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Verwertungsverbote im Steuerstrafverfahren
I. Definition
Verwertungsverbote dienen der Sicherung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens und schützen vor bestimmten Unrechtmäßigkeiten, die einem Ermittlungsverfahren anhaften können. Verfahrensfehler führen unter bestimmten Voraussetzungen dazu, dass Erkenntnisse aus solchen Maßnahmen nicht verwertet werden dürfen.
II. Vorbemerkung
Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen gem. § 393 Abs. 1 S. 1 AO unabhängig und gleichrangig nebeneinander, die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren richten sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften (vgl. dazu auch Stichwort „Steuerstrafverfahren, Steuerordnungswidrigkeitsverfahren” unter II. 2. ).
Die Frage nach einem Verwertungsverbot im Steuerstrafverfahren ist folglich nach strafprozessualen, im Besteuerungsverfahren nach abgabenrechtlichen Vorschriften, ggf. unter Einbeziehung vorrangiger Verfassungsgrundsätze, zu beantworten. Das Stichwort befasst sich ausschließlich mit Verwertungsverboten im steuerstrafrechtlichen Verfahren. Wegen der Verwertungsverbote im Besteuerungsverfahren wird auf das Stichwort „Verwertungsverbote im Besteuerungsverfahren” verweisen.
III. Die Verwertungsverbote
1. Allgemeines
Für das Steuerstrafverfahren können sich Verwertungsverbote ergeben
als absolute Verwertungsverbote im Strafverfahrensrecht
aus strafrechtlichen Ermittlungsfehlern
aus Fehlern im Besteuerungsverfahren.
Strafrechtliche Verwertungsverbote gelten auch im Steuerstrafverfahren, soweit die AO nichts anderes bestimmt (§ 385 Abs. 1 AO).
Obwohl das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO nicht das Steuerstrafverfahren, sondern das Strafverfahren wegen nicht steuerlicher Straftaten betrifft, wird es wegen seiner allgemeinen Bedeutung in diesem Stichwort behandelt (s. IV. 6.).
Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können. Daher ist ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Nach Ansicht des BVerfG ist es von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten erkennt das BVerfG nur in den Fällen an, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist.
2. Fernwirkung
Verfahrensfehler, die ein Verwertungsverbot zur Folge haben, üben nicht grundsätzlich eine Fernwirkung dergestalt aus, dass auch Tatsachen oder Beweismittel nicht verwertet werden dürfen, die durch weitere Ermittlungen auf Grund der bekannt gewordenen, aber nicht verwertbaren Tatsachen oder Beweismittel erlangt werden und unabhängig von den ursprünglichen Mitteilungen des Steuerpflichtigen die Strafverfolgung begründen können. Eine Fernwirkung wird aber dann bejaht, wenn die Finanzbehörde ihre Erkenntnis durch qualifizierte, grundrechtsrelevante Verfahrensverstöße oder in strafbarer Weise erhalten hat.Vgl. dazu u. a. Seipl in Beermann/Gosch, § 393 AO Rz. 141 m. w. N.; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 393 AO Rz. 178 m. w. N., v. Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt, § 196 AO Rz. 19a sowie Hagemeier, NWB F. 13 S. 1081 unter IV. Erkenntnisse, die aufgrund einer aus der Schweiz oder Liechtenstein erlangten sog. "Steuer-CD" gewonnen wurden, deren Daten durch den Informanten ggf. auf strafbare Weise beschafft wurden, dürfen verwertet werden.