BAG Beschluss v. - 1 ABR 31/03 (A)

Leitsatz

[1] 1. Soll die jahrelang praktizierte Arbeitsfreistellung am Karnevalsdienstag für die Zukunft aufgehoben werden, liegt darin jedenfalls keine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.

2. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst die Befugnis des Betriebsrats, initiativ zu werden, um für einen bestimmten Tag im Jahr Ausnahmen von der regulären Arbeitszeitregelung vorzusehen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer individualrechtliche Ansprüche auf Arbeitsbefreiung an diesem Tag besitzen.

Gesetze: BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3; ArbGG § 83 Abs. 3

Instanzenzug: ArbG Köln 17 BV 34/02 vom LAG Köln 7 TaBV 80/02 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin Arbeitsanweisungen für den Karnevalsdienstag zu unterlassen hat.

Die Arbeitgeberin betreibt in K. ihre Zweigniederlassung für Nordrhein- Westfalen. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. ist der für die Niederlassung gewählte Betriebsrat (Betriebsrat Zweigniederlassung). Der Antragsteller und Beteiligte zu 2. ist der Betriebsrat der unter derselben postalischen Anschrift wie die Zweigniederlassung ansässigen A. G. I. S. mbH (AGIS, Betriebsrat AGIS).

Die Beschäftigten der Arbeitgeberin in der Zweigniederlassung K. haben seit Jahrzehnten am Karnevalsdienstag dienstfrei. Für die Beschäftigten der AGIS gilt dies seit deren Gründung gleichermaßen.

Im Jahr 1971 wurde in der Zweigniederlassung eine Regelung über gleitende Arbeitszeiten eingeführt. Aus diesem Anlass teilte die Arbeitgeberin den Beschäftigten mit, ihr Arbeitszeitkonto werde für den freien Karnevalsdienstag mit 5,5 Stunden belastet. Der Umfang der vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit belief sich seinerzeit auf 40 Stunden. Seit November 1975 wurden die Arbeitszeitkonten für den Karnevalsdienstag mit vier Stunden, ab dem Jahr 1991 - nach der Reduzierung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf 38 Stunden - mit nur noch 3,8 Stunden belastet. In einem Schreiben an die Mitarbeiter vom führte die Arbeitgeberin aus:

"(Wir) weisen ... ausdrücklich darauf hin, daß diese Karnevals-Gleitzeitregelung eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung der Gesellschaft ist. Sie begründet keinen Rechtsanspruch für die kommenden Jahre, auch nicht durch wiederholte gleichartige Handhabung."

In den Folgejahren erhielten die Beschäftigten vor Beginn der Karnevalstage Schreiben zur "Arbeitszeitregelung Karneval" mit näheren Angaben zur Dienstzeitgestaltung. Die Schreiben waren auch vom Betriebsrat unterzeichnet.

Im Juni 1999 schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat Zweigniederlassung eine "Betriebsvereinbarung über die Flexible Arbeitszeit" (BV Arbeitszeit). Nach deren Nr. 1 ist der Betrieb "an Werktagen (Montag bis Freitag) von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet". Nach Nr. 6.1, 6.7 der "Anlage zur Ziffer 6" kann jeder Mitarbeiter innerhalb der Öffnungszeiten Beginn und Ende seiner persönlichen Arbeitszeit selbst bestimmen. Ferner heißt es dort, die "tägliche Mindestarbeitszeit für Vollzeitmitarbeiter" betrage 3,8 Stunden.

Im Jahr 2001 unterrichtete die Arbeitgeberin die antragstellenden Betriebsräte davon, dass ab dem Jahr 2003 am Karnevalsdienstag regulär gearbeitet werden solle. Diese widersprachen. Verhandlungen der Beteiligten führten zu keinem Ergebnis. Im Dezember 2001 richtete die Arbeitgeberin an die Beschäftigten ein Schreiben mit auszugsweise folgendem Wortlaut:

"Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Serviceverlangens unserer Kunden und eines schärfer werdenden Wettbewerbs läßt sich die bisherige großzügige Arbeitsbefreiung während der Karnevalstage und Schließung unserer Häuser nicht weiter im vollen Umfang aufrechterhalten. ...

Am Karnevalsdienstag ... werden die bisher geschlossenen Häuser geöffnet und im gesamten Innendienst in NRW kehren wir an diesem Tag zur Regelarbeitszeit zurück und erfüllen unsere Arbeits- und Serviceverpflichtung auf der Basis der Betriebsvereinbarung zur Flexiblen Arbeitszeit.

Um Ihnen ... den Einstieg in die neue Situation zu erleichtern, wird diese Regelung erstmalig im Jahr 2003 wirksam. ..."

Mit Schreiben vom leiteten die Betriebsräte das vorliegende Beschlussverfahren ein. Mit ihm haben sie begehrt, der Arbeitgeberin die Anordnung von Arbeit am Karnevalsdienstag zu untersagen. Sie haben die Auffassung vertreten, die einseitige Aufhebung der Arbeitsbefreiung verletze ihr Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG. Die Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag sei für die Mitarbeiter Inhalt einer betrieblichen Übung geworden.

Die Betriebsräte haben beantragt,

1. der Arbeitgeberin zu untersagen, in der K. Niederlassung ab 2003 je für den Karnevalsdienstag die betriebsüblichen Arbeitszeiten (7,6 Stunden auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung über die Flexible Arbeitszeit) anzuordnen, solange nicht sie - die Betriebsräte - der Maßnahme zugestimmt haben oder ein die Arbeitszeit an Karnevalsdienstagen betreffender rechtskräftiger Spruch der Einigungsstelle vorliegt;

2. der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis zu 100.000,00 Euro anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der neuen Regelung für den Karnevalsdienstag habe sie keine mitbestimmungspflichtige Entscheidung getroffen. Sie sei lediglich zur betriebsüblichen Arbeitszeit zurückgekehrt. Eine betriebliche Übung sei schon deshalb nicht entstanden, weil die Regelungen zur Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag auf Vereinbarungen mit dem Betriebsrat beruht und deshalb kollektiven Charakter besessen hätten. Unabhängig davon hätten diese stets nur von Jahr zu Jahr gegolten. In jedem Fall habe ihr Schreiben aus dem Jahr 1995 eine mögliche betriebliche Übung für die Zukunft beseitigt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. stattgegeben, ohne über den Antrag zu 2. zu entscheiden. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht beide Anträge abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Betriebsräte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Androhung eines Ordnungsgelds entsprechend ihrem Antrag zu 2. mit Wirkung ab dem Jahr 2004.

B. Der Rechtsstreit ist nur teilweise zur Entscheidung reif. Über die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats AGIS konnte der Senat nicht entscheiden, weil die AGIS selbst im Verfahren bislang nicht angehört wurde.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats Zweigniederlassung ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Dem Betriebsrat Zweigniederlassung steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Zwar hat er ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Entscheidung darüber, ob am Karnevalsdienstag gearbeitet werden soll. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beschäftigten auf Grund betrieblicher Übung individualrechtlich einen Anspruch auf Dienstbefreiung erworben haben. Der Betriebsrat hat aber sein Mitbestimmungsrecht durch Abschluss der BV Arbeitszeit ausgeübt. Diese sieht für den Karnevalsdienstag keine Ausnahme von der Mindestanwesenheitspflicht der Beschäftigten vor.

I. Der Senat konnte nur über die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats Zweigniederlassung entscheiden. An einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats AGIS ist er gehindert. Am Verfahren ist auch die AGIS beteiligt. Ihre Anhörung ist bislang unterblieben und konnte vom Senat nicht mehr rechtzeitig nachgeholt werden.

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist ( - BAGE 104, 187, 190, zu B I der Gründe mwN). Dies ist von Amts wegen auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu ermitteln ( - AP ArbGG 1979 § 97 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 2, zu B I der Gründe).

2. Die von den Betriebsräten begehrte Entscheidung betrifft auch die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der AGIS. Zwar wird sie von den Betriebsräten nicht in Anspruch genommen, weil sich deren Antrag ausdrücklich nur gegen die Arbeitgeberin richtet, doch ist sie von der Entscheidung über den Antrag objektiv betroffen.

a) Dies folgt nicht schon daraus, dass die Arbeitgeberin und die AGIS in K. einen gemeinsamen Betrieb führten, sodass ein gegenüber der Arbeitgeberin erwirkter Unterlassungstitel auch für die AGIS betriebsverfassungsrechtlich von Bedeutung wäre. Vom Bestehen eines gemeinsamen Betriebs kann nicht ausgegangen werden.

Zu den Strukturen der arbeitsorganisatorischen Einheiten in der K. Betriebsstätte haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen. In der Rechtsbeschwerdeinstanz haben die Betriebsräte auf Befragen dargelegt, die AGIS habe nach ihrer Gründung im Wege des Betriebsübergangs Arbeitnehmer der Arbeitgeberin übernommen. Dabei sei die "maßgebliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten" zunächst weiterhin durch die Arbeitgeberin ausgeübt worden, insbesondere hinsichtlich der "hier in Rede stehenden Thematik". Ab habe aber der Personalleiter der AGIS "die Gesamtverantwortung für die neue Personalabteilung der AGIS" übernommen. Dieser Vortrag - seine Verwertbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz unterstellt - bietet keine Grundlage für die Annahme, es liege ein Gemeinschaftsbetrieb von Arbeitgeberin und AGIS vor. Dagegen spricht bereits die Existenz zweier Betriebsräte, die sich betriebsverfassungsrechtlich mit einem gemeinsamen Betrieb nicht verträgt. Dagegen spricht ferner, dass danach die AGIS stets eine eigene Betriebsleitung besaß, auch wenn sie die Leitungsbefugnis in personellen und sozialen Angelegenheiten zunächst an die Arbeitgeberin abgegeben hatte. Dies ist rechtlich möglich und schließt die Existenz eines eigenständigen Betriebs der AGIS nicht aus. Erforderlich für die Eigenständigkeit der organisatorischen Einheit "Betrieb" ist die rechtliche Entscheidungsbefugnis in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten als Teil der einheitlichen Leitungsmacht (Fitting § 1 Rn. 71 mwN). Wie diese faktisch organisiert wird, ob sie von eigenen Arbeitnehmern wahrgenommen oder an dienstleistende Dritte abgegeben wird, ist nicht maßgeblich. Im Übrigen liegt nach der Behauptung der Betriebsräte seit Jahresbeginn 2003 die gesamte Verantwortung für das Personal der AGIS auch tatsächlich in den Händen von deren eigener Personalabteilung.

b) Die AGIS ist gleichwohl von der begehrten Entscheidung betroffen. Der bei ihr gewählte Betriebsrat hat sich eines auf die Unterlassung bestimmter Arbeitszeitanweisungen gerichteten Anspruchs gegen die Arbeitgeberin berühmt, mit der sie - die AGIS - in Fragen der Arbeitszeitgestaltung nach seiner Behauptung weiterhin zusammenarbeitet. Die Arbeitgeberin erteile gegenüber der von ihm repräsentierten Belegschaft zumindest faktisch die Anweisungen zur Arbeitszeit an den Karnevalstagen und sie - die AGIS - dulde dies. Würde dem Unterlassungsbegehren des Betriebsrats statt- gegeben, könnte möglicherweise diese Praxis nicht fortgesetzt und die Arbeitgeberin von der AGIS nicht mehr als "Personalstelle" eingesetzt werden. Unter diesem Aspekt ist die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der AGIS (nur) durch die von ihrem Betriebsrat begehrte Entscheidung berührt.

II. Die Anträge des Betriebsrats Zweigniederlassung sind zulässig.

1. Der Unterlassungsantrag bedarf der Auslegung.

a) Mit ihm begehrt der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, für Karnevalsdienstage "die betriebsüblichen Arbeitszeiten (7,6 Stunden auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung über die Flexible Arbeitszeit) anzuordnen". Mit dieser Formulierung könnte sich die Anordnung von weniger als sechs Stunden Arbeitszeit ebenso vertragen wie die Anordnung von noch längerer Arbeitszeit. Beides würde dem Anliegen des Betriebsrats indessen nicht gerecht. Dieses geht ersichtlich dahin, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Anordnung jeglicher Arbeitszeit am Karnevalsdienstag zu unterlassen, solange er nicht zugestimmt hat. Die Antragsformulierung greift lediglich die Ankündigung der Arbeitgeberin im Schreiben vom Dezember 2001 auf, es solle künftig im Umfang der "Regelarbeitszeit auf der Basis der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit" gearbeitet werden. Dem Betriebsrat geht es nicht um eine geringere Dauer der Anwesenheitszeit am Karnevalsdienstag, sondern um die Beibehaltung der vollständigen Dienstbefreiung.

b) Der Betriebsrat hat die Untersagung mit der Einschränkung begehrt, dass nicht ein die Arbeit am Karnevalsdienstag gestattender "rechtskräftiger" Spruch der Einigungsstelle vorliegt. Sprüche von Einigungsstellen erwachsen nicht in Rechtskraft. Der Antrag könnte deshalb dahin zu verstehen sein, dass sich die Einschränkung auf das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit eines solchen Spruchs der Einigungsstelle bezieht.

Ein solches - allein auf eine offensichtlich unbedachte Wortwahl gestütztes - Verständnis ist jedoch nicht berechtigt. Der Antrag ginge dann über die materielle Rechtslage weit hinaus. Weil ein Spruch der Einigungsstelle, auch wenn er gerichtlich angefochten wird, zunächst einmal die Einigung der Betriebsparteien ersetzt, ist er bis zu einer anders lautenden gerichtlichen Entscheidung zu befolgen. Dafür, dass der Betriebsrat gleichwohl auf die Rechtskraft der entsprechenden gerichtlichen Entscheidung hat abstellen wollen, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Antrag ist dahin zu verstehen, dass eine Arbeitszeitanordnung für den Karnevalsdienstag bis zum Vorliegen eines sie gestattenden, abschließenden Spruchs der Einigungsstelle untersagt werden möge. Der Betriebsrat hat dies in der mündlichen Anhörung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt.

c) Nach dem Antragswortlaut verlangt der Betriebsrat eine Unterlassung "ab 2003". Gleichwohl ist der Antrag in Wirklichkeit auf die Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren gerichtet. Dies zeigt der Antrag zu 2. in der Fassung der Rechtsbeschwerdebegründung vom . Dort wird die Androhung des Ordnungsgelds erst für die Zeit "ab 2004" begehrt, obwohl sie sich ursprünglich auf das Jahr 2003 bezogen hatte. Der Betriebsrat erstrebt also ersichtlich keine Unterlassungsverpflichtung für die Vergangenheit.

2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zu 1. hinreichend bestimmt. Dies gilt ebenso für den Antrag zu 2. Dieser - erkennbar nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellte - Antrag ist dahin zu verstehen, dass nicht schon ein Ordnungsgeld in bestimmter Höhe, sondern der mögliche Höchstbetrag eines erst bei tatsächlicher Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds angedroht werden möge.

3. Für den Antrag zu 2. fehlt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar begehrt der Betriebsrat mit ihm bereits im vorliegenden Erkenntnisverfahren den Erlass einer dem Vollstreckungsverfahren zuzuordnenden Maßnahme. Es ist jedoch zulässig, den Antrag auf Androhung eines Ordnungsgelds schon mit dem Sachantrag im Erkenntnisverfahren zu verbinden (Fitting § 23 Rn. 72; Oetker GK-BetrVG § 23 Rn. 192; vgl. auch - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B V der Gründe).

III. Der Antrag zu 1. des Betriebsrats Zweigniederlassung ist nicht begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht. Der Antrag zu 2. fiel dem Senat danach nicht zur Entscheidung an.

1. Zwar kann sich der Betriebsrat gegen zu erwartende Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren (grundlegend - BAGE 76, 364; vgl. ferner - 1 ABR 13/96 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 56 mwN). Auch hat der Betriebsrat darüber mitzubestimmen, ob im Betrieb am Karnevalsdienstag gearbeitet werden soll oder nicht. Im Streitfall hat der Betriebsrat dieses Mitbestimmungsrecht aber mit Abschluss der BV Arbeitszeit bereits ausgeübt. Diese sieht eine Ausnahme von der 3,8-stündigen Mindestanwesenheitspflicht für den Karnevalsdienstag nicht vor. Daran ist der Betriebsrat, solange diese Betriebsvereinbarung gilt, gebunden.

2. Mit der Anordnung an die Beschäftigten, am Karnevalsdienstag die Regelarbeitszeit auf der Basis der BV Arbeitszeit einzuhalten, hat die Arbeitgeberin nicht gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verstoßen. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Beides liegt nicht vor.

a) Betriebsübliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 44 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 48, zu B II 1 a aa der Gründe mwN). Sie wird bestimmt durch den vertraglich geschuldeten regelmäßigen zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und die für ihn erfolgte Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 93 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 64, zu B II 2 a der Gründe mwN). Sie muss im Betrieb nicht einheitlich, sondern kann für verschiedene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 56, zu B II 1 der Gründe). Ist die Verteilung des vertraglich für einen bestimmten Zeitraum regelmäßig geschuldeten Arbeitszeitumfangs bis auf einzelne Wochentage vorgenommen worden, so ist die betriebsübliche Arbeitszeit die Dauer dieser regelmäßigen täglichen Arbeitszeit. Bei der genauen Festlegung ihres täglichen Umfangs und ihrer tageszeitlichen Lage hat der Betriebsrat mitzubestimmen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, bei der vorübergehenden Verlängerung ihres so bestimmten regelmäßigen Zeitumfangs besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ( - aaO). Bei diesem geht es um die Frage, ob vorübergehend überhaupt weniger oder mehr als betriebsüblich gearbeitet werden soll und von wem, und ggf. um die Festlegung des zeitlichen Umfangs der von den Arbeitnehmern abweichend vom Üblichen geschuldeten Arbeitsleistung ( - aaO, zu B II 2 der Gründe mwN).

b) Im Streitfall entspricht die betriebsübliche Arbeitszeit in der Zweigniederlassung der Verteilung der regelmäßig geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden auf die Tage von Montag bis Freitag nach Maßgabe der BV Arbeitszeit. Danach sind die Beschäftigten berechtigt, bis zu einer täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden innerhalb des Zeitrahmens von 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr den Umfang ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Vollzeitbeschäftigte haben allerdings eine tägliche Mindestarbeitszeit von 3,8 Stunden einzuhalten. Eine Ausnahme von der Mindestanwesenheitspflicht für den Karnevalsdienstag ist nicht vorgesehen. Gleichwohl war der Karnevalsdienstag seit Jahrzehnten und auch noch nach Abschluss der BV Arbeitszeit bis zum Jahr 2002 von einer Arbeitspflicht ausgenommen. Ob die Arbeitsbefreiung am Karnevalsdienstag auf Grund dieser jahrelangen Praxis ebenfalls betriebsüblich geworden ist, kann im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dahinstehen. Wäre die Betriebsüblichkeit zu bejahen, so würde die Anordnung von Arbeit am Karnevalsdienstag zwar die Verlängerung der für die Karnevalstage betriebsüblichen Arbeitszeit darstellen. Diese Verlängerung sollte jedoch nicht nur vorübergehend gelten.

aa) Eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit liegt vor, wenn es sich um eine Abweichung von dem allgemein geltenden Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit handelt ( - AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 19 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 5, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 b aa der Gründe mwN). Ob eine Verlängerung der Arbeitsleistung vorübergehend oder dauerhaft erfolgt, hängt davon ab, ob sie die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit in ihrer Regelhaftigkeit und als die "normale" betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer unverändert lässt oder gerade diese Norm ändert und zu einer neuen regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit führt. Maßgeblich ist damit, ob die bisherige betriebsübliche Arbeitszeit die "übliche" bleibt und die Arbeitszeitverteilung bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer weiterhin prägt ( - aaO).

bb) Hier sollte, geht man mit dem Betriebsrat vom Bestehen einer entsprechenden Betriebsüblichkeit aus, die für die Karnevalstage übliche Arbeitszeit dauerhaft geändert werden. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeberin soll sich die Arbeitszeit auf den Karnevalsdienstag nicht nur ausnahmsweise, sondern auf unabsehbare Zeit erstrecken. Damit ist der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht eröffnet.

3. Die Arbeitgeberin hat auch nicht gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das hat der Betriebsrat hier durch Abschluss der BV Arbeitszeit bereits getan.

a) Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr. 2 BetrVG umfasst sämtliche mit der Lage und Verteilung der Arbeitszeit verbundenen Fragen. Es dient dem Zweck, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung des Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 96 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 65, zu B II 1 a der Gründe). Dem Mitbestimmungsrecht unterliegt es deshalb auch, ob von einer regulären Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage im Einzelfall abgewichen werden soll (vgl. - AP BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 3, zu 1 der Gründe; - 1 ABR 67/76 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 7, zu III 4 der Gründe; Richardi in Richardi BetrVG § 87 Rn. 307 mwN; für die Abweichung von schon aufgestellten Schichtplänen vgl. - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 103 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 b der Gründe mwN). Dabei hat der Betriebsrat nicht nur mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber von der regulären Verteilung abweichen will. Der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst vielmehr auch ein darauf gerichtetes Initiativrecht des Betriebsrats ( - BAGE 40, 107, 121, zu B III 3 der Gründe; Richardi aaO Rn. 310 mwN). Dieser kann verlangen, dass Ausnahmen von der regulären (mitbestimmten) Verteilung vorgesehen werden; können sich die Betriebsparteien nicht verständigen, entscheidet die betriebliche Einigungsstelle.

b) Dem steht nicht entgegen, dass damit in gewissem Umfang in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers eingegriffen wird, der seinen Betrieb dann möglicherweise an bestimmten Tagen nicht offenhalten kann. Die mögliche Beschränkung unternehmerischer Entscheidungsfreiheit durch mitbestimmte Regelungen über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage führt nicht zu einer Einschränkung des Mitbestimmungsrechts. Diese Beschränkung ist vielmehr die im Gesetz angelegte Folge des Bestehens von Mitbestimmungsrechten ( - BAGE 40, 107, 113 f., zu B III 2 a der Gründe; Fitting § 87 Rn. 116; Richardi in Richardi BetrVG § 87 Rn. 313). Sie steht mit der Verfassung im Einklang ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 15, zu II 1 der Gründe). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst deshalb auch die Frage, ob an einem bestimmten Tag des Jahres überhaupt gearbeitet werden soll. Gegen die Einführung oder Aufrechterhaltung eines bestimmten arbeitsfreien Tages sprechende unternehmerische Belange sind im Rahmen des Mitbestimmungs- und ggf. Einigungsstellenverfahrens zu beachten und zu gewichten, sie schließen das Mitbestimmungsrecht aber nicht aus.

c) Für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts kommt es - anders als die Vorinstanzen und die Beteiligten gemeint haben - nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer - etwa auf Grund betrieblicher Übung - individualrechtlich einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung an einem bestimmten Tag des Jahres erworben haben. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht unabhängig davon, ob die Beschäftigten vertraglich eine bestimmte Arbeitszeitgestaltung verlangen können. Erst bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die kollektiven Arbeitszeitregelungen auch individualrechtlich umsetzbar sein müssen. So mag es für den Arbeitgeber unzumutbar sein, sich auf eine kollektive Arbeitszeitregelung einzulassen, die mit betriebsvereinbarungsfesten Vertragspositionen von Arbeitnehmern kollidiert, die nur durch Änderungskündigung beseitigt werden könnten.

Im Streitfall könnten deshalb vertragliche, aus betrieblicher Übung resultierende Ansprüche der Arbeitnehmer auf Dienstbefreiung am Karnevalsdienstag allenfalls dazu führen, dass diese auch kollektivrechtlich beachtet werden müssten. Sie stünden dagegen nicht schon dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat als solchem entgegen. Bestehen solche Ansprüche nicht, ist das Mitbestimmungsrecht durch sie nicht einmal inhaltlich berührt.

d) Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst nicht die Frage, ob eine mögliche Dienstbefreiung an einem bestimmten Tag des Jahres mit einer entsprechenden Herabsetzung des vertraglich geschuldeten Arbeitszeitvolumens einhergeht. Der zeitliche Umfang der von den Arbeitnehmern vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ist Bestandteil des mitbestimmungsfreien Synallagmas der Arbeitsverträge. Falls insoweit vertragliche Minderungsansprüche der Arbeitnehmer bestehen sollten, könnten sie nur von diesen selbst geltend gemacht werden.

e) Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch den Abschluss der BV Arbeitszeit bereits ausgeübt. Diese regelt abschließend Fragen der Arbeitszeit in der Zweigniederlassung K. Sie sieht Ausnahmen von der Mindestarbeitszeit von 3,8 Stunden für den Karnevalsdienstag nicht vor. Mit der Anordnung an die Beschäftigten, an diesem Tag regulär zu arbeiten, weicht die Arbeitgeberin von der bestehenden und mitbestimmten Arbeitszeitregelung nicht ab, sondern verlangt deren Einhaltung. Das vermag Unterlassungsansprüche des Betriebsrats nicht zu begründen.

Etwas anderes könnte nur anzunehmen sein, wenn die Geltung der BV Arbeitszeit für den Karnevalsdienstag durch eine andere, ebenfalls mitbestimmte Regelung eingeschränkt worden wäre. Davon kann indessen nicht ausgegangen werden. Eine die BV Arbeitszeit in diesem Punkt modifizierende förmliche Betriebsvereinbarung liegt nicht vor. Für die Jahre bis 2002 mag es stattdessen zwar - wie dies gerade die Arbeitgeberin behauptet - jeweils Regelungsabreden über die Arbeitszeiten während der Karnevalstage gegeben haben. Es bestehen aber keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien eine generelle, nicht von Jahr zu Jahr zu erneuernde Abrede darüber getroffen hätten, dass der Karnevalsdienstag stets arbeitsfrei sein solle. Die Frage, ob eine solche formlose Regelungsabrede überhaupt in der Lage wäre, die - mit normativer Wirkung gegenüber den Beschäftigten geltenden - Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung jedenfalls im Verhältnis der Betriebsparteien untereinander zu verdrängen, braucht deshalb nicht entschieden zu werden.

Will der Betriebsrat Zweigniederlassung die bislang für den Karnevalsdienstag praktizierte Arbeitsbefreiung wieder erreichen, muss er durch Wahrnehmung seines Kündigungs- und Initiativrechts versuchen, mit der Arbeitgeberin - ggf. auf dem Weg über die Einigungsstelle - zu einer entsprechenden Regelung zu gelangen.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 2360 Nr. 43
PAAAB-93312

1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein