Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 5 K 2157/04
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erklärte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (2001) u.a. Verluste aus Optionsgeschäften, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) aber nicht im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, sondern in einem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags feststellte. Mit dem Einspruch gegen diese Bescheide wandte sich der Kläger gegen die Verlustberechnung. Auch die Anschaffungskosten für die Kaufoption (2 413,86 DM) müssten in die Berechnung des Verlustes einbezogen werden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg, weil nach Auffassung des FA die Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten beim Verfall einer Option, um den es hier gehe, einkommensteuerrechtlich ohne Bedeutung sei. Beim Verfall einer Option innerhalb der Spekulationsfrist fehle es an einem Veräußerungsgeschäft.
In seiner Klage bezeichnete der Kläger als angefochtenen Verwaltungsakt lediglich den Bescheid für 2001 über Einkommensteuer, bezog sich aber ebenso auf die auch den Feststellungsbescheid umfassende Einspruchsentscheidung. Er beantragte, den Bescheid für 2001 über Einkommensteuer zu ändern und das FA zu verpflichten, die Verluste aus sonstigen Einkünften um 2 413,86 DM höher festzusetzen. In der Begründung vertritt er die Auffassung, anders als dies in der Einspruchsentscheidung ausgeführt werde, liege im Verfall der Option ein Veräußerungsgeschäft und erhöhten deshalb die (verlorenen) Anschaffungskosten den Verlust.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, weil sich der Kläger im falschen Verfahren befinde; halte ein Steuerpflichtiger die in einem Verlustjahr vom FA ermittelten, nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte für unzutreffend, so habe er dies im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid vorzubringen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, die der Kläger auf Verfahrensfehler stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG habe nur über die Einkommensteuer des Streitjahres entschieden, nicht über den Klagegegenstand der Feststellung des Verlustvortrags.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt nach § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler liegt vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat dadurch, dass es nur über die Einkommensteuer entschied und den Kläger deshalb im falschen Verfahren wähnte, den wirklichen Inhalt seines Klagebegehrens verkannt und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht —BVerwG—, Urteil vom 8 C 72/90, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1993, 62; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz. 193).
Dem Kläger ging es im Einspruchs- wie auch im Klageverfahren ausschließlich darum, die Anschaffungskosten der verfallenen Optionen in Höhe von 2 413,86 DM in die Verlustberechnung mit einzubeziehen. Sein Begehren richtete sich mithin gegen den Feststellungsbescheid. So ist auch seine Klageschrift auszulegen. Hinzu kommt, dass die Einspruchsentscheidung beide Bescheide (Einkommensteuerbescheid 2001 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags) betrifft, in den Gründen zwischen beiden Bescheiden aber nicht mehr unterscheidet. Wenn das FG allein auf die geltend gemachte Art des Bescheides abhebt, wie er in der Klageschrift wörtlich formuliert ist (mit „Bescheid für 2001 über Einkommensteuer”), so haftet es entgegen § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches am „buchstäblichen Sinn des Ausdrucks”. Der wirkliche Wille des Klägers kommt aber schon im nachfolgenden Antrag eindeutig zum Ausdruck, mit dem er begehrt, die Verluste aus sonstigen Einkünften um 2 413,86 DM höher festzusetzen.
Der Senat hält es für sachgerecht, den Rechtsstreit nach § 116 Abs. 6 FGO zurückzuverweisen. Im Rahmen der anderweitigen Verhandlung und Entscheidung wird das FG auch im Hinblick auf § 76 Abs. 2 FGO die Entscheidung des (Der Betrieb 2006, 933) zu beachten haben. Danach sieht das Gesetz ein gesondertes Feststellungsverfahren nicht vor; vielmehr ist über die Verrechenbarkeit von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes, die im Entstehungsjahr nicht ausgeglichen werden können, im Jahr der Verrechnung zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1689 Nr. 9
NAAAB-90229