OFD Chemnitz - S 2244 - 34/2 - St 21

Liquidation: Erstmalige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und des § 17 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) in Liquidationsfällen

Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben die Frage erörtert, wann in Liquidationsfällen § 17 EStG i.d.F. des StSenkG und das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG) erstmals anzuwenden sind. Hierzu ist künftig folgende Auffassung zu vertreten:

Die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG und das Halbeinkünfteverfahren in den Fällen des § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG gelten gemäß § 52 Abs. 4a Nr. 2 und Abs. 34a EStG i.V.m. § 34 Abs. 1 und 1a KStG i.d.F. des StSenkG erstmals nach Ablauf des Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen oder deren Anteile übertragen werden, für das das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals anzuwenden ist. Für die Veränderung von Anteilen gelten somit die herabgesetzte Beteiligungsgrenze und das Halbeinkünfteverfahren dann, wenn die Anteile nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft übergegangen sind, für das das neue Körperschaftsteuerrecht anzuwenden ist.

Im Liquidationsfall richtet sich jedoch der Besteuerungszeitraum bei der Kapitalgesellschaft nach § 11 KStG; im Abwicklungszeitraum gibt es keine Wirtschaftsjahre im steuerrechtlichen Sinne (Rz. 1,  IV A 2 – S 2770 – 18/03, BStBl 2003 I S. 434). Die o.g. Anwendungsregelungen sind somit in Liquidationsfällen mangels Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft nicht anwendbar. Es ist deshalb hier die Grundregel in § 52 Abs. 1 EStG anzuwenden. Demnach ist das Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG) erstmals auf Auflösungsgewinne bzw. -verluste i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden, die im Veranlagungszeitraum 2001 entstanden sind. Die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG i.d.F. des StSenkG ist erstmals in den Fällen zu berücksichtigen, in denen die Kapitalgesellschaft im Veranlagungszeitraum 2001 aufgelöst wurde.

Für die steuerliche Berücksichtigung eines Gewinns oder Verlusts im Fall der Auflösung einer Kapitalgesellschaft beim Anteilseigner gilt danach folgendes:

1. Anwendung des § 17 Abs. 4 EStG

Maßgeblich ist die Höhe der Beteiligung im Zeitpunkt der Auflösung der Kapitalgesellschaft. Für die Frage, ob § 17 Abs. 4 EStG dem Grunde nach anwendbar ist, gelten folgende Beteiligungsgrenzen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zivilrechtliche Auflösung
maßgebliche Beteiligungsgrenze
vor dem
mehr als 25 v.H.
nach dem und
vor dem
mindestens 10 v.H.
nach dem
mindestens 1 v.H.

2. Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG)

Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem der Gewinn bzw. Verlust i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG bei Liquidation entstanden ist.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Entstehung des Gewinns oder Verlusts
Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens
vor dem
nein
nach dem
ja

Beispiel 1: Der Steuerpflichtige ist an der inländischen X-GmbH (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) seit deren Gründung im Jahr 1994 zu 25 v.H. beteiligt. Die Gesellschaftsanteile hält er im Privatvermögen. Im Jahr 1997 wird über das Vermögen der X-GmbH das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und im Jahr 2001 beendet. Der Steuerpflichtige verliert seine Kapitalbeteiligung; ihm entsteht 2001 der Verlust.

Für die Frage, ob es sich dem Grunde nach um einen Vorgang i.S.d. § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 EStG handelt, ist die Höhe der Beteiligung bis zur zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft maßgeblich. Im Beispielsfall gilt die Kapitalgesellschaft im Jahr 1997 mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens als zivilrechtlich aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Im Jahr 1997 ist § 17 EStG nur auf eine Beteiligung von mehr als 25 v.H. anwendbar. Der Steuerpflichtige war innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu keinem Zeitpunkt i.S.d. § 17 EStG beteiligt. Der Auflösungsverlust kann deshalb 2001 nicht berücksichtigt werden.

Beispiel 2: Wie Beispiel 1, jedoch wird das Insolvenzverfahren 1999 eröffnet und in 2001 beendet.

Da der Steuerpflichtige innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu mindestens 10 v.H. und damit i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG beteiligt gewesen ist, kann der Auflösungsverlust dem Grunde nach berücksichtigt werden. Auch § 17 Abs. 2 S. 4 EStG steht einer steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlusts nicht entgegen, da der Steuerpflichtige die Anteile entgeltlich erworben hat und diese innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG gehört haben. Der Auflösungsverlust ist grundsätzlich im Veranlagungszeitraum 2001 abzugsfähig (vgl. H 140 (7) [Auflösung und Kapitalherabsetzung] EStH 2003). Er kann wegen der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 52 Abs. 1 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. c EStG und § 3c Abs. 2 EStG) nur zur Hälfte berücksichtigt werden.

OFD Chemnitz v. - S 2244 - 34/2 - St 21

Fundstelle(n):
MAAAB-78270