BVerfG Beschluss v. - 1 BvL 15/87

Leitsatz

1. § 23 Abs. 1 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom war bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.

2. Soweit die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, gewährleisten die zivilrechtlichen Generalklauseln den durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen Mindestschutz der Arbeitnehmer.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 20 Abs. 1; Art. 103 Abs. 1; KSchG § 23 Abs. 1

Gründe

A.

Das Verfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar war, Betriebe und Verwaltungen mit geringer Beschäftigtenzahl - Kleinbetriebe - vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auszunehmen.

I.

1. Nach § 1 Abs. 1 und 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I S. 1317), geändert durch Gesetz vom (BGBl I S. 710) ist die arbeitgeberseitige Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Der Arbeitgeber muß die Kündigungsgründe darlegen und beweisen (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Darüber hinaus ist nach der in Rechtsprechung und Lehre vorherrschenden Auffassung eine Kündigung nur zulässig, wenn sie im Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck angemessen erscheint. Dabei sind die Interessen der Arbeitsvertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Die verhaltensbedingte Kündigung wird als äußerstes Mittel einer anders nicht zu beseitigenden Störung des Arbeitsverhältnisses betrachtet. Eine betriebsbedingte Kündigung darf nur ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer nicht anderswo im Unternehmen beschäftigt werden kann.

2. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gelten die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes nicht für die sogenannten Kleinbetriebe. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ist Gegenstand des Vorlagebeschlusses. § 23 Abs. 1 KSchG lautet in seiner für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Fassung:

Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 sind nur Arbeitnehmer zu berücksichtigen, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich 10 Stunden oder monatlich 45 Stunden übersteigt. ...

3. Durch Art. 1 des Arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom (BGBl I S. 1476) wurde § 23 KSchG geändert. Danach gilt der allgemeine Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nicht mehr für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Nach dem neugefaßten Satz 3 werden bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als zehn Stunden mit 0,25, nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt.

II.

1. Der im Jahre 1941 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens, ein gelernter Bäcker, war seit Mai 1968 bei dem Beklagten tätig, der damals vier Arbeitnehmer und zwei Auszubildende beschäftigte. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristgemäß wegen einer länger andauernden Erkrankung des Klägers. Dieser erhob Klage vor dem Arbeitsgericht mit dem Antrag festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

2. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgelegt.

a) Es führt aus, der vom Kündigungsschutzgesetz bezweckte Bestandsschutz werde in der arbeitsgerichtlichen Praxis fast gänzlich durch Abfindungen verdrängt. Davon seien die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben ausgeschlossen. Denn nur wenn der Arbeitgeber mit einer gerichtlichen Entscheidung zugunsten des gekündigten Arbeitnehmers rechnen müsse oder eine solche jedenfalls nicht ausschließen könne, sei er erfahrungsgemäß bereit, mit diesem ernsthaft über einen Abfindungsvergleich zu verhandeln. Gerade im Kleinbetrieb sei der Arbeitnehmer angesichts der unverhältnismäßig hohen Zahl von Kündigungen auf den gerichtlichen Schutz besonders angewiesen.

b) Die Klage hätte bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Erfolg. Der Arbeitgeber wäre dann auch zur Zahlung einer Abfindung bereit gewesen. Die Kündigung hätte als sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bewertet werden müssen. Der Kläger sei während seiner 18jährigen Betriebszugehörigkeit so gut wie nie arbeitsunfähig krank gewesen. Außerdem hätten die Lohnfortzahlungskosten den Beklagten wegen des Erstattungsanspruchs gemäß §§ 10 ff. Lohnfortzahlungsgesetz (im folgenden: LFZG) kaum belastet. Ferner sei nach ärztlicher Prognose mit der baldigen Gesundung des Klägers zu rechnen gewesen.

c) Der Ausschluß von Kleinbetrieben aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei mit Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Im Jahre 1970 seien etwa acht vom Hundert aller Arbeitnehmer in Betrieben mit nicht mehr als fünf Arbeitnehmern beschäftigt gewesen. 1978 seien nach einem Forschungsbericht des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht rund 21 vom Hundert aller Kündigungen in Kleinbetrieben ausgesprochen worden (Falke/Höland/Rhode/Zimmermann, Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Forschungsbericht Arbeitsrecht Nr. 47, 1981, S. 74; im folgenden: Forschungsbericht). Die betreffenden Arbeitnehmer seien damit ohne wirksamen Rechtsschutz und ohne eine realistische Möglichkeit zum Abschluß eines Abfindungsvergleichs geblieben.

Kleinbetriebe seien heute im allgemeinen in der Lage, eine Abfindung zu zahlen. Infolge des technischen Fortschritts könnten bei niedrigem Personaleinsatz hohe Gewinne erzielt werden. Notfalls lasse sich eine geringere Leistungsfähigkeit durch ein Umlageverfahren entsprechend § 10 LFZG ausgleichen. Schließlich liege auch ein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbarer Wettbewerbsvorteil der Kleinunternehmer darin, daß sie nicht mit Abfindungsverpflichtungen zu rechnen brauchten und deshalb geringere soziale Neben- und Vorhaltekosten hätten.

III.

Zu dem Aussetzungs- und Vorlagebeschluß haben sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, das Bundesarbeitsgericht, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft sowie - in einer gemeinsamen Stellungnahme - die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie geäußert.

1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hält § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG für verfassungskonform. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Der Gesetzgeber habe den besonderen Verhältnissen in Kleinbetrieben Rechnung tragen wollen. In derartigen Betrieben sei der persönliche Kontakt bei der Arbeitsleistung so eng, daß bei Spannungen im Betrieb eine nicht an besondere Gründe gebundene ordentliche Kündigung möglich sein müsse. Der Gesetzgeber sehe deswegen einen Schutz vor ungerechtfertigten arbeitgeberseitigen Kündigungen nur vor, wenn der Rechtsunwirksamkeitsgrund außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liege. Überdies belaste ein Kündigungsschutzverfahren den Arbeitgeber eines Kleinbetriebes unverhältnismäßig stark.

Mit der faktischen Ungleichbehandlung beim Abschluß von Abfindungsvergleichen könne die Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG selbst nicht begründet werden. Solche Vergleiche seien nicht zwangsläufig Folge des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Die Zahl der Abfindungsvergleiche besage zudem nichts über die Effektivität des durch das Kündigungsschutzgesetz gewährten Rechtsschutzes.

Das Sozialstaatsprinzip werde durch § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ebenfalls nicht verletzt. Der Staat habe seine Aufgabe, für einen sozialen Ausgleich und eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, erfüllt: Zum einen seien auch die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben durch Rechtsnormen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gegen willkürliche Kündigungen geschützt, zum anderen sage das Sozialstaatsprinzip nichts darüber aus, wie der Gesetzgeber den darin enthaltenen Gestaltungsauftrag im einzelnen zu realisieren habe.

Schließlich verstoße § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch nicht gegen Art. 103 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Auch Arbeitnehmer in Kleinbetrieben könnten gegen willkürliche Kündigungen Rechtsschutz erlangen.

2. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts teilt mit, daß er in seiner bisherigen Spruchpraxis § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ohne weiteres als verfassungskonform angesehen habe.

3. Der Deutsche Gewerkschaftsbund teilt die Auffassung des vorlegenden Gerichts. Die Benachteiligung der Arbeitnehmer in Kleinbetrieben sei sachlich nicht gerechtfertigt. Unsachlich sei die Anknüpfung an den Betrieb; dieser Begriff erfasse das Bild des mittelständischen Kleinunternehmers, der durch die vorgelegte Regelung geschüzt werden solle, nicht zutreffend. Die Intensivierung der Arbeitsformen sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungsbereich hätten zu höchst wettbewerbsfähigen und kapitalintensiven Betrieben mit kleiner Belegschaft geführt. Außerdem würden von der Regelung auch konzernangehörige Kleinbetriebe erfaßt.

Dem Gesichtspunkt der engen persönlichen Zusammenarbeit trage § 9 KSchG hinreichend Rechnung. Die beabsichtigte finanzielle und organisatorische Entlastung der Kleinbetriebe sei sachlich nicht gerechtfertigt. Finanzschwäche sei für den Kleinbetrieb nicht typisch. In organisatorischer Hinsicht würden Kleinbetriebe durch ihre Kammern oder Verbände hinlänglich unterstützt. Die vorgelegte Norm sei jedenfalls unverhältnismäßig. Arbeitnehmer in Kleinbetrieben seien in besonderer Weise schutzbedürftig. In einigen Sektoren - Werbeagenturen, Datenverarbeitung und Software-Beratung - arbeiteten 98 vom Hundert der Beschäftigten in Kleinbetrieben, insgesamt handele es sich dabei um rund drei Millionen Beschäftigte.

4. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft pflichtet dem vorlegenden Gericht bei. Jährlich bleibe knapp ein Viertel aller in Deutschland ausgesprochenen Kündigungen ohne wirksame rechtliche Überprüfung, weil die betroffenen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben beschäftigt seien. Das Kündigungsrisiko sei im Kleinbetrieb ungefähr doppelt so groß wie in Betrieben mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 20 und 50 Arbeitnehmern, vier Mal größer als in Betrieben mit 300 bis 2.000 Arbeitnehmern und beinahe sieben Mal größer als in Großbetrieben mit über 2.000 Arbeitnehmern. Arbeitgeber von Kleinbetrieben seien erfahrungsgemäß aus freien Stücken nicht bereit, über die Zahlung einer Abfindung zu verhandeln. Die Wirtschaftskraft vieler Kleinbetriebe übersteige diejenige von Großbetrieben. Der Gesetzgeber könne durch Umlage einen Ausgleich schaffen.

5. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie halten die Regelung für sachlich gerechtfertigt. Die Sonderstellung der Kleinbetriebe habe sich historisch entwickelt und seit langem in der Praxis bewährt. Sie sei auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gerechtfertigt. Kleinbetriebe müßten ihren Personalbestand gegebenenfalls auch kurzfristig an die Auftragslage anpassen können. Damit korrespondiere eine höhere Einstellungsbereitschaft bei steigender Nachfrage.

Kleinbetriebe verfügten über eine geringere Kapitaldecke als Großbetriebe. Der aus den hohen Anforderungen an die soziale Rechtfertigung einer Kündigung resultierende faktische Zwang zur Weiterbeschäftigung sowie die hohen Verwaltungs- und Prozeßkosten könnten zu einer überproportionalen finanziellen Belastung führen. Das Betriebsklima in Kleinbetrieben sei wegen der persönlichen Bindungen anfälliger als in Großbetrieben. Abfindungen im Rahmen von Vergleichen beruhten auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und nicht auf Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes.

B.

Die zur Prüfung gestellte Norm war nach Maßgabe der Entscheidungsgründe mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Vorrangig ist sie am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

1. Dieses Grundrecht garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Der Einzelne wird in seinem Entschluß, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Dagegen ist mit der Berufswahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebensowenig gewährt Art. 12 Abs. 1 GG einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat aber eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 92, 140 <150>).

2. Die Kleinbetriebsklausel greift in bestehende Arbeitsverhältnisse und damit in eine grundrechtlich geschützte Position von Arbeitnehmern nicht ein. Es handelt sich um eine das private Vertragsrecht ausgestaltende Norm, die allein am objektiven Gehalt der Grundrechte zu messen ist. Art. 12 Abs. 1 GG kann durch sie nur verletzt sein, wenn der Gesetzgeber damit seiner aus diesem Grundrecht abzuleitenden Pflicht zum Schutz der Arbeitnehmer vor Arbeitgeberkündigungen nicht hinreichend nachgekommen ist.

3. Die Norm ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

a) Bei privatrechtlichen Regelungen, die der Vertragsfreiheit Grenzen setzen, geht es um den Ausgleich widerstreitender Interessen, die regelmäßig grundrechtlich verankert sind. So liegt es auch hier. Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an einer Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken. Er übt damit regelmäßig seine Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, aus, die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist. Für den Gesetzgeber stellt sich damit ein Problem praktischer Konkordanz. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, daß sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 89, 214 <232>).

Dem Gesetzgeber, der diese Interessen zu einem gerechten Ausgleich bringen will, ist ein weiter Gestaltungsfreiraum eingeräumt. Die Einschätzung der für die Konfliktlage maßgeblichen ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen liegt in seiner politischen Verantwortung, ebenso die Vorausschau auf die künftige Entwicklung und die Wirkungen seiner Regelung. Dasselbe gilt für die Bewertung der Interessenlage, das heißt die Gewichtung der einander entgegenstehenden Belange und die Bestimmung ihrer Schutzbedürftigkeit. Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten kann daher in einer solchen Lage nur festgestellt werden, wenn eine Grundrechtsposition den Interessen des anderen Vertragspartners in einer Weise untergeordnet wird, daß in Anbetracht der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Grundrechts von einem angemessenen Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann (so etwa in BVerfGE 81, 242 <255>; 89, 214 <232 ff.>).

b) Daran gemessen verletzt die Kleinbetriebsklausel Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Der Gesetzgeber hat mit ihr einen Ausgleich zwischen den Belangen der Arbeitsvertragsparteien getroffen, der der aus dieser Grundrechtsnorm abzuleitenden Schutzpflicht genügt. Die einander gegenüberstehenden Belange sind angemessen berücksichtigt worden. Die betroffenen Arbeitnehmer sind Kündigungen durch den Arbeitgeber nicht schutzlos ausgeliefert.

aa) Bei einer Regelung des Kündigungsschutzes sind auf seiten des Arbeitnehmers gewichtige Belange in die Waagschale zu werfen. Berufliche Tätigkeit, für die Art. 12 Abs. 1 GG den erforderlichen Freiraum gewährleistet, kann er ausschließlich durch den Abschluß und den Fortbestand von Arbeitsverträgen realisieren (vgl. BVerfGE 81, 242 <254>). Der Arbeitsplatz ist die wirtschaftliche Existenzgrundlage für ihn und seine Familie. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden davon bestimmt, ebenso gesellschaftliche Stellung und Selbstwertgefühl. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht in Frage gestellt. Die Aussichten, eine ähnliche Position ohne Einbußen an Lebensstandard und Verlust von Nachbarschaftsbeziehungen zu finden, hängen vom Arbeitsmarkt ab. In Zeiten struktureller Arbeitslosigkeit sind sie vor allem für den älteren Arbeitnehmer schlecht. Gelingt es ihm nicht, alsbald einen neuen Arbeitsplatz zu finden, gerät er häufig in eine Krise, in der ihm durch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nur teilweise und auch nur für einen begrenzten Zeitraum geholfen wird.

bb) Auf der anderen Seite ist auch das Kündigungsrecht des Kleinunternehmers in hohem Maße schutzwürdig. In einem Betrieb mit wenigen Arbeitskräften hängt der Geschäftserfolg mehr als bei Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeitnehmer ab. Auf seine Leistungsfähigkeit kommt es ebenso an wie auf Persönlichkeitsmerkmale, die für die Zusammenarbeit, die Außenwirkung und das Betriebsklima von Bedeutung sind. Kleine Teams sind anfällig für Mißstimmungen und Querelen. Störungen des Betriebsklimas können zu Leistungsminderungen führen, die bei geringem Geschäftsvolumen spürbar auf das Ergebnis durchschlagen. Ausfälle lassen sich bei niedrigem Personalbestand nur schwer ausgleichen. Typischerweise arbeitet bei kleinen Betrieben der Unternehmer selbst als Chef vor Ort mit. Damit bekommt das Vertrauensverhältnis zu jedem seiner Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert. Auch die regelmäßig geringere Finanzausstattung fällt ins Gewicht. Ein Kleinbetrieb ist häufig nicht in der Lage, Abfindungen bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Personal mitzutragen. Schließlich belastet auch der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozeß mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen.

cc) Mit der zur Prüfung gestellten Norm hat dieser Interessengegensatz einen Ausgleich gefunden, der verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Den Arbeitnehmern in Kleinbetrieben ist das größere rechtliche Risiko eines Arbeitsplatzverlustes angesichts der schwerwiegenden und grundrechtlich geschützten Belange der Arbeitgeber zuzumuten. Dabei fällt ins Gewicht, daß die Arbeitnehmer durch ihre Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz nicht völlig schutzlos gestellt sind. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten (vgl. BVerfGE 7, 198 <204 ff.>). Hier ergeben sich die maßgebenden Grundsätze vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitsplatzes vor Verlust durch private Disposition ist damit in jedem Fall gewährleistet. Wie weit dieser Schutz im einzelnen reicht, ist von den Arbeitsgerichten zu entscheiden.

Ausgangspunkt einer solchen Würdigung ist der Respekt vor der gesetzgeberischen Eingrenzung des gesetzlichen Kündigungsschutzes durch § 23 Abs. 1 KSchG. Der durch die Generalklauseln vermittelte Schutz darf nicht dazu führen, daß dem Kleinunternehmer praktisch die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend in ständiger Rechtsprechung betont (BAGE 28, 176 <184>; 77, 128 <133> jeweils m.w.N.). Darüber hinaus wirkt der durch die Generalklauseln vermittelte Grundrechtsschutz um so schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind.

In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. dazu etwa BAGE 77, 128 <133 f.>). Zutreffend werden in der Literatur als Beispiele dafür Diskriminierungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG genannt (Oetker, ArbuR 1997, S. 41 <48>; Preis, NZA 1997, S. 1256 <1266>). Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme (vgl. BVerfGE 84, 133 <154 ff.>; BAGE 79, 128 <138>). Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben.

Der objektive Gehalt der Grundrechte kann auch im Verfahrensrecht Bedeutung erlangen (vgl. BVerfGE 89, 276 <289 f.>). Für die Wirksamkeit des gerichtlichen Kündigungsschutzes ist die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast von besonderer Bedeutung (vgl. Preis, NZA 1997, S. 1256 <1268>). Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gilt diese Regel nicht. Wie die Darlegungs- und Beweislast unter Beachtung verfassungsrechtlicher Positionen bei der Anwendung der Generalklauseln in §§ 138 oder 242 BGB zu beurteilen ist, läßt sich nicht allgemein festlegen (vgl. dazu Oetker, ArbuR 1997, S. 41 <53>; Preis, NZA 1997, S. 1256 <1269>; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 1983, S. 248 f.). Für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bietet das Prozeßrecht aber geeignete Handhaben (vgl. Preis, a.a.O.).

c) Der Umstand, daß in Verfahren nach dem Kündigungsschutzgesetz zumeist weniger um die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gestritten als über eine Abfindung verhandelt wird, ändert nichts an dieser Beurteilung. Durch diese Entwicklung wird weder die Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes verfehlt noch verliert die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz ihre innere Rechtfertigung.

Die Erwartung des Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis nur gegen Abfindung beenden zu können, wirkt sich im Vorfeld einer Kündigung arbeitsplatzschützend aus. Er wird diese Aufwendung nur in Fällen in Kauf nehmen, die ihm besonders dringlich erscheinen. Im Abfindungsvergleich wird der vom Gesetz in erster Linie erstrebte Bestandsschutz von den Parteien in einen Geldausgleich umgemünzt, dessen Höhe der übereinstimmenden Bewertung der Prozeßaussichten entspricht. Auch darin schlägt sich mithin der durch das Gesetz vermittelte Schutz nieder. Die spezifischen und vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehenen Interessen des Kleinunternehmers an der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses würden seine Verhandlungsposition bei Abfindungsverhandlungen schwächen, wenn er den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes unterworfen wäre. Außerdem würde der wirtschaftlich schwache Kleinbetriebsinhaber durch eine Abfindung härter getroffen als ein größerer Betrieb, der Abfindungen eher aufbringen kann (vgl. dazu Wank, Anm. zu BAG, EzA § 23 KSchG Nr. 8).

d) Ob der Gesetzgeber in § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG die Grenze zum Kleinbetrieb in verfassungskonformer Weise gezogen hat, ist im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG als dem insoweit sachnäheren Grundrecht zu erörtern.

II.

Die zur Prüfung gestellte Norm ist nach Maßgabe der Entscheidungsgründe auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar.

1. Für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Normen gibt der allgemeine Gleichheitssatz keinen einheitlichen Prüfungsmaßstab vor. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Anforderungen sind um so strenger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten nähern. Bei einer an Sachverhalten orientierten Ungleichbehandlung kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungsmerkmale zu beeinflussen. Die unterschiedliche Bindung des Gesetzgebers wirkt sich entsprechend auf die ihm zustehende Einschätzungsprärogative und auch auf die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte aus (vgl. im einzelnen BVerfGE 88, 87 <96 f.>).

2. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG benachteiligt die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben im Vergleich zu Arbeitnehmern in größeren Betrieben. Die Regelung hat, wie dargelegt, Auswirkungen auf die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der beruflichen Tätigkeit; der Gesetzgeber unterliegt somit grundsätzlich einer strengeren Bindung (vgl. BVerfGE 82, 126 <146>).

3. Das Fehlen des allgemeinen Kündigungsschutzes trifft die Arbeitnehmer im Kleinbetrieb nicht leicht. Die rechtlichen Unterschiede zwischen dem Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz und dem nur durch die zivilrechtlichen Generalklauseln gewährten Mindestschutz sind bereits dargelegt worden. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat zur Folge, daß ein sehr erheblicher Teil des Handwerks, des Einzelhandels, der bäuerlichen Betriebe und der Betriebe von Angehörigen freier Berufe aus dem Kündigungsschutz herausgenommen ist. Nach einer rechtstatsächlichen Untersuchung waren davon Ende der 70er Jahre rund 1,8 Millionen Arbeitnehmer betroffen (vgl. dazu die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vergebene empirische Untersuchung von Falke/Höland/Rhode/Zimmermann, Forschungsbericht, S. 74; Hueck/von Hoyningen-Huene, Kündigungsschutzgesetz, 12. Aufl. 1997, § 23 Rn. 19). Die vorhandenen Statistiken enthalten nach wie vor keine Daten über Betriebe, die höchstens fünf Arbeitnehmer beschäftigen, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich 45 Stunden übersteigt, und die deshalb nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Nach der Arbeitsstättenzählung 1987 waren in den 1.688.000 Arbeitsstätten mit einem bis zu vier Beschäftigten 2.608.000 Männer und 854.000 Frauen, in den 495.000 Arbeitsstätten mit fünf bis neun Beschäftigten 1.579.000 Männer und 1.612.000 Frauen tätig (vgl. dazu die Angaben der Bundesregierung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C 189/91, S. 19 ff. des Sitzungsberichts).

4. Gleichwohl liegt ein Gleichheitsverstoß nicht vor.

a) Daß die schon genannten Sachgesichtspunkte, die es rechtfertigen, die Arbeitnehmer aus Kleinbetrieben in ihrem Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes zu beschränken, zugleich auch eine Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmer im Vergleich zu denen rechtfertigen, die in größeren Betrieben tätig sind, bedarf nach den Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 GG keiner weiteren Darlegung.

b) Die Norm ist aber auch im Hinblick auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Definition des Kleinbetriebes nicht zu beanstanden, durch die die Gruppe der benachteiligten Arbeitnehmer gebildet wird. Das gilt sowohl hinsichtlich der Größe des Kleinbetriebes (aa) als auch - bei verfassungskonformer Auslegung - hinsichtlich der Anknüpfung an den Begriff "Betrieb" (bb).

aa) Mit der Festlegung der maßgeblichen Betriebsgröße durch die Zahl der dort vollbeschäftigten Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber eine typisierende Regelung getroffen, die den dafür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt. Jede gesetzliche Regelung muß generalisieren. Der Gesetzgeber ist daher insbesondere bei Massenerscheinungen gezwungen, aber auch berechtigt, bei seinen Entscheidungen von dem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt (vgl. BVerfGE 11, 245 <254>; stRspr; zuletzt BVerfGE 89, 15 <24>). Die arbeitgeberseitige Kündigung ist eine typische Massenerscheinung. Klare Regelungen sind für das Funktionieren einer arbeitsteiligen Wirtschaft und einer komplexen öffentlichen Verwaltung unentbehrlich. Sie liegen auch im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien. Dies rechtfertigt es, den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes anhand einfacher, leicht feststellbarer Tatsachen abzugrenzen.

In der Sache geht es dabei um eine Abgrenzung typischer Interessenlagen. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß die im ersten und zweiten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes getroffenen Regelungen erst ab einer bestimmten Betriebsgröße einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellen. Das ist im Ansatz sachgerecht. Es ist schon dargelegt worden, daß bei enger persönlicher Zusammenarbeit, insbesondere persönlicher Mitarbeit des Arbeitgebers im Betrieb, sowie bei geringerer Finanzausstattung und Verwaltungskapazität des Unternehmens gute Gründe dafür sprechen, dem Arbeitgeber freiere Hand bei der Ausübung seines Kündigungsrechts einzuräumen, als ihm die allgemeinen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erlauben.

Die im Gesetz festgelegte Grenze ist insofern keine absolute, als Teilzeitkräfte, die weniger als zehn Wochenstunden oder 45 Stunden im Monat arbeiten, unberücksichtigt bleiben. Die damit aufgeworfenen Fragen sind Gegenstand eines anderen Normenkontrollverfahrens, über das heute entschieden worden ist. Danach steht die Norm nur insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang, als unter Zugrundelegung der Anrechnungsmodalität des Satzes 3 in der seit dem geltenden Neufassung von § 23 Abs. 1 KSchG ein Kleinbetrieb vorliegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluß in der Sache 1 BvL 22/93 verwiesen.

Mit dieser Grenzziehung trifft das Gesetz die Gruppe der schutzwürdigen Kleinunternehmer mit hinreichender Genauigkeit. Bei Betrieben in dieser Größenordnung können die Verhältnisse durchaus noch so liegen, wie der Gesetzgeber annimmt. Jedenfalls liegen keine hinreichenden Gründe dafür vor, daß dies mit beachtlicher Häufigkeit nicht der Fall ist. Sicherlich gibt es zahlreiche hochautomatisierte Betriebe mit kleiner Belegschaft, die so finanzstark sind, daß ihnen der gesetzliche Kündigungsschutz ohne weiteres zugemutet werden könnte, und die bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auch angemessene Abfindungen zahlen können. Andererseits gibt es aber auch personalintensive Betriebe mit größerer Belegschaft, für die das nicht in gleichem Umfang zutrifft. Vergleichendes Zahlenmaterial, aus dem sich ergäbe, daß der Gesetzgeber die Verhältnisse mit der von ihm vorgenommenen Grenzziehung gröblich verkannt hätte, liegt nicht vor. Sollte der gemäß der Entschließung des Bundestages vom (Sitzungsprotokoll 13/117, S. 10616) angeforderte Bericht über Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland (BTDrucks 13/5107) etwas anderes ergeben, wäre der Gesetzgeber gehalten, seine Regelung zu überprüfen.

bb) Im Ergebnis ist auch nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber an dem Begriff "Betrieb" als Unterscheidungsmerkmal festgehalten hat, obwohl im Schrifttum vielfach darauf hingewiesen worden ist, daß die für die Kleinbetriebsklausel bestimmende Interessenlage sich genauer durch den Begriff "Unternehmen" kennzeichnen lasse (vgl. Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages, Hannover 1992, Bd. 1 <Gutachten> Teil D, S. 129; auch Hanau, ZRP 1978, S. 215 <221>). Unter "Betrieb" wird allgemein die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt (vgl. etwa Etzel, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften - KR -, 4. Aufl. 1996, § 1 KSchG Rn. 138 ff.; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 1997, § 1 KSchG Rn. 17 beide m.w.N.). Darunter können im Einzelfall auch Teile größerer Unternehmen fallen, für die die Gesichtspunkte nicht zutreffen, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben bei der Ausgestaltung des Kündigungsrechts rechtfertigen (kritisch dazu: Weigand, in: KR, § 23 KSchG Rn. 17). Das ist in der Tat mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.

Der Betriebsbegriff läßt sich jedoch im Wege verfassungskonformer Auslegung auf die Einheiten beschränken, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel allein bestimmt ist. Die Verwendung dieses Begriffes in § 23 KSchG hat historische Gründe; ursprünglich war der Kündigungsschutz im Betriebsverfassungsgesetz verankert und auf die Betriebe beschränkt, bei denen eine Vertretung bestand (vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, 1988, S. 335 ff.). Der Begriff ist aber dadurch nicht so eindeutig vorgeprägt, daß er im Zusammenhang des Kündigungsschutzgesetzes keiner einschränkenden Auslegung zugänglich wäre. Durch eine am Sinn und Zweck der Kleinbetriebsklausel orientierte Interpretation des Betriebsbegriffs läßt sich vermeiden, daß Einheiten darunter fallen, für die der Schutzgedanke des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht zutrifft. Der Anwendungsbereich der Norm wird damit auf Fälle beschränkt, für die die Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer sachlich begründet ist. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wird dadurch vermieden (so im Ergebnis bereits BAG, AP Nr. 1 zu § 23 KSchG 1969; dazu Joost, a.a.O., S. 339 f. m.w.N.).

III.

Die zur Prüfung gestellte Norm steht mit dieser Maßgabe auch mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) im Einklang. Es begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen; bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber indessen ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 5, 85 <198>; 59, 231 <263>). Zu der Frage, inwieweit der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eingeschränkt und damit den dort beschäftigten Arbeitnehmern der allgemeine Kündigungsschutz genommen werden kann, läßt sich diesem Prinzip nichts Näheres entnehmen. Insofern setzt Art. 12 Abs. 1 GG den konkreteren Maßstab.

IV.

Prozeßgrundrechte werden durch die vorgelegte Norm nicht verletzt.

Auch in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten ist das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter gewährleistet (vgl. BVerfGE 85, 337 <345> m.w.N.). Dieser Justizgewährleistungsanspruch wird auch den Arbeitnehmern in Kleinbetrieben durch § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht vorenthalten. Sie können vor den Arbeitsgerichten um Rechtsschutz gegen eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nachsuchen. Die Frage nach den Erfolgsaussichten einer solchen Klage und der darin begründeten Aussichten auf einen Abfindungsvergleich betrifft das materielle Kündigungsschutzrecht, das hier, wie dargelegt, allein an Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist und dieser Prüfung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen standhält.

Fundstelle(n):
MAAAB-85025