BFH Urteil v. - IX R 71/03

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im April 1999 eine zu erstellende Eigentumswohnung, für die sie im Dezember 1999 eine Eigenheimzulage beantragte.

Nach dem notariellen Kaufvertrag war der Verkäufer verpflichtet, die Wohnung bis spätestens bezugsfertig zu erstellen. Die Wohnung wurde am übernommen und im Januar 2000 von der Klägerin bezogen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gewährte die beantragte Zulage erst ab dem Jahr 2000, weil bei Beginn der Eigennutzung erst im Folgejahr nach der Anschaffung der Wohnung die Eigenheimzulage für das Jahr der Anschaffung verloren gehe. Mit ihrem Einspruch trug die Klägerin vor, sie hätte ihren Umzug in die Wohnung nach Übergabe am früher planen können, wenn ihr rechtzeitig mitgeteilt worden wäre, dass die Eigenheimzulage erst ab Bezug der Wohnung gewährt werden könne. Der Antrag und die Unterlagen seien vorher beim FA eingegangen, so dass das FA entsprechende Hinweise hätte geben können. So habe sie zunächst noch im Wohnzimmer und im Flur Laminat verlegen lassen und keinen Anlass gesehen, den Termin mit der Firma zu verschieben.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, soweit die Klägerin hilfsweise beantragt hatte, den Förderzeitraum für die Eigenheimzulage von 2000 bis 2007 anzusetzen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat zu dem Revisionsverfahren keine Stellung genommen.

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Entgegen der Auffassung des FG beginnt der Förderzeitraum auch bei Anschaffung einer im Wesentlichen, wenn auch nicht völlig fertig gestellten Wohnung im Jahr der Anschaffung und nicht erst in dem Jahr, in dem die Erwerber Restarbeiten in der Wohnung ausführen.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) ist die Herstellung oder Anschaffung einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG), aber nur für die Kalenderjahre, in denen er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Der Anspruch auf Eigenheimzulage entsteht mit Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (§ 10 EigZulG).

2. Da die Klägerin die streitbefangene Wohnung angeschafft hat, beginnt der Förderzeitraum gemäß § 3 EigZulG mit dem Jahr der Anschaffung, hier dem Jahre 1999.

a) Das Eigenheimzulagengesetz definiert den Begriff der Anschaffung nicht. Das Jahr der Anschaffung ist gemäß § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) das Jahr der Lieferung. Hierfür kommt es auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an (vgl. , BFH/NV 2002, 327, 328, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Die gesetzliche Definition in § 9a EStDV schließt es aus, als Jahr der Anschaffung i.S. des § 3 EigZulG den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit anzunehmen; vielmehr ist allein entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Erwerber durch Übernahme der Wohnung wirtschaftliches Eigentum an dem Förderobjekt erlangt (, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin mit der Übernahme am die wirtschaftliche Verfügungsmacht an der Wohnung erlangt.

b) Eine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Auslegung des Anschaffungsbegriffes ist auch im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalles, nämlich die Vornahme der restlichen Fußbodenverlegungsarbeiten durch die Klägerin im Jahr nach der Anschaffung der Wohnung, nicht gerechtfertigt.

aa) Der Begriff der Anschaffung wird im Bereich der Wohnraumförderung seit Jahrzehnten in der dargestellten Weise ausgelegt (vgl. , BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553; , BFH/NV 1989, 501, 502, m.w.N. zu § 7b des EinkommensteuergesetzesEStG—; BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 327 zu § 10e EStG, m.w.N.). Die Regelung im Eigenheimzulagengesetz knüpft insoweit an § 10e EStG an. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Eigenheimzulagengesetz einen abweichenden Anschaffungsbegriff zugrunde legen wollte, sind nicht zu erkennen (BFH-Urteil in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, unter II. 3. b aa, m.w.N.).

bb) Soweit für spezielle Fördergesetze, wie z.B. das Investitionszulagengesetz (InvZulG) im Hinblick auf den betreffenden Normzweck eine Anschaffung erst dann angenommen wird, wenn das erworbene Wirtschaftsgut zusätzlich auch betriebsbereit ist (vgl. dazu , BFHE 183, 317, BStBl II 1998, 72, m.w.N.), handelt es sich um nicht mit dem Streitfall vergleichbare Sachverhalte.

c) Schließlich zwingt der mit der Eigenheimzulage verfolgte Begünstigungszweck nicht zu einer von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Auslegung des Anschaffungsbegriffs in § 3 EigZulG unter Einbeziehung des Merkmals „Bezugsfertigkeit” des Förderobjekts (vgl. BFH-Urteile in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, und vom III R 41/02, BFH/NV 2004, 11). Der „starre” und nicht verlängerbare achtjährige Förderzeitraum —mit seiner Anknüpfung an eindeutige Voraussetzungen wie das Jahr der Herstellung oder der Anschaffung— dient vielmehr der im Steuerrecht als Massenfallrecht gebotenen oder doch zumindest erlaubten Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität (vgl. , BFH/NV 2002, 1438, und in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, unter II. 3. d, letzter Absatz).

Da der Förderzeitraum nach den vorstehenden Grundsätzen bereits mit Übergabe der Wohnung im Jahr 1999 begonnen hat, ist das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 255 Nr. 2
WAAAB-73109