BFH Beschluss v. - I B 91/05

Instanzenzug: ,F

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, erwarb im Jahr 1996 Anteile an einer GmbH. Im Jahr 1997 machte sie eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung von 500 000 DM geltend. Diese versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) unter Hinweis auf § 50c Abs. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UntStRFoG) vom (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage im Wesentlichen geltend, der Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 sei bezüglich der erstmaligen Anwendbarkeit des § 50c Abs. 11 EStG 1997 unklar. Die Anwendung der Vorschrift auch auf Anteile, die vor 1997 erworben worden seien, verstoße gegen rechtsstaatliche Grundsätze.

Nach der mündlichen Verhandlung setzte das Finanzgericht (FG) das Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus. Die dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluss des (BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27) zur Entscheidung vorgelegte Frage, ob die ersatzlose Streichung von § 12 Abs. 2 Satz 4 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 1995 i.d.F. bis zur Änderung durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. a UntStRFoG gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße, sei vorgreiflich, denn die im Streitfall maßgebende Regelung des § 50c Abs. 11 EStG 1997 sei durch das UntStRFoG vom in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden. Damit habe die mit dem Vorlagebeschluss verbundene Frage, ob das UntStRFoG vom in einem formell verfassungsgemäßen Verfahren zustande gekommen sei, auch Bedeutung für den Streitfall.

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, die Voraussetzungen des § 74 FGO seien nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt, den aufzuheben und das Verfahren wieder aufzunehmen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat das Klageverfahren zu Unrecht ausgesetzt.

Nach § 74 FGO kann ein FG die Aussetzung eines bei ihm anhängigen Verfahrens anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Aussetzung des Klageverfahrens entsprechend der Vorschrift des § 74 FGO auch dann geboten sein, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (, BFH/NV 2004, 967, m.w.N.; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Tz. 19).

Dem BVerfG liegt ein Normenkontrollverfahren vor, dem der Vorlagebeschluss des erkennenden Senats in BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27 zugrunde liegt. In diesem Beschluss hält der Senat die ersatzlose Streichung von § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 für nicht in formell verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG). Der Streitfall betrifft jedoch die Regelung des § 50c Abs. 11 EStG 1997, eingefügt durch das UntStRFoG vom . Unterstellt, das BVerfG erklärt die Streichung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 für verfassungswidrig, hätte dies keine unmittelbare Auswirkung auf das hier streitige Verfahren, denn das BVerfG entscheidet grundsätzlich nur über die Verfassungsmäßigkeit des ihm vorgelegten Gesetzes (§ 78 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). Das Verfahren beim BVerfG betrifft demnach eine andere Norm. Ferner liegen keine zahlreichen Parallelverfahren vor. Die Klägerin hat auch ein besonderes berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Entscheidung, da sie mit ihrer Klage nicht die formelle Verfassungsmäßigkeit des § 50c Abs. 11 EStG 1997 in Frage stellt, sondern der Auffassung ist, die Vorschrift sei im Streitjahr noch nicht anwendbar.

Darüber, ob es in Anbetracht einer möglicherweise gebotenen gleich gelagerten verfassungsrechtlichen Beurteilung sinnvoll gewesen wäre, das Klageverfahren zum Ruhen zu bringen, war nicht zu entscheiden; entsprechende Anträge haben die Beteiligten nicht gestellt (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung).

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (vgl. , BFH/NV 2001, 800, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1115 Nr. 6
XAAAB-82023