Strafrechtlicher Anfangsverdacht bei Tafelgeschäften; Verfahrensgrundsätze für die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren
Gesetze: AO § 162 , AO § 169, FGO § 76, FGO § 115
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerden sind unter Berücksichtigung der innerhalb der Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemachten Zulassungsgründe unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist erforderlich, wenn das Finanzgericht (FG) von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts, insbesondere des BFH abweicht. Eine Abweichung liegt regelmäßig vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von den tragenden Rechtsausführungen der Entscheidung eines anderen Gerichts abweicht (, BFH/NV 2006, 70, m.w.N.).
Zu Recht haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) selbst ausgeführt, dass das FG in dem angefochtenen Urteil keine von der BFH-Rechtsprechung abweichenden abstrakten tragenden Rechtssätze ausdrücklich gebildet hat.
Allerdings müssen die voneinander abweichenden Rechtssätze nicht stets ausdrücklich als solche gekennzeichnet sein, sie können sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ergeben (BFH-Beschlüsse vom VIII B 74/97, BFH/NV 1999, 14, m.w.N.; vom III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109).
Indes ist das FG weder in Form eines entsprechend gebildeten tragenden abstrakten Rechtssatzes noch im Entscheidungsergebnis von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Feststellung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung im Besteuerungs- und finanzgerichtlichen Verfahren abgewichen.
a) In dem Beschluss vom VII B 28/99 (BFHE 192, 44, BStBl II 2000, 643) hat der BFH im Rahmen eines lediglich summarischen Verfahrens der einstweiligen Anordnung ausgeführt, allein die Inhaberschaft von Tafelpapieren verbunden mit der Einlieferung in die Sammeldepotverwahrung begründe noch keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht, weil es sich um legale und übliche Geschäfte handele. In jenem Fall handelt es sich zudem um ein legitimationsgeprüftes Depotkonto.
Um einen derartigen Sachverhalt geht es im Streitfall indes nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angefochtenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) nicht.
Vielmehr hat, wie die Kläger im Klageverfahren selbst vorgetragen haben, der Erblasser das Tafelgeschäft im Jahr 1992 bar, ohne einen Bezug zu seiner Hausbank abgewickelt und die Papiere auch nicht in Depotverwahrung gegeben. Das FG hat keineswegs allein aus dem Vorliegen von Tafelgeschäften den Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch den Erblasser abgeleitet.
Genau auf diese vom FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung hervorgehobenen zusätzlichen Umstände stellt auch der BFH in der weiteren vermeintlichen Divergenzentscheidung ab (, BFHE 195, 40, BStBl II 2001, 624). Der BFH führt dort aus, dass —nach damaliger Rechtslage— Tafelgeschäfte in dem Sinne anonym seien, als für die damit befassten Kreditinstitute keine rechtliche Verpflichtung bestehe, Name und Anschrift des Kunden zu erheben und festzuhalten. Nicht das Tafelgeschäft als solches begründet einen Anfangsverdacht, sehr wohl aber können die konkreten Umstände, wie das Geschäft abgewickelt wird, dazu führen. Aus der Abkoppelung der Geschäfte von bestehenden Konten kann sich der Vorwurf der anonymisierenden Gestaltung des Tafelgeschäfts ableiten, der letztlich zum Überschreiten der Schwelle eines Anfangsverdachtes führt.
b) Das FG hat schließlich ausdrücklich den Grundsatz in dubio pro reo nach den Maßgaben des Großen Senats des (BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570) bei der Feststellung der Steuerhinterziehung im Rahmen der dadurch verlängerten Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Danach sind nicht die Grundsätze des Strafverfahrensrechts zu übernehmen, sondern die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung sind nach den Vorschriften der AO 1977 und FGO, wonach der Steuergläubiger (FA) die Feststellungslast für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt, festzustellen (vgl. das vom FG zitierte , BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128). Für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, ist kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen (vgl. , BFHE 155, 232, BStBl II 1989, 216).
Dementsprechend konnte das FG aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu dem Ergebnis gelangen, dass der Erblasser der Kläger den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt hatte. Insbesondere hat das FG zutreffend auf das (BFH/NV 2002, 155) verwiesen, wonach im Rahmen der Prüfung, ob eine Steuerhinterziehung vorgelegen hat, zur Ermittlung der verkürzten Steuern die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO 1977 geschätzt werden dürfen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 1 BvR 1836/01, nicht veröffentlicht —n.v.—).
Diese Grundsätze werden schließlich auch in dem weiteren von den Klägern zitierten (BFHE 185, 351, BStBl II 1998, 466), nochmals ausdrücklich bestätigt.
Soweit sich die Kläger gegen das Ergebnis der Gesamtwürdigung im Sinne einer fehlerhaften Rechtsanwendung in dem konkreten Streitfall wenden, wird dadurch nicht der Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfüllt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 70).
2. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat.
Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschlüsse vom III B 65/01, BFH/NV 2002, 217, mit umfangreichen Nachweisen; vom III B 121/03, BFH/NV 2005, 46).
An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die Kläger haben bereits —insbesondere vor dem Hintergrund der vorhandenen Judikatur des BFH— nicht hinreichend einen Klärungsbedarf der von ihnen formulierten Rechtsfrage dargelegt.
Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse (, BFH/NV 2000, 600, m.w.N.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 709 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2008 S. 959
OAAAB-78333