstellen, also auch für die Bezirksdirektion H. Sie sieht in Nr. 3 für die Niederlassungen Öffnungszeiten an Werktagen (Montag bis Freitag) von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr sowie für die sonstigen Außenstellen von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr vor. In dieser Zeit können nach Nr. 3 Satz 2 VK 122 die Mitarbeiter "ihre tarifvertragliche oder einzelvertragliche geregelte Arbeitszeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen ableisten". Die VK 122 enthält ferner ua. folgende Regelungen:
"4. Servicezeit
4.1 Zur Sicherstellung der Erreichbarkeit wird in den Niederlassungen für die Servicezeiten von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr eine bedarfsorientierte Mindestbesetzung in den einzelnen Arbeitsbereichen in einem Serviceplan (Anlage) festgelegt. Änderungen sind mit dem zuständigen örtlichen Betriebsrat zu beraten. Sofern für Mitarbeiter eine Arbeitszeit bis 18.00 Uhr bzw. 20.00 Uhr in besonders begründeten Ausnahmefällen vorübergehend oder gar längerfristig eine persönliche Härte bedeutet, bedarf es für die Einbeziehung dieser Mitarbeiter in die Mindestbesetzung der Zustimmung des örtlichen Betriebsrates.
4.2 Die Erreichbarkeit in den sonstigen Außenstellen wird bedarfsorientiert durch Absprachen zwischen den Geschäftsleitungen und den örtlichen Betriebsräten über Servicezeiten und Mindestbesetzungsgrade sichergestellt, wobei eine Mindestbesetzung bis 17.00 Uhr gewährleistet sein soll. Sollte sich bis Ende Juni 2002 herausstellen, daß diese Regelung zur Sicherstellung der Erreichbarkeit nicht ausreicht, wird eine am Bedarf orientierte Mindestbesetzung festgelegt. Sofern für Mitarbeiter eine Arbeitszeit innerhalb dieser Servicezeiten in besonders begründeten Ausnahmefällen vorübergehend oder gar längerfristig eine persönliche Härte bedeutet, bedarf es für die Einbeziehung dieser Mitarbeiter in die Mindestbesetzung der Zustimmung des örtlichen Betriebsrates.
...
6. Ausführungsbestimmungen
6.1 Die Anwesenheitszeiten werden beim Betreten oder Verlassen des Dienstgebäudes durch Bedienen der Zeiterfassungsgeräte mit dem Dienstausweis registriert. Eine Vertretung in der Bedienung der Zeiterfassung ist nicht gestattet.
...
6.3 Der Flexibilisierungsrahmen liegt innerhalb der jeweiligen betrieblichen Öffnungszeit (6.30 Uhr bis 20.00 Uhr bei den Niederlassungen und 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr bei den sonstigen Außenstellen). Außerhalb dieses Rahmens und über der täglichen Höchstarbeitszeit liegende Arbeitszeiten werden nicht bewertet. ..."
Die Verwaltung der individuellen Arbeitszeit erfolgt bei der Arbeitgeberin überwiegend durch den Einsatz der Software "Intarap". Die Arbeitgeberin hat mit den örtlichen Betriebsräten Betriebsvereinbarungen über die Einführung dieses Systems geschlossen. Dies gilt nicht für die Bezirksdirektionen H. und D. Dort findet das elektronische Zeiterfassungssystem keine Anwendung. Im Innendienst der Bezirksdirektion H. gibt es keinen unmittelbaren Kundenkontakt. Dieser wird vielmehr durch Außendienstmitarbeiter, das Call-Center und die Niederlassung B. wahrgenommen.
Der Betriebsrat der Bezirksdirektion H. hat geltend gemacht, die VK 122 sei in diesem Betrieb nicht anwendbar. Der Gesamtbetriebsrat sei jedenfalls insoweit für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht zuständig gewesen. Es bestehe keine Notwendigkeit zu einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden, die Bezirksdirektion H. erfassenden Regelung. Die Bezirksdirektion H. sei nicht in eine überbetriebliche "Verzahnung" der Arbeitsabläufe eingebunden.
Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, dass die seitens des Gesamtbetriebsrats und der Arbeitgeberin unter dem abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die flexible Arbeitszeit in den Außenstellen der Krankenversicherung AG nicht für die Mitarbeiter des Betriebes der Bezirksdirektion H. gilt.
Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat haben beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Beide haben die Auffassung vertreten, der Gesamtbetriebsrat sei zum Abschluss der VK 122 auch bezüglich der Bezirksdirektion H. zuständig gewesen, weil die Betriebsvereinbarung nach § 11 Nr. 1 Abs. 2 MTV nur freiwillig habe abgeschlossen werden können und die Arbeitgeberin nur zum Abschluss einer unternehmenseinheitlichen Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat bereit gewesen sei. Die Arbeitgeberin hat darüber hinaus und insoweit abweichend vom Gesamtbetriebsrat die Auffassung vertreten, dieser sei auch deshalb für den Abschluss der VK 122 zuständig gewesen, weil eine unternehmenseinheitliche Regelung der Arbeitszeiten notwendig sei. Hierzu hat die Arbeitgeberin auf die betriebsübergreifende elektronische Arbeitszeiterfassung und den Umstand verwiesen, dass sie gegenüber den Kunden bundesweit mit einer Servicezeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr werbe. Außerdem ergebe sich ein zwingendes Erfordernis nach einer unternehmenseinheitlichen Regelung aus der betriebsübergreifenden Arbeitsteilung.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass Nr. 6.1 der VK 122 nicht für die Beschäftigten der Bezirksdirektion H. gilt, und den Antrag im Übrigen abgewiesen. Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat haben gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts keine Rechtsmittel eingelegt. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dessen Antrag auch im Übrigen entsprochen. Hiergegen wenden sich der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin mit der Rechtsbeschwerde. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats zu Recht in vollem Umfang entsprochen. Die VK 122 findet in der Bezirksdirektion H. keine Anwendung. Der Gesamtbetriebsrat war insoweit für den Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht zuständig.
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit ihm will der Betriebsrat nicht die Unwirksamkeit der VK 122 insgesamt, sondern lediglich deren Unanwendbarkeit auf die Beschäftigten der Bezirksdirektion H., also eine relative Unwirksamkeit festgestellt wissen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Antrags und wurde vom Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Eine auf die Unanwendbarkeit der Betriebsvereinbarung in der Bezirksdirektion H. beschränkte Feststellung ist möglich und sachgerecht. Die Frage der Geltung der VK 122 lässt sich nicht etwa zwingend nur einheitlich für alle Betriebe der Arbeitgeberin beantworten. Vielmehr ist es durchaus möglich, dass die VK 122 in manchen Außenstellen zur Anwendung kommt, in anderen dagegen nicht. Dies kann sich zum einem aus einer unterschiedlichen Beauftragung des Gesamtbetriebsrats durch die örtlichen Betriebsräte nach § 50 Abs. 2 BetrVG ergeben. Zum anderen ist es auch möglich, dass sich die Frage einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG nicht für alle Betriebe einheitlich beantworten lässt. So ist es insbesondere nicht ausgeschlossen, dass zwar keine unternehmenseinheitliche Regelung für alle Betriebe der Arbeitgeberin, wohl aber eine betriebsübergreifende Regelung für mehrere Betriebe zwingend erforderlich ist.
2. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er macht geltend, durch die VK 122 in seiner Regelungsbefugnis und damit in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition verletzt zu sein.
3. Der Betriebsrat hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung. Für ihn ist von unmittelbarer rechtlicher Bedeutung, ob die VK 122 in der Bezirksdirektion H. Anwendung findet. Die "Geltung" der VK 122 in der Bezirksdirektion H. ist insoweit ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis.
4. Bei dem auf die Feststellung der relativen Unwirksamkeit der VK 122 beschränkten Verständnis des Antrags werden die anderen, vom Senat vorsorglich angehörten Betriebsräte der Arbeitgeberin durch das Verfahren nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung berührt. Sie haben sich auch weder geäußert, noch Anträge gestellt.
II. Der Antrag ist begründet. Der Gesamtbetriebsrat war nicht befugt, mit der Arbeitgeberin eine die Bezirksdirektion H. erfassende Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit abzuschließen. Er war mit dem Abschluss weder nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vom Betriebsrat der Bezirksdirektion H. beauftragt, noch besaß er hierzu die originäre Kompetenz nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dies hat die Unanwendbarkeit der VK 122 in der Bezirksdirektion H. zur Folge.
1. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig ist, liegen jedenfalls bezüglich der Bezirksdirektion H. nicht vor.
a) Zwar betrifft die VK 122 alle Betriebe des Unternehmens. Für eine unternehmenseinheitliche Regelung bestand aber entgegen der von der Arbeitgeberin - nicht dagegen vom Gesamtbetriebsrat - vertretenen Auffassung objektiv kein zwingendes Erfordernis.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Gesamtbetriebsrat dann das Mitbestimmungsrecht zu, wenn und soweit ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht ( - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17, zu B I 3 der Gründe; - 1 AZR 193/01 - BAGE 100, 60, 65 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 22 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 18, zu II 1 a der Gründe; - 1 ABR 10/01 - BAGE 100, 157, 163 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 19, zu B III 3 a bb (1) der Gründe). Ein zwingendes Erfordernis kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben. Eine produktionstechnische Notwendigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn ohne einheitliche Regelung eine technisch untragbare Störung eintreten würde ( - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 1, zu II 5 der Gründe). Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe ( aaO). Die bloße Zweckmäßigkeit einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung begründet in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats allein ebenso wenig wie ein Kosteninteresse des Arbeitgebers ( aaO mwN). Auch ein Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers oder sein Wunsch nach einer unternehmenseinheitlichen Regelung genügen allein nicht ( aaO).
bb) Hiernach bestand vorliegend kein zwingendes Erfordernis für eine die Bezirksdirektion H. einbeziehende betriebsübergreifende Regelung.
(1) Die Auffassung der Arbeitgeberin, eine unternehmenseinheitliche Regelung der Arbeitszeit sei deshalb erforderlich, weil sie bundesweit mit einer Servicezeit von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr werbe, überzeugt jedenfalls für die Bezirksdirektion H. nicht. Zum einen gelten die Servicezeiten nach Nr. 4.1 und 4.2 VK 122 ohnehin nur für die Niederlassungen und nicht für die Bezirksdirektionen. Zum andern gibt es in der Bezirksdirektion H. keinen unmittelbaren Kundenkontakt.
(2) Ebenso unschlüssig ist hinsichtlich der Bezirksdirektion H. die Behauptung der Arbeitgeberin, eine unternehmenseinheitliche Regelung der Arbeitszeit sei wegen der EDV-gestützten Arbeitszeiterfassung erforderlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung einer vernetzten elektronischen Arbeitszeiterfassung aus technischen Gründen überbetrieblich geregelt werden muss (vgl. zur Einführung eines unternehmenseinheitlichen Telefonsystems - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17) oder ob ein betriebsübergreifendes elektronisches Zeiterfassungssystem notwendig eine überbetriebliche Arbeitszeitregelung bedingt. Die Bezirksdirektion H. ist nicht an das über die Software "Intarap" gesteuerte elektronische Zeiterfassungssystem der Arbeitgeberin angeschlossen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Unanwendbarkeit der Nr. 6.1 VK 122, welche die Zeiterfassung mittels Dienstausweises regelt, für die Bezirksdirektion H. festgestellt, ohne dass diese Feststellung von der Arbeitgeberin angegriffen worden wäre.
(3) Ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende, die Bezirksdirektion H. einbeziehende Regelung der Arbeitszeit ergibt sich auch nicht aus einer Arbeitsteilung zwischen der Bezirksdirektion H. und anderen Betrieben. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine betriebsübergreifende Arbeitszeitregelung dann erforderlich ist, wenn die Arbeitsabläufe überbetrieblich in zeitlicher Hinsicht derart eng "verzahnt" und voneinander abhängig sind, dass ohne eine überbetriebliche Koordinierung untragbare Störungen eintreten. Eine derartige wechselseitige zeitliche Abhängigkeit zwischen den Arbeitsabläufen in der Bezirksdirektion H. und den Arbeitsabläufen in anderen Bezirksdirektionen oder Niederlassungen ist jedoch nicht erkennbar. Das diesbezügliche pauschale Vorbringen der Arbeitgeberin ist substanzlos. Daher ist auch ihre Rüge unbegründet, das Landesarbeitsgericht habe die sich aufdrängende Sachverhaltsermittlung nicht betrieben. Die Arbeitgeberin hat nicht dargetan, was sie zu der angeblichen betriebsübergreifenden Arbeitsteilung noch hätte vortragen wollen und können.
b) Entgegen der von Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat gemeinsam vertretenen Auffassung ergibt sich die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für eine unternehmenseinheitliche Regelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der "subjektiven Unmöglichkeit", entsprechende Regelungen auf betrieblicher Ebene abzuschließen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung der Gesamtbetriebsrat dann zuständig, wenn der Arbeitgeber zu einer Maßnahme nur unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend bereit ist ( - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 70 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 47, zu B II 1, 2 b der Gründe; - 1 ABR 4/95 - BAGE 80, 366, 372 = AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 29 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 21, zu B I 2 b der Gründe; - 1 ABR 7/00 - EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 72, zu B II 2 der Gründe; vgl. auch - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17, zu B I 3 der Gründe). Wenn der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er eine Leistung überhaupt erbringt, kann er sie von einer überbetrieblichen Regelung abhängig machen und so die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen. Dies gilt vor allem bei der Gewährung freiwilliger Zulagen (vgl. aaO; aaO; aaO), aber auch bei anderen Gegenständen, die nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen (vgl. aaO; - 3 ABR 26/02 -, zu B I 1 der Gründe), also insbesondere bei Maßnahmen nach § 88 BetrVG.
Dagegen gilt dies nicht, soweit die nach § 87 Abs. 1 BetrVG notwendige Mitbestimmung reicht. Hier kann der Arbeitgeber die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht dadurch begründen, dass er eine betriebsübergreifende Regelung verlangt ( - BAGE 80, 366 = AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 29 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 21; - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17). Ebenso wenig können Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat die Zuständigkeit der einzelnen Betriebsräte abbedingen. Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist in Angelegenheiten, die in vollem Umfang der Mitbestimmung unterliegen, vielmehr zwingend ( aaO; aaO).
Auch ein Tarifvertrag kann keine von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung abweichende Regelung treffen (vgl. - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 10, zu B II 1 der Gründe; - 4 ABR 40/97 - BAGE 90, 135, 146 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 16, zu B IV 5 b aa der Gründe; - 3 ABR 26/02 -, zu B I 3 der Gründe). Die Tarifvertragsparteien können allerdings die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst umfassend regeln und sie dadurch gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG der Regelungskompetenz der Betriebsparteien entziehen. Sie können auch eigene Regelungen treffen und zugleich nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG - unter bestimmten Voraussetzungen und möglicherweise gegenständlich beschränkt - den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen. Mit einer solchen Öffnungsklausel können sie die Regelungsbefugnis in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten an die Betriebsparteien begrenzt "zurückgeben". Eine solche Begrenzung kann auch darin liegen, dass den Betriebsparteien nur eine "freiwillige" - also nicht über die Einigungsstelle erzwingbare - Regelungsbefugnis belassen wird. Die Tarifvertragsparteien begründen auf diese Weise nicht etwa neue, im Gesetz nicht vorgesehene Kompetenzen, sondern treffen Regelungen im Rahmen der Vorgaben des gesetzlichen Mitbestimmungsrechts. Daher können sie auf diesem Wege im Bereich der zwingenden Mitbestimmung die gesetzliche Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Betriebsräten und Gesamtbetriebsrat nicht ändern. Insbesondere können sie es nicht zur Disposition des Arbeitgebers stellen, ob er die zur Abweichung von der tariflichen Regelung erforderliche Vereinbarung mit dem örtlichen Betriebsrat oder dem Gesamtbetriebsrat abschließt. Nach der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes und nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung kann der Tarifvertrag in Angelegenheiten der notwendigen Mitbestimmung die betriebliche Normsetzungsmacht weder unmittelbar noch mittelbar einem Dritten übertragen. Dritter in diesem Sinne ist auch der gesetzlich nicht zuständige Gesamtbetriebsrat.
bb) Hiernach war vorliegend der Gesamtbetriebsrat nicht deshalb für den Abschluss der VK 122 zuständig, weil § 11 Nr. 1 Abs. 2 MTV die Möglichkeit einer freiwilligen Betriebsvereinbarung vorsieht und die Arbeitgeberin nur bereit war, eine solche mit dem Gesamtbetriebsrat abzuschließen. Die in der VK 122 enthaltenen Regelungen betreffen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Es handelt sich um Gegenstände der nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erzwingbaren Mitbestimmung. Für diese Angelegenheiten konnten die Tarifvertragsparteien die Regelungsbefugnis anstelle der Betriebsparteien ausüben. Sie konnten jedoch weder unmittelbar noch mittelbar eine von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung abweichende Normsetzungsbefugnis des Gesamtbetriebsrat begründen. Sie haben dies auch nicht getan.
(1) Die Tarifvertragsparteien haben hinsichtlich der Verteilung der Wochenarbeitszeit von ihrer Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht, indem sie in § 11 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 MTV die wöchentliche Arbeitszeit gleichmäßig auf die Tage Montag bis Freitag verteilt haben. Zugleich haben sie gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG in § 11 Nr. 1 Abs. 2 MTV die Möglichkeit eröffnet, durch Betriebsvereinbarung abweichende Regelungen zu treffen, und auf diese Weise die Regelungsbefugnis an die Betriebsparteien "zurückgegeben". Sie haben dies in zulässiger Weise auf "freiwillige" Betriebsvereinbarungen beschränkt. Hierdurch haben sie aber die Arbeitszeit nicht zu einem Gegenstand der freiwilligen Mitbestimmung gemacht und der Arbeitgeberin nicht die Möglichkeit eröffnet, ungeachtet der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats dadurch zu begründen, dass sie sich nur zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit diesem bereit findet.
(2) Hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit enthält der Manteltarifvertrag keine Regelung. § 11 Nr. 1 Abs. 1 MTV regelt nur die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit und deren Verteilung. Dementsprechend bezieht sich auch die Öffnungsklausel in § 11 Nr. 1 Abs. 2 MTV nicht auf Regelungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Vielmehr verbleibt es insoweit beim zwingenden Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dieses steht für die Bezirksdirektion H. deren Betriebsrat und nicht dem Gesamtbetriebsrat zu.
2. Die Überschreitung der gesetzlichen Zuständigkeitsgrenze durch den Gesamtbetriebsrat hat die Unanwendbarkeit der VK 122 in der Bezirksdirektion H. zur Folge. In Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung kann einer Regelung durch das kraft Gesetzes zuständige Betriebsverfassungsorgan nicht durch eine freiwillige Vereinbarung zwischen dem unzuständigen Organ und dem Arbeitgeber vorgegriffen werden ( - BAGE 100, 60 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 22 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 18, zu II 2 a der Gründe).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-93346
1Für die Amtliche Sammlung: Ja; Für die Fachpresse: Nein