EuGH Urteil v. - C-308/96

Leitsatz

[1] 1 Die für Reisebüros geltende Sonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist auf Wirtschaftsteilnehmer anwendbar, die, auch wenn sie, formal gesehen, nicht die Eigenschaft eines Reisebüros oder eines Reiseveranstalters haben, Reisen im eigenen Namen veranstalten und die sich zur Erbringung von Dienstleistungen, die mit dieser Art der Tätigkeit gemeinhin verbunden sind, an dritte Steuerpflichtige wenden. Bleiben jedoch die bei Dritten bezogenen Leistungen gegenüber den Eigenleistungen reine Nebenleistungen, unterliegt der Wirtschaftsteilnehmer nicht der Besteuerung nach Artikel 26.

Aufgrund dessen findet Artikel 26 auf einen Hotelier Anwendung, der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises neben der Unterkunft regelmässig auch die Beförderung von bestimmten weit entfernten Abholstellen zum Hotel und zurück sowie während des Aufenthalts eine Busreise bietet, wobei die Transportdienstleistungen von Dritten bezogen werden.

2 In Fällen, in denen ein Wirtschaftsteilnehmer, auf den Artikel 26 der Sechsten Richtlinie 77/388 anwendbar ist, gegen Zahlung eines Pauschalpreises Umsätze tätigt, die aus Dienstleistungen bestehen, welche zum Teil von ihm selbst und zum Teil von anderen Steuerpflichtigen erbracht werden, unterliegen nur die von den letzteren erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuerregelung dieses Artikels.

Von einem Wirtschaftsteilnehmer kann nicht verlangt werden, daß er den Teil des Pauschalpreises, der der Eigenleistung entspricht, nach dem Grundsatz der tatsächlichen Kosten errechnet, wenn es möglich ist, diesen Teil des Pauschalpreises nach dem Marktpreis der Leistungen zu errechnen, die den im pauschalen Leistungspaket enthaltenen entsprechen.

Gesetze: Richtlinie 77/388 Art. 26

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

1 Der High Court of Justice von England and Wales, Queen's Bench Division, hat mit Urteil vom , beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Das VAT and Duties Tribunal, London, hat mit Entscheidung vom , beim Gerichtshof eingegangen am , gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung derselben Bestimmung der Sechsten Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt.

3 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen T. P. Madgett und R. M. Baldwin einerseits (im folgenden: Kläger) und den Commissioners of Customs & Excise andererseits (im folgenden: Beklagte) über die Anwendbarkeit des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie auf die Kläger im Hinblick darauf, daß sie ihren Kunden im Rahmen ihres Hotelbetriebs Pauschalreisen anbieten.

4 Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer bei den meisten Dienstleistungen "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll".

5 Artikel 26 der Sechsten Richtlinie, der eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Besteuerungsgrundlage für bestimmte Umsätze von Reisebüros und Reiseveranstaltern vorsieht, lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Reisebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe c) anzuwenden ist. Im Sinne dieses Artikels gelten als Reisebüros auch Reiseveranstalter.

(2) Die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Sie wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat. Für diese Dienstleistung gilt als Besteuerungsgrundlage und als Preis ohne Steuer im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Buchstabe b) die Marge des Reisebüros, das heisst die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.

(3) Werden die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen ausserhalb der Gemeinschaft erbracht, so wird die Dienstleistung des Reisebüros einer nach Artikel 15 Nummer 14 befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt. Werden diese Umsätze sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Gemeinschaft erbracht, so ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze ausserhalb der Gemeinschaft entfällt.

(4) Beim Reisebüro ist der Vorsteuerabzug oder die Rückerstattung der Steuern in jedem Mitgliedstaat für die Steuern ausgeschlossen, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Absatz 2 bezeichneten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugute kommen."

6 Artikel 26 der Sechsten Richtlinie ist durch Section 37A des Valü Added Tax Act 1983 (Mehrwertsteuergesetz) und die Valü Added Tax (Tour Operators) Order 1987 (Verordnung über die Mehrwertsteuer bei Reiseveranstaltern) in die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs umgesetzt worden. Die Bestimmungen der Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs sind im Merkblatt 709/5/88 der Beklagten näher ausgeführt, das den Titel "Tour Operators' Margin Scheme" (Regelung über die Marge von Reiseveranstaltern; im folgenden: TOMS) trägt. Danach ist der vom Reiseveranstalter eingenommene Gesamtbetrag unter Zugrundelegung der tatsächlichen Kosten jeder Einzelleistung nach bei Dritten bezogenen und nach eigenen Leistungen aufzuteilen.

7 Die Kläger betreiben das Howden Court Hotel in Torquay, Devonshire, England. 90 % der Kunden des Hotels, die vornehmlich aus Nordengland kommen, kaufen ein pauschales Leistungspaket, d. h. sie zahlen einen festen Preis für i) die Unterbringung im Rahmen einer Halbpension, ii) die Busbeförderung von mehreren Abholstellen in Nordengland und iii) eine Tagesbusreise während ihres Aufenthalts im Hotel. Die Kläger beziehen die Beförderungsdienstleistungen bei Dritten. Die übrigen Kunden des Hotels kümmern sich um ihre Hin- und Rückfahrt selbst. Sie haben keinen Anspruch auf die Tagesreise und zahlen einen anderen Preis.

8 Die Kläger vertreten die Auffassung, Artikel 26 der Sechsten Richtlinie sei deshalb nicht auf sie anwendbar, weil sie Hoteliers und keine Reiseveranstalter seien. Ausserdem hätten die alle drei Monate abzugebenden Mehrwertsteuererklärungen bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage nach der Sechsten Richtlinie vom Kläger Madgett nur einen halben Arbeitstag erfordert, während die in der TOMS-Regelung angeführten Berechnungen dadurch, daß sie eine Reihe weiterer Aufschlüsselungen vorsähen, einen beträchtlich höheren Aufwand erforderten.

9 Demgegenüber vertreten die Beklagten die Ansicht, die TOMS-Regelung finde auch auf Hoteliers Anwendung, die ihren Kunden Pauschalreisen anböten, welche sowohl von ihnen selbst erbrachte Bestandteile (im folgenden: Eigenleistungen) als auch bei Dritten bezogene Bestandteile enthielten, so daß die Beklagten in den Steuerbescheiden für den Zeitraum bis davon ausgegangen seien, daß die Kläger nach dieser Regelung zu besteuern seien.

10 Die Kläger erhoben Klage beim VAT and Duties Tribunal, das entschied, daß Artikel 26 der Sechsten Richtlinie auf die Kläger nicht anwendbar sei. Die Beklagten legten gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel beim High Court of Justice ein, der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (Rechtssache C-308/96):

1. Anhand welcher Kriterien ist zu ermitteln, ob die Umsätze eines Steuerpflichtigen Umsätze eines "Reisebüros" oder "Reiseveranstalters" sind, auf die die Bestimmungen von Artikel 26 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie) Anwendung finden? Sind diese Bestimmungen insbesondere auf die Umsätze einer Person anwendbar, die zwar kein "travel agent" ("Reisebüro") oder "tour operator" ("Reiseveranstalter") im üblichen englischen Wortsinn ist, jedoch Leistungen an Reisende erbringt, die in der Regel von Reisebüros oder Reiseveranstaltern erbracht werden?

2. Sind die genannten Bestimmungen im Hinblick auf die Antwort auf die erste Frage auf Umsätze wie die in der vorliegenden Rechtssache fraglichen anwendbar, in der die Inhaber eines Hotels in Südengland den Kunden im Rahmen ihres Hotelbetriebs zu einem Pauschalgesamtpreis einen einwöchigen Aufenthalt im Hotel, die Busbeförderung zwischen dem Hotel und Orten in Nordengland und während ihres Aufenthalts im Hotel eine örtliche Besichtigungstour mit dem Bus bieten (wobei die Beförderungselemente durch die Inhaber des Hotels von einem Busvermietungsunternehmen zugekauft werden)?

11 Im Verfahren vor dem High Court of Justice machten die Kläger als neuen Klagegrund geltend, daß die in der TOMS-Regelung beschriebene Aufschlüsselungsmethode gegen die Sechste Richtlinie verstosse. Da dieser Punkt nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem High Court war, wurde das Verfahren vor dem VAT and Duties Tribunal wiedereröffnet.

12 In diesem Verfahren machten die Kläger geltend, die Bestimmung, die eine Aufteilung des vom Reisenden gezahlten Preises nach Maßgabe derjenigen Bestandteile des Pauschalpakets, die von Dritten bezogen worden seien, und derjenigen Bestandteile vorschreibe, die Eigenleistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten darstellten, sei weder vernünftig noch sachgerecht. Die Beklagten trugen vor, die TOMS-Regelung, die bestimme, daß die Marge der Reiseveranstalter sowohl hinsichtlich der von Dritten bezogenen Leistungen als auch hinsichtlich der Eigenleistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten zu berechnen sei, sei mit Artikel 26 der Sechsten Richtlinie vereinbar.

13 Das VAT and Duties Tribunal hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Rechtssache C-94/97):

Für den Fall, daß in der Rechtssache C-308/96 entschieden wird, daß Artikel 26 der Sechsten Richtlinie auf Umsätze der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Art anwendbar ist:

1. Auf welcher Grundlage ist bei zutreffender Auslegung des Artikels 26 die Marge des Reiseveranstalters zu berechnen, wenn der Reiseveranstalter dem Reisenden im Rahmen eines einzigen Umsatzes eine Leistung erbringt, die ihm zum Teil von anderen Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellt wird ("zugekaufte Leistung") und die er zum Teil aus eigenen Mitteln ("Eigenleistung") ausführt?

2. Ist Artikel 26 insbesondere dahin auszulegen,

a) daß der Gesamtbetrag, den der Reiseveranstalter vom Reisenden erhält, nach Maßgabe der Kosten der Bestandteile nach zugekauften Leistungen und Eigenleistungen aufzuteilen ist oder

b) daß die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, eine Aufteilung nach Maßgabe dieser Kosten i) allgemein oder ii) im Fall von Umsätzen der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Art zu verlangen, oder

c) daß er es für eine solche Aufteilung bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 belässt?

14 Durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom sind diese beiden Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Zu den Fragen des High Court of Justice

15 Der High Court of Justice möchte mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im wesentlichen wissen, ob Artikel 26 der Sechsten Richtlinie auf einen Hotelier Anwendung findet, der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises neben der Unterkunft auch die Beförderung von bestimmten weit entfernten Abholstellen zum Hotel und zurück sowie während des Aufenthalts eine Busreise bietet, wobei die Transportdienstleistungen von Dritten bezogen werden.

16 Die Kläger machen geltend, die Sonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie finde nur Anwendung, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer ein "Reisebüro" oder "Reiseveranstalter" sei. Diese Begriffe bezeichneten Steuerpflichtige, deren Tätigkeit darin bestehe, die Erbringung von Unterbringungs- oder Beförderungsleistungen oder sonstigen Reiseleistungen für die Reisenden bereitzustellen, indem sie die Leistungen anderer Personen in Anspruch nähmen, die unmittelbar für den Reisenden erworben würden. Diese Begriffe bezögen sich nicht auf Steuerpflichtige, die den Reisenden unmittelbar zugute kommende Reiseleistungen als Nebenleistungen einer anderen Tätigkeit zukauften. Ihre Bemühungen seien im wesentlichen auf den der Hotelkundschaft gebotenen Service konzentriert; die Beförderung werde dieser nur als Annehmlichkeit geboten, um sie zu einem Hotelaufenthalt zu bewegen. Daher sei die Beförderung als blosse Nebenleistung zu ihrer Tätigkeit als Hotelier anzusehen.

17 Die Regierung des Vereinigten Königreichs, die deutsche, die griechische und die schwedische Regierung sowie die Kommission vertreten die Ansicht, Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob die von einem Steuerpflichtigen getätigten Umsätze Artikel 26 der Sechsten Richtlinie unterlägen, sei, ob die betreffenden Dienstleistungen von der in dieser Bestimmung bezeichneten Art seien, auch wenn der Steuerpflichtige kein Reisebüro oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinn sei. Deshalb fielen die Umsätze der Kläger in den Anwendungsbereich des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie, da die Kläger Dienstleistungen im eigenen Namen erbrächten, bei denen sie den Kunden ein pauschales Leistungspaket, das Reise und Unterkunft umfasse, böten und im Rahmen eines den Reisenden unmittelbar zugute kommenden Vorgangs Reisebusleistungen eines Dritten in Anspruch nähmen.

18 Die Leistungen von Reisebüros und Reiseveranstaltern sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich regelmässig aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen, die teils im Ausland, teils in dem Land erbracht werden, in dem das Reisebüro seinen Sitz oder eine feste Niederlassung hat. Die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über den Ort der Besteuerung, die Besteuerungsgrundlage und den Vorsteuerabzug würde aufgrund der Vielzahl und der Lokalisierung der erbrachten Leistungen bei diesen Unternehmen zu praktischen Schwierigkeiten führen, die die Ausübung ihrer Tätigkeit behindern würden. Um das anwendbare Recht den besonderen Merkmalen dieser Tätigkeit anzupassen, hat der Rat in Artikel 26 Absätze 2 bis 4 der Sechsten Richtlinie eine Mehrwertsteuer-Sonderregelung eingeführt (siehe Urteil vom in der Rechtssache C-163/91, Van Ginkel, Slg. 1992, I-5723, Randnrn. 13 bis 15).

19 Auch wenn der Hauptgrund für die Margensonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie Probleme im Zusammenhang mit solchen Reiseleistungen sind, die Dienstleistungen in mehr als einem Mitgliedstaat voraussetzen, findet diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach auch auf Dienstleistungen Anwendung, die nur in einem Mitgliedstaat erbracht werden.

20 Die Gründe, auf denen die Sonderregelung für Reisebüros und Reiseveranstalter beruht, gelten auch für den Fall, daß der Wirtschaftsteilnehmer kein Reisebüro oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinn ist, sondern gleichartige Umsätze im Rahmen einer anderen Tätigkeit, wie derjenigen eines Hoteliers, tätigt.

21 Eine Auslegung, nach der Artikel 26 der Sechsten Richtlinie nur auf Wirtschaftsteilnehmer Anwendung fände, die Reisebüros oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinn sind, hätte nämlich zur Folge, daß gleiche Leistungen je nach der formalen Eigenschaft des Wirtschaftsteilnehmers verschiedenen Bestimmungen unterlägen.

22 Wie schließlich der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde es gegen den Zweck dieser Bestimmung verstossen, zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern führen und eine einheitliche Anwendung der Sechsten Richtlinie in Frage stellen, wenn die Anwendung der Sonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie davon abhängig gemacht würde, daß zunächst festgestellt wird, in welcher Eigenschaft der Wirtschaftsteilnehmer handelt.

23 Daher ist die Regelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie auf Wirtschaftsteilnehmer anwendbar, die Reisen im eigenen Namen veranstalten und die sich zur Erbringung von Dienstleistungen, die mit dieser Art der Tätigkeit gemeinhin verbunden sind, an dritte Steuerpflichtige wenden, auch wenn sie, formal gesehen, nicht die Eigenschaft eines Reisebüros oder eines Reiseveranstalters haben.

24 Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist es üblich, daß Wirtschaftsteilnehmer wie Hoteliers, die gewöhnlich mit Reisen verbundene Dienstleistungen erbringen, bei Dritten bezogene Leistungen in Anspruch nehmen, die nicht nur einen im Vergleich zu den Umsätzen, die die Unterbringung betreffen, geringen Teil des Pauschalbetrags ausmachen, sondern auch zu den traditionellen Aufgaben dieser Wirtschaftsteilnehmer gehören. Diese von Dritten bezogenen Leistungen erfuellen somit für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern stellen das Mittel dar, um die Hauptdienstleistung dieses Wirtschaftsteilnehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

25 In einem solchen Fall bleiben die bei Dritten bezogenen Leistungen gegenüber den Eigenleistungen reine Nebenleistungen; der Wirtschaftsteilnehmer unterliegt somit nicht der Besteuerung nach Artikel 26 der Sechsten Richtlinie.

26 Bietet jedoch ein Hotelier seinen Kunden neben der Unterbringung regelmässig auch Leistungen an, die über traditionelle Aufgaben der Hoteliers hinausgehen und deren Erbringung nicht ohne spürbare Auswirkung auf den Pauschalpreis bleiben kann, wie etwa die Anreise zum Hotel von weit entfernten Abholstellen aus, so können solche Leistungen nicht reinen Nebenleistungen gleichgestellt werden.

27 Aufgrund dessen ist auf die Fragen des High Court of Justice zu antworten, daß Artikel 26 der Sechsten Richtlinie auf einen Hotelier Anwendung findet, der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises neben der Unterkunft regelmässig auch die Beförderung von bestimmten weit entfernten Abholstellen zum Hotel und zurück sowie während des Aufenthalts eine Busreise bietet, wobei die Transportdienstleistungen von Dritten bezogen werden.

Zu den Fragen des VAT and Duties Tribunal

28 Das VAT and Duties Tribunal möchte mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im wesentlichen wissen, wie die besteuerte Marge im Sinne von Artikel 26 der Sechsten Richtlinie zu berechnen ist, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer, auf den diese Bestimmung anwendbar ist, gegen Zahlung eines Pauschalpreises Umsätze tätigt, die teils aus Eigenleistungen und teils aus von Dritten bezogenen Leistungen bestehen.

29 Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob Artikel 26, wenn pauschale Leistungspakete aus gemischten Leistungen bestehen, nur auf die von Dritten bezogenen Leistungen oder aber auf sämtliche Leistungen anwendbar ist. Sodann ist zu prüfen, nach welcher Methode der Teil des Pauschalpreises zu berechnen ist, der auf die Eigenleistung entfällt.

30 Hinsichtlich des ersten Teils der Frage vertreten die Kläger, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die deutsche Regierung sowie die Kommission die Ansicht, daß die Sonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie nur für die von Dritten bezogenen Leistungen gelte.

31 Nach Ansicht der schwedischen Regierung ist dagegen Artikel 26 auch auf die Eigenleistung anwendbar.

32 Der Regelung des Artikels 26 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen diejenigen Umsätze der Reisebüros, bei denen für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch genommen werden; nach Absatz 2 dieser Bestimmung besteht die Besteuerungsgrundlage in der Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen.

33 Des weiteren enthält Artikel 26 der Sechsten Richtlinie keinen Hinweis auf Eigenleistungen; mit dieser Bestimmung sollen vor allem den Schwierigkeiten abgeholfen werden, die sich für die Wirtschaftsteilnehmer ergäben, wenn auf die Umsätze, die die Erbringung von von Dritten bezogenen Leistungen voraussetzen, die allgemeinen Grundsätzen der Sechsten Richtlinie anwendbar wären.

34 Schließlich stellt die Regelung des Artikels 26 eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie dar und darf nur angewandt werden, soweit dies zur Erreichung des Zieles der Richtlinie erforderlich ist.

35 Daher gilt die Sonderregelung des Artikels 26 der Sechsten Richtlinie nur für die von Dritten bezogenen Leistungen.

36 Zum zweiten Teil der Frage vertreten die Kläger und die Kommission die Auffassung, daß der Berechnung des Preises für die Eigenleistungen nach den in Artikel 11 der Sechsten Richtlinie enthaltenen allgemeinen Grundsätzen für die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Marktwert zugrunde zu legen sei. Im vorliegenden Fall entspreche der Marktwert der Unterbringung dem den Kunden, die das Pauschalpaket nicht in Anspruch nähmen, vom Hotel üblicherweise in Rechnung gestellten Zimmerpreis.

37 Die deutsche Regierung meint dagegen, die Aufteilung in den Teil der Reise, der der Sonderregelung des Artikels 26 unterliege, und denjenigen, auf den Artikel 26 nicht anwendbar sei, sei grundsätzlich nach dem Verhältnis zwischen den tatsächlichen Kosten, die auf die von Dritten bezogenen Leistungen entfielen, und denjenigen, die auf die Eigenleistungen entfielen, vorzunehmen. Der auf die Eigenleistungen entfallende Teil des Reisepreises könne jedoch in bestimmten Fällen anders bestimmt werden, wenn dies zu einem angemessenen Ergebnis führe.

38 Das Vereinigte Königreich legt dar, nach der TOMS-Regelung, die mit Artikel 26 der Sechsten Richtlinie vereinbar sei, müsse der Wirtschaftsteilnehmer die ihm durch die Erbringung der Pauschalleistungen entstandenen Gesamtkosten errechnen, wobei diese Kosten einerseits aus den Beträgen, die von ihm für die von Dritten bezogenen Leistungen aufgewandt worden seien, und andererseits aus den Kosten bestuenden, die ihm durch die Erbringung seiner eigenen Leistungen entstanden seien. Die Differenz zwischen dem eingenommenen Gesamtbetrag und den Gesamtkosten ergebe sodann die Gesamtmarge. Diese Marge werde anschließend im Verhältnis der Aufwendungen für die von Dritten bezogenen Leistungen zu den Kosten der Eigenleistungen in eine Marge für die von Dritten bezogenen Leistungen und eine Marge für die Eigenleistungen aufgeteilt. Um eine einheitliche Anwendung der Steuer zu gewährleisten, seien unabhängig von der Höhe des jeweiligen Anteils der Eigenleistungen und der von Dritten bezogenen Leistungen am Pauschalpreis die gleichen Regeln anzuwenden. Da Artikel 26 ein System der Besteuerung des bei Dritten bezogenen Bestandteils nach Maßgabe der Marge, d. h. der Differenz zwischen den Einnahmen und den tatsächlichen Kosten, vorsehe, gebe es keinen Grund dafür, bei Eigenleistungen von diesem Grundsatz abzugehen.

39 Da Artikel 26 der Sechsten Richtlinie nicht den Fall der Erbringung eines pauschalen Leistungspakets, das sowohl von Dritten bezogene Leistungen als auch Eigenleistungen umfasst, im Auge hat, legt er auch nicht die Kriterien fest, nach denen die Marge für die von Dritten bezogenen Leistungen von derjenigen für die Eigenleistungen getrennt berechnet werden könnte.

40 Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist bei den meisten Dienstleistungen die Besteuerungsgrundlage alles das, was als Gegenleistung für die erbrachte Leistung erhalten worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Gegenleistung das zu verstehen, was tatsächlich erhalten worden ist, und nicht ein nach objektiven Maßstäben angesetzter Wert (vgl. Urteil vom in der Rechtssache 230/87, Naturally Yours Cosmetics, Slg. 1988, 6365, Randnr. 16).

41 Wie der Generalanwalt in Nummer 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann jedoch im Falle eines Pauschalpreises, der sich sowohl auf von Dritten bezogene und somit von Artikel 26 erfasste Leistungen als auch auf von dieser Bestimmung nicht erfasste Eigenleistungen bezieht, die Gegenleistung im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie nicht als Besteuerungsgrundlage für die im Rahmen des pauschalen Leistungspakets erbrachten Eigenleistungen herangezogen werden.

42 Es ist also die Bezugsgrösse zu bestimmen, die anstelle der Gegenleistung heranzuziehen ist, um den auf die Eigenleistung entfallenden Anteil des Pauschalpreises herauszurechnen. Hierfür ergeben sich zwei Möglichkeiten, von denen die eine, wie im Rahmen der TOMS-Regelung, auf die tatsächlichen Kosten, die andere auf den Marktwert abstellt.

43 Hierbei ist mit dem Generalanwalt (Randnr. 71 der Schlussanträge) einerseits festzustellen, daß die von der Regierung des Vereinigten Königreichs herangezogene Methode der tatsächlichen Kosten eine Schwierigkeit aufwerfen könnte, da nichts die Annahme zulässt, daß die auf die jeweiligen Leistungen, aus denen das pauschale Leistungspaket besteht, entfallenden Margen im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie ihre jeweiligen Kosten.

44 Andererseits ist es auch nicht immer sachgerecht, auf den Marktwert - im vorliegenden Fall den den Kunden vom Hotel üblicherweise in Rechnung gestellten Preis für Übernachtungen und Halbpension ohne Inanspruchnahme des Pauschalangebots - als Kriterium abzustellen, soweit der Preis für die Unterbringung, die im Rahmen des pauschalen Leistungspakets als Eigenleistung angeboten wird, in gleicher Höhe wie der Preis für die Unterbringung in dem Fall angesetzt wird, daß diese als einzige Leistung angeboten wird.

45 Während die Methode der tatsächlichen Kosten der Eigenleistungen eine Reihe komplexer Aufschlüsselungsvorgänge erfordert und somit für den Wirtschaftsteilnehmer mit einem beträchtlichen Mehraufwand verbunden ist, spricht für die Methode der Heranziehung des Marktwertes der Eigenleistungen, wie der Generalanwalt in Nummer 76 seiner Schlussanträge dargelegt hat, daß sie einfach ist, da die einzelnen Bestandteile des Wertes der Eigenleistungen nicht ermittelt zu werden brauchen.

46 Da im vorliegenden Fall zudem unstreitig ist, daß die Berechnung der Mehrwertsteuer, die auf die Marge der von Dritten bezogenen Leistungen erhoben wird, unabhängig von der angewandten Methode grundsätzlich denselben Betrag ergibt, kann daher von einem Wirtschaftsteilnehmer nicht verlangt werden, daß er den Teil des Pauschalpreises, der der Eigenleistung entspricht, nach dem Grundsatz der tatsächlichen Kosten errechnet, wenn es möglich ist, diesen Teil des Pauschalpreises nach dem Marktpreis der Leistungen zu errechnen, die den im pauschalen Leistungspaket enthaltenen entsprechen.

47 Aufgrund dessen ist auf die Fragen des VAT and Duties Tribunal zu antworten, daß in Fällen, in denen ein Wirtschaftsteilnehmer, auf den Artikel 26 der Sechsten Richtlinie anwendbar ist, gegen Zahlung eines Pauschalpreises Umsätze tätigt, die aus Dienstleistungen bestehen, welche zum Teil von ihm selbst und zum Teil von anderen Steuerpflichtigen erbracht werden, nur die von den letzteren erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuerregelung dieses Artikels unterliegen. Von einem Wirtschaftsteilnehmer kann nicht verlangt werden, daß er den Teil des Pauschalpreises, der der Eigenleistung entspricht, nach dem Grundsatz der tatsächlichen Kosten errechnet, wenn es möglich ist, diesen Teil des Pauschalpreises nach dem Marktpreis der Leistungen zu errechnen, die den im pauschalen Leistungspaket enthaltenen entsprechen.

Kostenentscheidung:

Kosten

48 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der deutschen, der griechischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Fundstelle(n):
MAAAB-72713

1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg