BFH Beschluss v. - VIII B 123/05

Besteuerung der vor der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze gebildeten stillen Reserven; sog. Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG verfassungsmäßig

Gesetze: EStG § 17, EStG § 34

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben innerhalb der Beschwerdefrist keinen der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO).

1. a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beantwortung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist.

Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Handelt es sich, wie im Streitfall, um verfassungsrechtliche Fragen, so ist überdies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) näher einzugehen (BFH-Beschlüsse vom VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059; vom III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.).

Ist über eine Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat (, BFH/NV 2005, 46). Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (, BFH/NV 2002, 217).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, sofern nicht besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen (, BFH/NV 2004, 336, m.w.N.).

b) Diesen gesetzlichen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

aa) Der erkennende Senat hat sich in den auch vom Finanzgericht (FG) herangezogenen Urteilen vom VIII R 92/03 (BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398), VIII R 25/02 (BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436), vom VIII R 22/05 (BFH/NV 2005, 2188) eingehend mit den von den Klägern angeschnitten Rechtsfragen auseinander gesetzt und die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von bisher mindestens 25 v.H. auf mindestens 10 v.H. in § 17 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 (StEntlG 1999/2000/2002) sowie die damit verbundene Erfassung auch in der Vergangenheit gebildeter stiller Reserven im Rahmen von Veräußerungen erst nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages am als verfassungskonform beurteilt. Gleichermaßen hat er bestätigt, dass der Veräußerungsgewinn auf der Grundlage der historischen Anschaffungskosten gemäß § 17 Abs. 2 EStG zu ermitteln ist.

Schließlich hat er das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung „innerhalb der letzten 5 Jahre” i.S. des § 17 Abs. 1 EStG dahin gehend ausgelegt, dass dieses nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen ist, sondern sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze richtet. Auch diese Regelung hat der Senat als verfassungsgemäß beurteilt.

bb) Die Verfassungsmäßigkeit der sog. Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 hat der BFH ebenfalls wiederholt bestätigt und den Gesetzgeber weder für verpflichtet erachtet, an der Begünstigung des halben Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG a.F. festzuhalten, noch die seit 2001 geltende Regelung des § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes vom (BGBl I 2000, 1812) auch auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückzubeziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 68/02, BFHE 201, 14, BStBl II 2003, 341 —grundlegend—; vom III B 130/02, BFH/NV 2003, 773; vom IV B 163/02, BFH/NV 2003, 777; vom IV B 41/03, juris; vom X B 28/02, BFH/NV 2003, 471; vom X B 173/03, BFH/NV 2004, 956; vom XI B 47/03, BFH/NV 2004, 487; vom VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624).

Der (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) betrifft einen besonderen —mit dem Streitfall nicht vergleichbaren— Sachverhalt.

Im Übrigen sind Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2001 grundsätzlich nicht mehr nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt (vgl. dazu , BFH/NV 2004, 1650), so dass sich die von den Klägern für richtig gehaltene rückwirkende Anwendung auch auf das Streitjahr 2000 erkennbar steuerlich nachteilig ausgewirkt hätte.

Soweit die Kläger sich insgesamt nach Art einer Revisionsbegründung gegen die sachliche Richtigkeit der zu den verschiedenen Rechtsfragen vom BFH geäußerten Rechtsauffassung wenden, wird damit kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO dargetan (, BFH/NV 2003, 1325).

2. a) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und wenn die Frage nach dem „ob” und ggf. „wie” der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 217).

b) Auch bezüglich dieses Zulassungsgrundes fehlt es —wie bereits zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage ausgeführt— an einer hinreichend substantiierten Darlegung.

3. Soweit die Kläger bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einer unechten Rückwirkung eine Abweichung der vom FG ebenfalls in Bezug genommenen Urteile des erkennenden Senats in BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398 und in BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436, von dem zur rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist für private Grundstücksgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ergangen Vorlagebeschluss des IX. Senats des (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) behaupten, fehlt es bereits an der Gegenüberstellung voneinander vermeintlich abweichenden abstrakten Rechtssätzen, durch die eine derartige Abweichung erkennbar gemacht wird (, BFH/NV 2005, 224).

Der Senat hat im Urteil in BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398 unter Abschn. II.2.c bb eingehend die Abgrenzung zu dem vorerwähnten Vorlagebeschluss begründet. Weder mit diesen Erwägungen des Senats noch mit der für die Annahme einer Divergenz notwendigen Identität des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsnorm befasst sich die Beschwerdebegründung näher.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 725 Nr. 4
KÖSDI 2006 S. 14927 Nr. 1
FAAAB-76622