BGH Urteil v. - IX ZR 284/01

Leitsatz

Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, beginnt die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den mitwirkenden Steuerberater mit der Einreichung der Steueranmeldung beim Finanzamt.

Gesetze: StBerG § 68UStG § 18 Abs. 3

Tatbestand

Der als Kieferorthopäde niedergelassene Kläger wurde von dem Beklagten langjährig steuerlich beraten. Der Beklagte fertigte unter anderem für den Kläger zwischen 1984 und 1995 Umsatzsteuererklärungen, in denen er Entgelte des Klägers aus der Überlassung kieferorthopädischer Hilfsmittel an Patienten als steuerpflichtig behandelte. Diese Behandlung hält der Kläger für fehlerhaft und meint, der Beklagte müsse den entstandenen Schaden, auch unter dem Gesichtspunkt unterlassener Hinweise, ersetzen. Der Beklagte hat sich hiergegen auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat mit Ausnahme eines Teils der Zinsen nach Antrag des Klägers erkannt. Die Revision hat diese Verurteilung für die Besteuerungszeiträume 1993 bis 1995 zunächst in einer Höhe von 31.701,50 DM nebst Zinsen hingenommen. Mit dem in mündlicher Verhandlung erweiterten Revisionsantrag verfolgt sie auch mit Bezug auf die neueren Schäden das Klagabweisungsziel vollen Umfanges weiter.

Gründe

A.

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich in mündlicher Verhandlung auch gegen die Verurteilung zum Schadensersatz gewendet hat, welche die Besteuerungszeiträume von 1993 bis 1995 betrifft. Die Revisionsanträge können zwar grundsätzlich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erweitert werden. Bewegt sich der weitergehende Anspruch aber nicht mehr im Rahmen der bisher gegebenen Revisionsbegründung, so kann die Revision nach Ablauf der Begründungsfrist hierauf nicht mehr zulässig gestützt werden (BGHZ 12, 52, 67 f; 91, 154, 159 f; , NJW 1985, 3079; v. - VI ZR 155/86, BGHR ZPO a.F. § 559 Abs. 1 Antragserweiterung 1). So liegt der Fall hier.

Die Revisionsbegründung hat den Schaden des Klägers nicht als ein einheitliches Ganzes gewertet, welches aus einem bestimmten Verhalten des Beklagten entstanden ist. Sie hat jede der vom Beklagten für den Kläger vorbereiteten und eingereichten Jahresumsatzsteueranmeldungen als selbständige Schädigungshandlung aufgefaßt. Das entspricht der Rechtslage; denn der andauernde Rechtsirrtum des Beklagten verband die jährlich wiederholten Pflichtverletzungen bei Abfassung und Einreichung der Umsatzsteuererklärungen des Klägers nicht zu einer einheitlichen Schädigungshandlung, die sich lediglich im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität weiterentwickelte. Die Revisionsbegündung hat daraus gefolgert, daß hieraus einzelne Schadensersatzansprüche des Klägers entstanden seien, die jeweils drei Jahre nach dem Zeitpunkt der Einreichung der Steueranmeldungen verjährten. Auch diese Folgerung ist rechtlich zutreffend (vgl. , WM 1993, 251, 255; v. - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788).

Die erweiterte Revision zieht demgegenüber eine Parallele zu dem Fall jährlich anwachsender Steuernachteile durch Nichtanerkennung von Darlehenszinsen als Betriebsausgaben in dem Senatsurteil vom (IX ZR 180/96, WM 1998, 779, 780). Dort war der Schaden als ein einheitliches Ganzes aus ein und derselben Pflichtverletzung des Steuerberaters bei der Ausgestaltung einer vorweggenommenen Erbfolge hervorgegangen. Diese Betrachtungsweise - übertragen auf den Streitfall - wird von der schriftlichen Revisionsbegründung nicht gedeckt. Sie steht mit ihr vielmehr ebenso im Widerspruch wie mit der hier rechtlich gebotenen Würdigung der Schädigungsvorgänge.

B.

Die Revision ist - soweit zulässig - begründet. Die vom Kläger aus den Besteuerungszeiträumen 1984 bis 1992 hergeleiteten Schäden sind verjährt. Der Beklagte darf sich hierauf auch berufen. Das Berufungsurteil ist deshalb im Umfang des zulässigen Revisionsangriffs zu ändern und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).

I.

Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zu seiner Einrede entgegengehalten, daß er bei fortbestehendem Mandat zur Frage der Verjährung dem Kläger mit Schreiben vom einen falschen Hinweis erteilt habe. Diesem Schreiben waren "Empfehlungen der Bundessteuerberaterkammer zur Berufshaftpflichtversicherung (Stand: )" beigefügt, in denen es unter Nr. 5.4 Abs. 2 hieß:

"Die Verjährung tritt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes solange nicht ein, wie der Steuerberater seinen Mandanten nicht auf den gegen ihn bestehenden Schadensersatzanspruch hingewiesen hat. Diese Hinweis- und Belehrungspflicht besteht bis zum Mandatsende. Ihre Verletzung begründet einen neuen Schadensersatzanspruch (Sekundäranspruch)."

Nach Ansicht des Berufungsgerichts durfte sich der Kläger auf diese Rechtsauskunft verlassen. Der Beklagte verstoße deshalb gegen Treu und Glauben, wenn er sich gleichwohl auf Anspruchsverjährung berufe. Ob Verjährung eingetreten ist, haben beide Vorinstanzen offengelassen.

Demgegenüber rügt die Revision, die Rechtsauskunft des Beklagten vom habe den Kläger von einer rechtzeitigen Verjährungsunterbrechung nur abhalten können, soweit diese noch möglich gewesen sei. Die aus den Besteuerungszeiträumen 1984 bis 1992 hergeleiteten Schäden seien jedoch spätestens Ende Februar 1997 verjährt gewesen. Für einen verjährungsrechtlichen Sekundäranspruch fehle die Grundlage, weil der Beklagte bis zur Primärverjährung keinen Anlaß gehabt habe, über seine mögliche Haftpflicht zu belehren.

II.

Zutreffend geht die Revision davon aus, daß Klageansprüche wegen Pflichtverletzungen des Beklagten, die Besteuerungszeiträume vor 1993 betreffen, nach § 68 StBerG verjährt sind.

1. Die Umsatzsteuer ist vom Unternehmer nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG jährlich anzumelden. Die Anmeldung steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Regelmäßig beginnt die Verjährung des vertraglichen Ersatzanspruchs gegen den Steuerberater mit der Bekanntgabe eines schadensbegründenden Steuerbescheides; auf die Unanfechtbarkeit des Bescheides kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BGHZ 129, 386, 389). Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, entspricht diesem Zeitpunkt die Einreichung der Umsatzsteueranmeldung beim Finanzamt (vgl. OLG Düsseldorf GI 1994, 212, 215). Danach waren die von der Revision angegriffenen Schadensersatzansprüche des Klägers jedenfalls Ende Februar 1997 verjährt, weil die Umsatzsteuererklärung für 1992 ebenso wie die entsprechenden Erklärungen der Vorjahre nicht später als 14 Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums bei dem Finanzamt eingereicht worden ist. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG war mithin für den Besteuerungszeitraum 1992 und alle älteren Schäden spätestens mit Ablauf des verstrichen.

Die Umsatzsteuern der Jahre vor 1993 sind auch nicht in die 1997 durchgeführte Betriebsprüfung des Klägers einbezogen worden. Infolgedessen hat die Frage des Verjährungsbeginns bei etwaigen Umsatzsteuernachforderungen aus dem Ergebnis der Betriebsprüfung für den zulässigen Teil der Revision keine Bedeutung, selbst wenn hier der weiter zurückliegende Fehler des Beklagten und der daraus entstandene Schaden bereits aufgedeckt worden wäre (vgl. , WM 1991, 1594, 1596 f). Der zulässige Teil der Revision ist auf Schadensersatzansprüche aus Umsatzsteuererklärungen vor dem Prüfungszeitraum beschränkt.

2. Mit Recht ist die Revision auch der Ansicht, daß ein verjährungsrechtlicher Sekundäranspruch gegen den Beklagten, der auch Steuerberater trifft (BGHZ 83, 17, 22 ff; st. Rspr.), für den zulässigerweise angegriffenen Schädigungszeitraum (Besteuerungszeiträume vor 1993) nicht besteht.

Der Sekundäranspruch setzt eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung des Steuerberaters voraus. Er kann nur entstehen, wenn diese weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu welcher der primäre Regreßanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGHZ 94, 380, 387 f; , WM 2000, 959, 960 unter I. 2.). Vor Ablauf der Primärverjährung hatte der Beklagte keinen Anlaß, seine umsatzsteuerliche Beurteilung der Lieferung kieferorthopädischer Hilfsmittel an Patienten des Klägers zu überprüfen. Der Rechtsirrtum des Beklagten (vgl. dazu BFH BStBl. II 1998, 584 und die einschlägigen Umsatzsteuerrichtlinien während der Mandatszeit) wirkte jährlich in den abgegebenen Umsatzsteuererklärungen fort. Diese Erklärungspraxis löste weitere Schäden und damit Primäransprüche des Klägers erst aus. Neue Anhaltspunkte dafür, daß die Umsatzsteuererklärungen des Klägers künftig anders abzufassen waren, hatte der Beklagte in dem für den zulässigen Teil der Revision interessierenden Zeitraum vor dem Eintritt der letzten Primärverjährung mit Ablauf des nicht. Von daher erschien auch seine zurückliegende Tätigkeit nicht im Lichte eines besonderen Haftungsrisikos, über das der Kläger aufzuklären war und - wenn dies versäumt wurde - der verjährungsrechtliche Sekundäranspruch entstehen konnte.

Dagegen wendet sich auch die Revisionserwiderung insoweit nicht; denn sie sieht den Anlaß des Beklagten zur Überprüfung seines bisherigen Vorgehens erst in dem Verlauf der Betriebsprüfung des Klägers und dem Zeitpunkt der Schlußbesprechung am . Zu diesem Zeitpunkt waren die Schadensersatzansprüche aus den Besteuerungszeiträumen vor 1993 verjährt.

III.

Das Berufungsurteil verletzt § 242 BGB, indem es dem Beklagten die Berufung auf die Verjährungseinrede versagt. Der Mißbrauchseinwand des Gläubigers gegen die Verjährungseinrede ist nur dann berechtigt, wenn der Schuldner ihn in treuwidriger Weise von der rechtzeitigen Klagerhebung abgehalten hat (BGHZ 71, 86, 96; , WM 1996, 1106, 1108). Das Verhalten des Schuldners muß dafür ursächlich geworden sein, daß der Gläubiger die Verjährungsfrist nicht vor deren Ablauf unterbrochen hat (BAG NJW 1997, 3461, 3462; vgl. auch , NJW 1985, 1151, 1152). Da die Verjährung bereits eingetreten war, als der Beklagte 1999 und fernmündlich möglicherweise auch bereits 1998 dem Kläger hierzu eine falsche Rechtsauskunft erteilte, kann der Mißbrauchseinwand gegen die Verjährungseinrede des Beklagten nicht durchgreifen. Das hat das Berufungsgericht übersehen.

IV.

Soweit die Revision zulässig ist, stellt sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.).

1. Die Revisionserwiderung verteidigt das Berufungsurteil im Kern damit, daß der Beklagte sowohl durch sein Schreiben vom als auch durch sein weiteres Verhalten bereits im Jahre 1998 auf die Erhebung der Verjährungseinrede wirksam und unbefristet verzichtet habe, soweit von einem vorherigen Verjährungseintritt auszugehen sei.

Mit diesem Deutungsversuch kann die Revisionserwiderung nicht durchdringen. Der Schuldner kann zwar nach Eintritt der Verjährung auf das mit der Einrede verbundene Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB a.F.) verzichten (vgl. BGHZ 83, 382, 389; , WM 1996, 540, 542). Der Kläger hat sich aber in den Tatsacheninstanzen stets nur auf die Rechtsmißbräuchlichkeit der Einrede berufen. Der fehlende Sachvortrag für einen Einredeverzicht kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden.

Das Schreiben vom läßt auch keinen Verzichtswillen des Beklagten erkennen, sondern nur, daß er augenscheinlich den unrichtigen Inhalt des übersandten Merkblattes der Bundessteuerberaterkammer zur Verjährung der Ersatzansprüche gegen Berufsangehörige nicht erkannt hat.

2. Gegenstand der Revision ist auch der vom Standpunkt des Berufungsgerichts mit Recht bisher nicht beschiedene Hilfsanspruch der Klage. Dieser Anspruch stützt sich auf den Vorwurf, der Beklagte habe darauf hinweisen müssen, daß die anfallende Umsatzsteuer für gelieferte orthopädische Hilfsmittel den Patienten in Rechnung gestellt werden könne. Auch dieser Hilfsanspruch trägt indes das Berufungsurteil in seinem von der Revision zulässigerweise angegriffenen Umfang nicht.

Es kann dahinstehen, ob eine entsprechende Pflichtverletzung des Beklagten überhaupt schlüssig dargelegt ist. Denn auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus dem Vorwurf unterlassenen Hinweises auf die Abwälzbarkeit der abgeführten Umsatzsteuern wäre verjährt, weil die Schäden jeweils bereits mit Abschluß der Behandlungsverträge und Rechnungsübersendung an die Patienten entstanden waren. Die hiermit in Lauf gesetzten Verjährungsfristen des § 68 StBerG für die Behandlungs- und Besteuerungszeiträume des Klägers vor 1993 waren daher für den Hilfsanspruch sogar früher abgelaufen als für den Hauptanspruch der Klage.

Fundstelle(n):
BB 2005 S. 2491 Nr. 46
BBK-Kurznachricht Nr. 18/2005 S. 845
BFH/NV-Beilage 2005 S. 405 Nr. 4
DB 2005 S. 2406 Nr. 44
DStZ 2005 S. 688 Nr. 19
HFR 2005 S. 1120 Nr. 11
INF 2005 S. 682 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 3514
SJ 2005 S. 38 Nr. 22
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2006 S. 168
WM 2005 S. 2106 Nr. 44
WPg 2005 S. 1130 Nr. 20
ZIP 2005 S. 1877 Nr. 42
OAAAB-78855