BFH Beschluss v. - V B 137-138/04

Wiedereinsetzung: anwaltliche Versicherung der Richtigkeit des Vortrags nicht ausreichend

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug: und 15 K 3962/03

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Rechtsanwalt, wendet sich gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2000 in Höhe von 46,02 € und gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 2001 in Höhe von 168,73 €.

Die nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen des Klägers blieben erfolglos. Die Urteile des Finanzgerichts (FG) wurden dem Kläger am zugestellt.

Am legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerden ein und beantragte, die Frist zur Begründung bis zum zu verlängern, was auch geschah.

Durch Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Begründungsfrist am abgelaufen sei und eine Begründung nicht vorliege; ferner wurde auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.

Daraufhin trug der Kläger am vor, die Begründungen seien am abgesandt worden, und zwar innerhalb einer postalischen Sendung. Er bitte um Prüfung und Stellungnahme, ob die Begründungen beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen seien. Die Geschäftsstelle teilte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom mit, nach nochmaliger Überprüfung im Hause sei kein Eingang der Begründungen festzustellen.

Daraufhin wies der Kläger mit Schreiben vom darauf hin, mangels ordnungsgemäßer Zustellung der angefochtenen Entscheidungen sei bislang der Lauf einer Frist nicht in Gang gesetzt worden. Die Fehlerhaftigkeit ergebe sich schon alleine daraus, dass die angefochtenen Entscheidungen zusammen „mit weiteren und anderen Angelegenheiten” zugestellt worden seien.

Rein vorsorglich werde beantragt, hinsichtlich der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu trug der Kläger in dem Verfahren V B 137/04 vor:

"Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vom wurde bereits am durch den Unterzeichner fertiggestellt.

Glaubhaftmachung:

hiermit abgegebene anwaltliche Versicherung des Unterzeichners.

Bereits zu diesem Zeitpunkt, also am , wurde dieser Schriftsatz durch den Unterzeichner, zusammen mit der ebenfalls und gleichzeitig fertiggestellten Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof zu der dortigen Geschäftsnummer V B 138/04, in einem Briefumschlag gelegt und, ebenfalls durch den Unterzeichner, im Verlaufe des , ausreichend frankiert und auf dem normalen Postwege, in den Briefkasten in K (B-Straße) zur Übersendung eingeworfen.

Glaubhaftmachung:

hiermit abgegebene anwaltliche Versicherung des Unterzeichners.”

Entsprechend trug der Kläger im Verfahren V B 138/04 vor.

Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden machte der Kläger geltend, die angefochtenen Entscheidungen litten unter wesentlichen Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Er sei nicht zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Überdies hätte seinem jeweiligen Antrag auf Verlegung bzw. Aufhebung des Termins zur Verhandlung stattgegeben werden müssen. Auch sei dieser Antrag nicht beschieden worden. Verfahrensfehlerhaft sei ferner, dass die Beschlüsse des FG, mit denen die Rechtsstreite der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden seien, die betreffende Berichterstatterin bzw. Einzelrichterin nicht namentlich benenne.

II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

1. Die Beschwerden sind unzulässig, weil der Kläger die Begründungsfrist des § 116 Abs. 3 FGO versäumt hat.

a) Die Vorentscheidungen sind dem Kläger —entgegen seiner Ansicht— ordnungsgemäß am zugestellt worden. Dass dabei gleichzeitig in einer Sendung mehrere Urteile nebst Protokollen der mündlichen Verhandlung zugestellt worden sind, hindert die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nicht.

b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO wegen Versäumung der Begründungsfrist ist dem Kläger nicht zu gewähren.

Wird ein Wiedereinsetzungsantrag —wie hier— mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, so genügt es nicht, dass die Richtigkeit des Vortrags anwaltlich versichert wird; zur Glaubhaftmachung des Vortrags gehört auch die Vorlage vorhandener objektiver Beweismittel (Fristenkontrollbuch, Postausgangsbuch) oder die Darlegung, weshalb diese Beweismittel nicht vorgelegt wurden (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002; vom I R 78/03, BFH/NV 2004, 804).

In den vorliegenden Streitfällen kommt hinzu, dass der Kläger sämtliche Schriftsätze dem FG und dem BFH per Fax übermittelt hat. Es ist deshalb nicht glaubhaft, dass er die Begründungen der Nichtzulassungsbeschwerden —wie von ihm vorgetragen— auf normalem Postwege übermittelt hat.

2. Überdies liegen auch die vom Kläger zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden geltend gemachten Verfahrensfehler nicht vor.

Entgegen seiner Behauptung ist der Kläger ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden.

Die Ablehnung seines jeweils gestellten Antrags auf Terminsaufhebung bzw. -verlegung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger war vom FG aufgefordert worden, die erheblichen Gründe i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen, wie sie der Kläger gegenüber dem FG vorgetragen hatte, rechtfertigen eine Terminsverlegung nicht (vgl. , BFH/NV 2003, 178). Die vom FG in den angefochtenen Entscheidungen gegebene Begründung für die Ablehnung des Antrags lassen keinen Ermessensfehler erkennen.

Das FG durfte den Antrag auch (erst) im Urteil ablehnen. Einer gesonderten Ablehnung bedurfte es nicht, weil der Kläger die Gründe für die Terminsaufhebung bzw. -verlegung erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hatte. Der Kläger konnte sich auch nicht darauf verlassen, seinem Antrag werde stattgegeben. Wer einen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung beim FG gestellt hat, muss davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung stattfinden wird, sofern ihn keine gegenteilige Mitteilung erreicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 30/98, V B 41/98, V B 99/98, BFH/NV 1999, 647).

Entgegen der Ansicht des Klägers musste in den Beschlüssen, in denen die Rechtsstreite der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurden, diese nicht namentlich bezeichnet werden (vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 6 Rz. 8, m.w.N.).

3. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 559 Nr. 3
TAAAB-75012