Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin erzielt u.a. Einkünfte aus der Vermietung eines im Fördergebiet belegenen Wohnhauses. Dieses hatte sie mit notariellem Kaufvertrag vom erworben und für das Streitjahr (1992) Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) geltend gemacht.
Nach Abschluss des Steuerfestsetzungsverfahrens für das Streitjahr erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Januar 1999 davon Kenntnis, dass nunmehr auch die Verkäuferin des Grundstücks die Sonderabschreibung beanspruche und machte mit Änderungsbescheid vom gegenüber der Klägerin die Gewährung der Sonderabschreibungen rückgängig.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, dass die zeitlich spätere Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz durch die Verkäuferin ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) sei, so dass das FA den Einkommensteuerbescheid 1992 daher zu Recht habe ändern können.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Wohnsitz-Finanzamt der Verkäuferin beizuladen und das angefochtene Urteil nebst dem Änderungsbescheid über die Einkommensteuer 1992 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Verkäuferin des Grundstücks sei in Folge ihres im Kalenderjahr 1998 gestellten Antrages auf Gewährung von Sonderabschreibungen so gestellt, als habe sie die Förderung vor den Klägern in Anspruch genommen. Denn dieser Antrag habe auf die Zeit vor dem Verkauf des Grundstücks zurückgewirkt.
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG die Berechtigung des FA zur Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 bejaht. Die Kläger haben Anspruch auf die streitigen Sonderabschreibungen.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 (StÄndG 1991) vom (BGBl I 1991, 1322 ff., BStBl I 1991, 665 ff.) können Steuerpflichtige für begünstigte Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 FördG, die im Fördergebiet durchgeführt werden, Sonderabschreibungen nach § 4 FördG vornehmen. Begünstigt ist nach § 3 Satz 1 FördG u.a. die Anschaffung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Gemäß § 3 Satz 2 FördG ist die Anschaffung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern, die beim Erwerber nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, nur begünstigt, wenn für das Wirtschaftsgut weder Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden sind. Diese Beschränkung rechtfertigt sich aus der Zielsetzung des Fördergebietsgesetzes, durch eine rasche Verbesserung der steuerlichen Bedingungen den Eigentümern einen Anreiz zu geben, die dringend erforderlichen Neubauten sowie Maßnahmen zum Ausbau, zur Erweiterung und zur Modernisierung von Gebäuden im Fördergebiet vorzunehmen (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 12/562, S. 72).
2. FA und FG haben zu Unrecht angenommen, dass —bei Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl in der Person des Voreigentümers als auch des späteren Erwerbers— das Recht des Voreigentümers auf Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen stets dem Recht des späteren Erwerbers vorgeht. Ein solches Rangverhältnis ist weder vom Gesetzeszweck noch vom Wortlaut der Norm umfasst.
a) Durch die einschränkenden Voraussetzungen des § 3 Satz 2 FördG soll u.a. sicher gestellt werden, dass Sonderabschreibungen nach Maßgabe des Fördergebietsgesetzes objektbezogen nur einmal in Anspruch genommen werden. Ohne diese Einschränkung wären der Voreigentümer und der spätere Erwerber förderungsberechtigt.
b) Nach dem Wortlaut des § 3 Satz 2 FördG ist die Anschaffung —neben weiteren hier nicht interessierenden Voraussetzungen— nur begünstigt, wenn für das Wirtschaftgut keine Sonderabschreibungen in Anspruch genommen worden sind. Danach ist allein der Zeitpunkt der Inanspruchnahme für die Berechtigung maßgeblich: Sind in diesem Zeitpunkt die Sonderabschreibungen noch nicht durch den Rechtsvorgänger beansprucht worden, so sind die durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin begehrten Sonderabschreibungen eine erstmals für das Wirtschaftsgut geltend gemachte Förderung.
3. Weil die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Der Änderungsbescheid des FA vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist aufzuheben. Mit Aufhebung des Änderungsbescheides tritt der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 1992 vom wieder in Kraft (vgl. , BFH/NV 1995, 982; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 68 Rz. 61, m.w.N.).
4. Dem Antrag der Kläger auf Beiladung des Wohnsitz-Finanzamtes der Verkäuferin war nicht zu entsprechen, da Finanzbehörden nicht beigeladen werden können (vgl. , BFHE 108, 10, BStBl II 1973, 198). Darüber hinaus ist das Recht zum Verfahrensbeitritt gemäß § 122 Abs. 2 FGO auf das Bundesministerium der Finanzen und die zuständigen obersten Landesbehörden beschränkt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1437 Nr. 8
HFR 2006 S. 891 Nr. 9
KÖSDI 2007 S. 15423 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2006 S. 2560
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 10
FAAAB-88043