BFH Urteil v. - I R 120/04 BStBl 2007 II S. 321

Berücksichtigung einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags

Leitsatz

1. § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 GewStG 1991 zu berücksichtigen.

2. § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 verstößt weder gegenüber Drittstaaten gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 73b EGV (= Art. 56 EG) noch gegenüber den USA gegen Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989.

Gesetze: EStG 1990EStG 1990 § 50c Abs. 1 Satz 1GewStG 1991 GewStG 1991 § 7EGV Art. 73bEGV Art. 73c Abs. 1 (= EG Art. 56EGV Art. 57 Abs. 1)DBA USA 1989 Art. 24 Abs. 4

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), im Streitjahr 1995 eine AG mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr zum 30. Juni, war zunächst mit 0,02 v.H. an der K-GmbH beteiligt. Mit Vertrag vom und mit Wirkung zum erwarb sie die restlichen 99,98 v.H. der Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage von ihrer in den USA ansässigen Gesellschafterin, der K-Inc. Als Gegenleistung erhielt die K-Inc. 375 000 Stück neu geschaffene Inhaberaktien an der Klägerin zum Ausgabekurs von 155 DM je Aktie (Gesamtwert 58,125 Mio. DM). Am beschloss die K-GmbH die Ausschüttung einer Vorabdividende für das Wirtschaftsjahr 1994/95 in Höhe von 4,2 Mio. DM. Der Betrag wurde am ausbezahlt und ist im Betriebsergebnis 1994/1995 der Klägerin mit dem um die anrechenbare Körperschaftsteuer von 1,8 Mio. DM erhöhten Bruttobetrag von 6 Mio. DM enthalten. In diesem Jahresabschluss nahm die Klägerin eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der K-GmbH in Höhe von 6 Mio. DM vor.

Abweichend von ihrer Körperschaftsteuererklärung 1995 rechnete die Klägerin bei der Ermittlung ihres Gewerbeertrages nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1991) die Teilwertabschreibung dem Gewinn nicht gemäß § 50c Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) hinzu.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte dem nicht und stellte den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den entsprechend niedriger fest.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, das aufzuheben und den festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust um 6 Mio. DM zu erhöhen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 (im Streitfall i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1991) kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt, (u.a.) Gewinnminderungen, die durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts nur auf Gewinnausschüttungen zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sog. Sperrbetrag, vgl. § 50c Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt. Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit. Die Klägerin hat die Teilwertabschreibung, die sie aufgrund der Vorabausschüttung auf ihre Beteiligung an der K-GmbH vorgenommen hat (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1990), folglich bei ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr nicht berücksichtigt.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Ermittlung des Gewerbeertrages gleichermaßen zu verfahren. Nach § 7 GewStG 1991 ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 1991 bezeichneten Beträge. Da § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 die Gewinnermittlung der Klägerin beeinflusst, wirkt sich dies demnach auf die Gewerbesteuer aus.

Zwar ist der Klägerin einzuräumen, dass der (begrenzten) Nichtberücksichtigung der Teilwertabschreibung in erster Linie die Zielsetzung zugrunde liegt, die „Abgeltung” des Körperschaftsteuerguthabens bezogen auf einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerer über den Kaufpreis zu neutralisieren und dadurch aus Sicht des Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 8/3648, S. 2; BTDrucks 8/4157). Da der Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig verfahren (vgl. Lambrecht in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 50c Rn. 7, m.w.N.) und nicht an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge mit Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; die Einmalbesteuerung im Inland wird sichergestellt. Gewerbesteuerliche Folgewirkungen und Belastungserhöhungen standen hierbei nicht im Vordergrund und waren wohl auch nicht beabsichtigt. Es mag auch darüber gestritten werden, ob die Ausstrahlung der Rechtswirkungen des § 50c EStG 1990 auf die Gewerbesteuer in Anbetracht des gewerbesteuerlichen Objektsteuercharakters sachlich zwingend geboten war.

Beiden Aspekten ist angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung jedoch keine Bedeutung beizumessen. Entgegen der Revision erzwingen sie jedenfalls kein dem Wortlaut und der Gesetzessystematik entgegenstehendes verfassungskonformes Regelungsverständnis. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, die Gewinnkorrektur auf die Ermittlung des Gewerbeertrages durchschlagen zu lassen. Es ist auch unbeachtlich, ob die betreffenden Beträge dadurch doppelt mit Gewerbesteuer belastet werden, falls —wie im Streitfall— infolge des erst im Laufe des Streitjahres durchgeführten Anteilserwerbs die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG 1991 nicht erfüllt sind. Weder das Vorliegen einer solchen Doppelbesteuerung noch deren Fehlen sind zwingende Anwendungsvoraussetzungen der Kürzungsvorschrift (vgl. z.B. Senatsurteil vom I R 16/04, BFHE 208, 277, BStBl II 2005, 297, m.w.N.).

3. Gemeinschafts- oder abkommensrechtliche Bedenken stehen der Anwendung des § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 nicht entgegen.

a) Allerdings gewährleistet Art. 73b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft —EGV— (jetzt Art. 56 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften —EG—, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1997 Nr. C-340/1) die Freiheit des Kapitalverkehrs auch im Verhältnis zu Drittstaaten (wie im Streitfall den Vereinigten Staaten). Auch ist nicht auszuschließen, dass die Versagung der Teilwertabschreibung einen mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich dieser Vorschrift darstellt (vgl. z.B. Krebs/ Bödefeld, Betriebs-Berater —BB— 2004, 407; Cordewener in von Groll, Verluste im Steuerrecht, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, Band 28 [2005], S. 254, 315; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 50c Rz. 2). Denn der Steuerpflichtige wird dem Regelungswortlaut nach steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob er Anteile an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem anrechnungsberechtigten oder aber einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt. Nach der sog. Stand-still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG berührt Art. 56 EG jedoch nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern, die am aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

Bei § 50c EStG 1990 handelt es sich um eine Vorschrift, welche am im Kernbereich der auch im Streitfall maßgeblichen Fassung bereits bestand. Sie wurde in das Einkommensteuergesetz ursprünglich durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom eingefügt (BGBl I 1980, 1545). Ihre nach dem erfolgte und erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994 anzuwendende Änderung durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (StandOG) vom (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) präzisierte zwar den Zeitpunkt der unbeschränkten Steuerpflicht der betreffenden Kapitalgesellschaft, deren Anteile erworben werden, und schaffte überdies einen weiteren —im Streitfall nicht einschlägigen— Besteuerungstatbestand, änderte die tatbestandlichen Regelungsvoraussetzungen und –folgen jedoch nicht. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen blieben vielmehr unverändert. Das vom FG Baden-Württemberg in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 3 K 62/99 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 309, Az. des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— Rs. C-492/04 „Lasertec”) an den EuGH herangetragene Problem der Reichweite der Stillstandsklausel des Art. 73c Abs. 1 EGV (Art. 57 Abs. 1 EG) —dort bezogen auf § 8a KStG 1991— stellt sich im Streitfall deswegen nicht.

Im Übrigen ist die vorliegend in Rede stehende Alleinbeteiligung der Klägerin an der K-GmbH als Direktinvestition i.S. von Art. 57 Abs. 1 EG anzusehen. Die Freiheit des Kapitalverkehrs wird sonach in Einklang hiermit durch § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 eingeschränkt; der prinzipielle Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts tritt zurück.

b) Gleichermaßen scheidet eine abkommensrechtliche Diskriminierung der Klägerin als Tochtergesellschaft einer US-amerikanischen Muttergesellschaft nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom DBA-USA 1989— (BGBl II 1991, 355) aus (vgl. dazu im Hinblick auf die Fernwirkung eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes Senatsurteil vom I R 6/99, BFHE 201, 463, BStBl II 2004, 1043). Danach dürfen Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen jenes Vertragsstaats unterworfen sind oder unterworfen werden können. Eine diskriminierende Unterscheidung ist also nur insoweit verboten, als sie darauf beruht, dass im anderen Vertragsstaat ansässige Personen an dem Unternehmen beteiligt sind oder es kontrollieren. Eine derartige Situation ist unter den Gegebenheiten des § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 indes nicht zu beurteilen. Die Klägerin wird infolge dieser Regelung keiner höheren Steuerbelastung unterworfen, weil sie die Tochtergesellschaft einer US-amerikanischen Gesellschaft, der K-Inc., ist, sondern weil sie Kapitalanteile von dieser als einem nicht i.S. von § 51 KStG 1991 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990 anrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben hat. Diese Konstellation wird von dem Diskriminierungsschutz des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 jedoch nicht erfasst. Es ist deswegen im Ergebnis auch einerlei, ob § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV (jetzt Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG) verstößt; ein derartiger Verstoß könnte mangels Tatbestandsmäßigkeit nicht über Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 auf inländische Tochtergesellschaften US-amerikanischer Gesellschaften durchschlagen (anders wohl Krebs/Bödefeld, BB 2004, 407, 410 f.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 321
BB 2006 S. 1615 Nr. 30
BFH/NV 2006 S. 1584 Nr. 8
BStBl II 2007 S. 321 Nr. 7
DB 2006 S. 1596 Nr. 30
DStRE 2006 S. 983 Nr. 16
DStZ 2006 S. 499 Nr. 15
EStB 2006 S. 284 Nr. 8
FR 2006 S. 789 Nr. 17
GmbH-StB 2006 S. 222 Nr. 8
GmbHR 2006 S. 832 Nr. 15
HFR 2006 S. 898 Nr. 9
INF 2006 S. 609 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2006 S. 2323
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2007 S. 3264
StB 2006 S. 282 Nr. 8
StBW 2006 S. 4 Nr. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2006 S. 564
MAAAB-89205