BFH Beschluss v. - VII B 301/05

Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids

Gesetze: AO § 47, AO § 218, FGO § 69

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betrieb im Streitjahr mit dem Antragsteller zu 1. des Ausgangsverfahrens eine Rechtsanwaltssozietät. Anlässlich einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass im Streitjahr neben Einkünften aus selbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt worden waren, woraufhin der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) mit geändertem Feststellungsbescheid 1990 über Besteuerungsgrundlagen und Bescheid über Steuern der Personengesellschaften und Gemeinschaften vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom die Steuerrate 1990 auf ... € festsetzte. Außerdem erließ das FA unter dem einen Abrechnungsbescheid, der —in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom — die festgesetzte Steuerrate 1990 als in Höhe von ... € getilgt und dementsprechend noch einen Zahlungsanspruch in Höhe von ... € auswies. Gegen beide Bescheide wurde Klage erhoben und jeweils die Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom in Höhe von ... € aus und lehnte im Übrigen den Antrag auf AdV ab. Das FG hielt den Antrag auf AdV hinsichtlich des Abrechnungsbescheids für zulässig, da mit diesem über den Fortbestand des Steueranspruchs in Höhe von ... € entschieden und damit ein Erlöschen der Restschuld verneint worden sei und da im Festsetzungsverfahren der hiergegen erhobene Einwand des teilweisen Erlöschens der Forderung durch Zahlung nicht berücksichtigt werden könne. Der Antrag sei auch in der bezeichneten Höhe begründet, da ernstliche Zweifel bestünden, ob nicht der gegenüber dem FA vorgenommene Buchausgleich anderer Finanzämter als Zahlung der Steuerschuldner auf die Steuerrate 1990 anzusehen sei. Die vollständige AdV des Abrechnungsbescheids komme indes nicht in Betracht. Insoweit seien keine weiteren Zahlungen behauptet worden und es seien auch keine anderen Erlöschensgründe ersichtlich; insbesondere sei wegen einer zwischenzeitlich gewährten AdV die Verjährungsfrist unterbrochen worden und deshalb keine Zahlungsverjährung eingetreten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er u.a. geltend macht, dass das FG zu Unrecht eine Unterbrechung der Verjährung angenommen habe.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom in Höhe weiterer ... € auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Es kann offen bleiben, ob die Beschwerde zulässig ist, da sie jedenfalls nicht begründet ist.

1. Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten die Beschwerde gegen Entscheidungen über die AdV nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Im Streitfall hat das FG zwar die Beschwerde hinsichtlich der Entscheidung über die AdV des Abrechnungsbescheids vom zugelassen, aus der hierzu gegebenen Begründung ist jedoch ersichtlich, dass sich das FG nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Zulassung der Beschwerde veranlasst sah, weil es mit seiner Entscheidung bezüglich der Statthaftigkeit der AdV eines Abrechnungsbescheids von der Rechtsprechung des beschließenden Senats abgewichen ist. Daraus ließe sich entnehmen, dass das FG die Beschwerde gegen seine AdV-Entscheidung nur zulassen wollte, soweit das FA, nicht aber soweit der Antragsteller unterlegen war (vgl. dazu: , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 1036). Der beschließende Senat kann diese Frage jedoch offen lassen.

Wollte man ungeachtet dieser Begründung des FG die Beschwerde des Antragstellers als statthaft ansehen, wäre sie, obwohl bereits vor Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung des FG eingelegt, gleichwohl wirksam (vgl. dazu: , BFH/NV 1990, 253).

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil das FG die vom Antragsteller begehrte weitergehende AdV des Abrechnungsbescheids im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat, denn der angefochtene Abrechnungsbescheid stellt keinen vollziehbaren Verwaltungsakt dar.

Vollziehbar und damit einer AdV zugänglich sind nur solche Verwaltungsakte, deren Wirkung sich nicht auf eine Negation beschränkt, sondern die entweder selbst eine positive Regelung enthalten oder die eine in einem Bescheid enthaltene positive Regelung aufheben. Der Abrechnungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom stellt hinsichtlich der Steuerrate 1990 lediglich fest, dass dieser Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis weder durch Zahlung noch auf sonstige Weise (§ 47 der AbgabenordnungAO 1977—), insbesondere nicht durch Verjährung, erloschen ist; seine Wirkung erschöpft sich in dieser bloßen Negation. Der Abrechnungsbescheid ist deshalb in diesem Umfang nicht vollziehbar. Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bleibt im Streitfall der Steuerbescheid, der die Steuerrate 1990 festgesetzt hat (§ 155 Abs. 1, § 218 Abs. 1 AO 1977; vgl. dazu: Senatsbeschlüsse vom VII B 149/96, BFH/NV 1997, 547; vom VII B 137/87, BFHE 151, 128, BStBl II 1988, 43).

An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 218 AO 1977 Rz. 28; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 218 Rz. 40; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 218 AO 1977 Rz. 139, jeweils m.w.N.), hat der beschließende Senat auch in Anbetracht des Beschlusses des Hessischen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1276) festgehalten (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 137/04, BFH/NV 2005, 492) und hält daran auch im Streitfall fest. Für die insoweit vertretene Gegenmeinung, dass es nicht sachgerecht sei, wenn der vorläufige Rechtsschutz gegen Abrechnungsbescheide unterschiedlich ausgestaltet sei, je nachdem, ob der Bescheid eine erstmalige Festsetzung von Steuern betreffe oder das Erlöschen bzw. Nichterlöschen einer bereits festgesetzten Steuer feststelle, und dass der vorläufige Rechtsschutz gegen Abrechnungsbescheide vielmehr stets von gleicher Qualität und Ausgestaltung sein und deshalb nach § 69 Abs. 3 FGO gewährt werden müsse, ist eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich. Auf den verfassungsrechtlich zu gewährleistenden effektiven Rechtsschutz lässt sich diese Ansicht nicht stützen, da dem Adressaten des Abrechnungsbescheids Möglichkeiten, vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen, in jedem Fall offen stehen. Dass die Voraussetzungen für einen begründeten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Einzelfall evtl. schwieriger zu erfüllen sind als die Voraussetzungen für einen begründeten Antrag auf AdV, ändert nichts daran, dass der Abrechnungsbescheid nicht die Grundlage der Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 218 Abs. 1 AO 1977) ist und dass er dem Steuerpflichtigen weder eine Leistungspflicht auferlegt noch Grundlage für eine Leistungspflicht ist.

Das FG hätte den AdV-Antrag bezüglich des Abrechnungsbescheids daher richtigerweise als unzulässig ablehnen müssen. Gleichwohl ist der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben, weil der Tenor —soweit er den vom Antragsteller angefochtenen Teil der Entscheidung betrifft— richtig ist (vgl. , BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 916 Nr. 5
DStRE 2006 S. 827 Nr. 13
YAAAB-80112