Leitsatz
Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Wohnung zu einem Mietpreis, der innerhalb der Mietpreisspanne des Mietspiegels der Gemeinde liegt, scheidet regelmäßig die Annahme eines geldwerten Vorteils durch verbilligte Wohnraumüberlassung aus.
Gesetze: EStG § 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), , ,
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 1999 bis 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei einer kirchlichen Einrichtung. Von ihrem Arbeitgeber haben sie eine ca. 140 qm große Wohnung angemietet, deren Miete nach den anzuwendenden landeskirchlichen Richtlinien entsprechend dem örtlichen Mietspiegel festzusetzen ist.
Dementsprechend setzte der Arbeitgeber die Miete auf der Grundlage des örtlichen Mietspiegels, der für vergleichbare Wohnungen eine Spanne von 10,10 bis 12,30 DM je qm vorsah, unter Ansatz des niedrigsten Wertes fest.
Der Arbeitgeber ging zunächst davon aus, dass die Mieten damit von der ortsüblichen Miete abwichen und insoweit ein geldwerter Vorteil (246,17 DM monatlich bis Ende des Jahres 2000 sowie 148,32 DM monatlich ab Januar 2001) zu erfassen sei.
Mit den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1999 und 2000 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die angegebenen Beträge als geldwerten Vorteil bei den Einkünften der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass die Wohnung nicht verbilligt überlassen werde. Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 unter Ansatz eines geldwerten Vorteils von monatlich nur noch 148,32 DM; dabei legte es den örtlichen Mietpreisspiegel (mit einer Mietpreisspanne für vergleichbare Wohnungen von 10,10 DM bis 12,30 DM je qm) zugrunde und errechnete daraus als ortsüblichen Mietwert einen Mittelwert von 11,20 DM je qm (= 1 568 DM monatliche Miete), was bei dem vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Mietzins von 10,10 DM zu einem geldwerten Vorteil von 148,32 DM führe. Dementsprechend wurden die Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 geändert.
Dieser Wert wurde durch den Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugs sowie bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2001 berücksichtigt und ebenfalls durch Einspruch der Kläger angefochten.
Die Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage machten die Kläger geltend, eine verbilligte Überlassung von Wohnraum liege nicht vor, wenn wie hier die Miete entsprechend dem unteren Rahmen des Mietpreisspiegels zuzüglich eines Betrages von 0,05 DM pro qm für die Gebäudeversicherung angesetzt werde.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre von 1999 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass der Ansatz eines geldwerten Vorteils für die vermietete Wohnung unterbleibt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die angefochtenen Bescheide sind dem Revisionsbegehren entsprechend zu ändern (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Zu Unrecht hat das FG im Streitfall einen geldwerten Vorteil angenommen.
a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen allerdings auch „andere Bezüge und Vorteile” aus dem Dienstverhältnis (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—).
Ein solcher steuerpflichtiger Vorteil kann auch in der verbilligten Überlassung einer Wohnung liegen. Überlässt nämlich ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung, so liegt darin ein geldwerter Vorteil, der dem Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses zufließt und der als Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem üblichen (um übliche Preisnachlässe geminderten) Endpreis am Abgabeort und dem Betrag, der dem Arbeitnehmer in Rechnung gestellt worden ist, angesetzt werden muss (vgl. , BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629).
b) Üblicher Endpreis am Abgabeort ist entsprechend der Rechtslage zur früheren Fassung der Vorschrift („Üblicher Mittelpreis des Verbrauchsortes"; vgl. Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 8 Rz. 58 ff.) dabei die ortsübliche Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung, die vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen ist (BFH-Urteile in BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629; vom VI R 188/79, BFH/NV 1985, 54). Die danach maßgebliche ortsübliche Miete (vgl. , BFHE 168, 544, BStBl II 1993, 47) ist grundsätzlich aus dem örtlichen Mietspiegel zu entnehmen (vgl. , BFH/NV 1999, 1452, und vom II R 69/97, BFH/NV 1999, 1454).
2. Nach diesen Grundsätzen entspricht die von den Klägern zu zahlende Miete der ortsüblichen Miete.
a) Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG sieht der für die vermietete Wohnung maßgebliche örtliche Mietspiegel für Wohnungen vergleichbarer Lage, Ausstattung und Größe eine monatliche Miete von 10,10 DM bis 12,30 DM je qm vor; mit dem zu zahlenden Mietzins von 10,10 DM liegt die im Streitfall geschuldete Miete damit innerhalb der im Mietspiegel vorgesehenen Spanne und ist damit als ortsübliche Miete anzusehen.
Ist nämlich die „ortsübliche Miete” auf der Grundlage des örtlichen Mietspiegels zu bestimmen (BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 1452, und in BFH/NV 1999, 1454), so ist denkgesetzlich jeder der Mietwerte als ortsüblich anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweist.
b) Für die Auffassung des FG, bei einer solchen Spannbreite müsse auf einen Mittelwert abgestellt werden, sprechen weder der Wortlaut noch der Zweck des Gesetzes.
Entgegen der Auffassung des FG entspricht nämlich der im BFH-Urteil in BFHE 168, 544, BStBl II 1993, 47 verwendete „Mittelpreis des Verbrauchsortes” im Zusammenhang mit Wohnungsüberlassungen lediglich dem Begriff der ortsüblichen Miete; Ausführungen zur Bestimmung der ortsüblichen Miete bei einer Mietpreisspanne für vergleichbare Wohnungen waren in jener Entscheidung ersichtlich nicht veranlasst.
Abgesehen davon trägt ein Mietspiegel mit dem Ansatz einer Mietpreisspanne lediglich der Tatsache Rechnung, dass für in jeder Hinsicht vergleichbare Wohnungen örtlich eine gewisse Bandbreite von zu zahlenden Mieten typisch ist. Deshalb lässt die sachgerechte Erfassung einer solchen Schwankungsbreite im Mietspiegel (vgl. dazu Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, München 1997, S. 120, m.w.N.) die Feststellung zu, dass jeder Mietzins innerhalb der berücksichtigten Spanne die ortsübliche Miete und damit „üblicher Endpreis am Abgabeort” i.S. des § 8 Abs. 2 EStG im Sinne einer marktüblichen Miete (vgl. Mösbauer, Die Steuerliche Betriebsprüfung 2003, 81) ist.
Insoweit gilt für die ortsübliche Miete gleichermaßen wie für die zivilrechtlich bedeutsame „ortsübliche Vergleichsmiete”, dass sie keine punktgenaue Einzelmiete ist, sondern selbst bei unterschiedlichen Miethöhen innerhalb einer gewissen örtlich bedingten Bandbreite liegen kann (vgl. Börstinghaus/Clar, a.a.O.; Schultz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, München 1993, S. 564; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 4. Aufl., § 153 Rz. 8, jew. m.w.N.; a.A. wohl Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 EStG Rz. 96).
Nur diese Betrachtungsweise berücksichtigt hinreichend, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ermittlung des konkreten Endpreises wegen des damit verbundenen Aufwands durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt ist (, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 8 EStG Anm. 61) und deshalb seine Ermittlungspflicht im Zusammenhang mit der Bewertung von Wohnraumüberlassungen nach der Rechtsprechung regelmäßig bereits durch Rückgriff auf den örtlichen Mietspiegel als erfüllt angesehen wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 168, 544, BStBl II 1993, 47; in BFH/NV 1999, 1452, und in BFH/NV 1999, 1454). Denn der örtliche Mietspiegel gehört zu den Informationsquellen, die eine leichte und schnelle Ermittlung der ortsüblichen Miete ermöglichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 168, 544, BStBl II 1993, 47, unter 1. b bb).
Diesem Zweck leichter und schneller Ermittlung liefe es zuwider, wenn bei einer Miete innerhalb der vom Mietspiegel vorgesehenen Spanne gleichwohl im Einzelfall ermittelt werden müsste, ob nicht ein anderer Wert innerhalb der Spanne der angemessenere wäre.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 71
BB 2005 S. 2670 Nr. 49
BBK-Kurznachricht Nr. 24/2005 S. 1167
BFH/NV 2006 S. 166 Nr. 1
BStBl II 2006 S. 71 Nr. 2
DB 2005 S. 2668 Nr. 49
DStRE 2006 S. 132 Nr. 3
EStB 2006 S. 9 Nr. 1
FR 2006 S. 191 Nr. 4
GStB 2006 S. 2 Nr. 1
HFR 2006 S. 140 Nr. 2
INF 2006 S. 5 Nr. 1
KÖSDI 2006 S. 14930 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2006 S. 3101
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2005 S. 4013
SJ 2006 S. 8 Nr. 4
StB 2006 S. 1 Nr. 1
StBW 2005 S. 4 Nr. 24
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2005 S. 1061
QAAAB-70237