Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IV 301 - S 2140 - 1/06

Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen; Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 222, 227 AO);

Bezug: (BStBl 2003 I S. 240)

In Ergänzung zu den im getroffenen Regelungen gilt folgendes:

1. Nichtgeltung von Zustimmungserfordernissen – Mitteilung der Fälle (Rn. 14)

Die Finanzämter entscheiden im Rahmen des in eigener Zuständigkeit über das Vorliegen von Sanierungsgewinnen.

Die im Erlass des Finanzministeriums vom (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder; BStBl 2004 I S. 29; AO-Handbuch 2005, Anhang 59) vorgesehenen allgemeinen Zustimmungserfordernisse für Billigkeitsmaßnahmen gelten insoweit nicht.

Die Fälle sind nach Rn. 14 des dem BMF jedoch nachrichtlich über das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern mitzuteilen, soweit sie die im BStBl 2002 I S. 61 vorgesehenen Betrags- oder Zeitgrenzen übersteigen. An die Stelle des BStBl 2002 I S. 61 ist inzwischen das BStBl 2003 I S. 401 getreten. Die Betrags- und Zeitgrenzen sind aber unverändert geblieben.

Das FinMin bittet daher über alle Fälle, in denen entsprechend dem Billigkeitsmaßnahmen getroffen und die Grenzen des überschritten worden sind, unterrichtet zu werden. Dazu ist das beigefügte Muster zu verwenden.

Zweifelhafte Fälle sind aber vor Entscheidung dem Einkommenssteuerreferat des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vorzulegen.

2. Gewerbesteuerliche Auswirkungen (Rn. 15)

2.1 Über Billigkeitsmaßnahmen entscheiden grundsätzlich die Gemeinden

Bereits das BMF weist in Abschnitt VI (Rn. 15) des Schreibens vom darauf hin: „Für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig.” Rechtsgrundlage dafür ist in M-V § 1 des Gesetzes zur Übertragung der Verwaltung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden vom (GVOBl. M-V 1991 S. 362).

Danach obliegt die Verwaltung der Gewerbesteuer mit Ausnahme der Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge in M-V den steuerberechtigten Gemeinden. Entsprechend entscheiden diese allein über Stundung, Niederschlagung und Erlass (vgl. Abschn. 3 Abs. 1 und Abschn. 7 Abs. 1 GewStR 1998). Das kann und will an dieser Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Finanzämtern und Gemeinden nichts ändern.

Insbesondere hat die durch das Betriebsfinanzamt getroffene Qualifikation als Sanierungsgewinn keine bindende Wirkung im Hinblick auf mögliche Billigkeitsmaßnahmen durch die Gemeinde. Jede Gemeinde muss deshalb für Zwecke der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliegt und inwieweit eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit für den Gewerbetreibenden anzunehmen ist.

2.2 Die Gemeinden entscheiden auch über eine abweichende Festsetzung des Steuermessbetrags nach § 163 AO

Die (praktisch) ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinde für Entscheidungen über Billigkeitsmaßnahmen gilt vorliegend im Ergebnis auch für die abweichende Festsetzung des Steuermessbetrags nach § 163 AO.

§ 163 Satz 1 und Satz 2 AO regeln unterschiedliche Fallgestaltungen einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen:

  1. Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

    Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem  IV A 6 – S 2140 – 8/03 BStBl 2003 I S. 240 für die Gewerbesteuer nicht vorgesehen.

    Die Betriebsfinanzämter wären ggf. aber auch nicht befugt, solche Billigkeitsmaßnahmen zu treffen. Wie bereits unter 2.1 ausgeführt, ist dies nach Abschn. 6 Abs. 1 Satz 1 GewStR 1998 ausschließlich den Gemeinden vorbehalten. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO hier nicht einschlägig ist. Danach schließt die Befugnis der Betriebsfinanzämter, Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen, auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Das ist nicht als Richtlinie in diesem Sinne anzusehen.

  2. Nach § 163 Satz 2 AO kann mit Zustimmung des Steuerpflichtigen bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Insoweit ist zwischen der Zuständigkeit der Finanzämter und der Zuständigkeit der Gemeinden zu unterscheiden:

    1. Finanzämter

      § 163 Satz 2 AO gilt bereits dem Wortlaut nach unmittelbar nur für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Steuern vom Einkommen, nicht aber für die Gewerbesteuer als Steuer vom (Gewerbe-) Ertrag. Zwar würde nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO eine Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wirken. Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne, d. h. Billigkeitsmaßnahmen, die die gewerblichen Einkünfte beeinflussen und sich deshalb auch auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewerbesteuermessbetrag auswirken, sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem praktisch nur ganz ausnahmsweise denkbar.

      Soweit nach Rn. 8 Satz 2 des die Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen ist, geht es nach Rn. 8 Satz 3 darum, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen sind. Die dort beispielhaft genannten Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen: „insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15 Abs. 4, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG” finden für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags jedoch nur sehr eingeschränkt Anwendung.

      Es kann sich nur um Fälle handeln, bei denen die eingeschränkte Verlustverrechnung unselbständige Einkunftsteile ein und desselben Gewerbebetriebs erfasst (z. B. Beteiligung an einem Verlustzuweisungsfonds im Betriebsvermögen). Gleichzeitig dürfen der Berücksichtigung dieser Verluste nicht bereits gewerbesteuerliche Vorschriften entgegenstehen (z. B. Verluste aus ausländischen Betriebsstätten wegen § 2 Abs. 1 GewStG oder Verluste aus mitunternehmerischer Beteiligung wegen § 8 Nr. 8 GewStG). Nur wenn diese Voraussetzungen ausnahmsweise gegeben sein sollten, wirkt die vorzeitige Berücksichtigung entsprechender Verluste nach § 163 Satz 2 AO für die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch mindernd für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags (§ 184 Abs. 3 Satz 2 AO).

    2. Gemeinden

      Die Gemeinden können den Rechtsgedanken des § 163 Satz 2 AO analog anwenden und – mit Zustimmung des Steuerpflichtigen – bei der Gewerbesteuer zulassen, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen war dies bis EHZ 2003 ohne Bedeutung.

      Ab EHZ 2004 ist jedoch bei der Gewerbesteuer durch § 10a Satz 1 und 2 GewStG die Möglichkeit des Verlustvortrags eingeschränkt worden. Der maßgebende Gewerbeertrag wird nur bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € um vortragsfähige Gewerbeverluste gekürzt. Der 1 Mio. € übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist nur noch bis zu 60 v. H. um vortragsfähige Gewerbeverluste zu kürzen. Seitdem müssen die Gemeinden prüfen, ob sie evtl. Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen unter den Vorbehalt stellen, dass zunächst alle vorhandenen Verlustverrechnungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden (analog Rz. 8 Satz 3 des .

      Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des § 184 Abs. 2 Satz 2 AO nicht einschlägig ist, weil es sich bei § 10a Satz 1 und 2 GewStG um eine eigenständige Verlustabzugsbeschränkung des Gewerbesteuerrechts handelt. Die bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu beachtende ‚Mindestbesteuerung‘ nach § 10d Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG beeinflusst nicht die Ausgangsgröße ‚Gewinn aus Gewebebetrieb‘ für die Ermittlung des Gewerbeertrags.

2.3 Unterrichtung der Gemeinde

Das Betriebsfinanzamt teilt der Gemeinde spätestens im Rahmen der Erteilung des Gewerbesteuermessbescheids im Verfahren nach § 184 Abs. 3 AO der Gemeinde förmlich mit

  1. die Grundlagen einer möglicherweise abweichenden Festsetzung des Gewerbeertrags,

  2. die Höhe des Sanierungsgewinns und

  3. in Zerlegungsfällen zusätzlich die anteilige Verteilung auf die einzelnen, zerlegungsberechtigten Gemeinden.

Im Interesse des zu sanierenden Unternehmens soll das Betriebsfinanzamt jedoch mit dessen Einverständnis die Gemeinde bereits frühzeitig unterrichten, wenn nach seinem Dafürhalten die Voraussetzungen für sachliche Billigkeitsmaßnahmen nach Maßgabe des zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen vorliegen.

Anlage 1

Tabelle in neuem Fenster öffnen
Finanzamt
Name des
Steuerpflichtigen
Steuernummer
abweichend
festgesetzte
Steuer
gestundeter
Betrag
(ESt/KSt)
Stundung
bis
(Datum)
Erlassene
Steuer

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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SAAAB-80811