BFH Beschluss v. - II B 9/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte aufgrund der Ergebnisse einer Fahndungsprüfung gegen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zusammen veranlagte Eheleute, erstmals Vermögensteuer auf den 1. Januar der Jahre 1989, 1993 und 1995 fest und erhöhte die für 1993 gegen sie festgesetzte Einkommensteuer. Die Einsprüche hatten nur insoweit Erfolg, als das FA die Vermögensteuer auf den herabsetzte. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, das FA sei wegen der fehlenden Mitwirkung der Kläger bei der Aufklärung des Sachverhalts zur Schätzung berechtigt gewesen und habe die Schätzung dem Grunde und der Höhe nach zutreffend auf näher bezeichnete Tatsachen gestützt, die durch bei der Durchsuchung der Wohnräume der Kläger sowie von Banken aufge-fundene Unterlagen belegt würden. Der von den Klägern angeführ-te Grundsatz „in dubio pro reo” sei zwar auch im Steuerfest-setzungsverfahren zu beachten, aber nur, wenn —anders als im Streitfall— die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung abhänge.

Die Kläger stützen die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und Verfahrensmängel.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kläger haben die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Fortbildung des Rechts

a) Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (, BFH/NV 2005, 71, m.w.N). Eine Rechtsfrage ist nur dann klärbar, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (, BFH/NV 2005, 224, m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Kläger haben nicht begründet, inwiefern die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide entgegen der Ansicht von FA und FG vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung abhängen und deshalb dem von ihnen angeführten Grundsatz „in dubio pro reo” im Streitfall Bedeutung zukommen soll.

Das von den Klägern als zweifelhaft bezeichnete Verhältnis von Strafverfahren einerseits und Besteuerungsverfahren anderer-seits ist in der Rechtsprechung des BFH bereits geklärt. Wie sich aus § 393 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977), wonach die Rechte und Pflichten des Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschrif-ten richten, ergibt, ist der einer Straftat Verdächtigte sogar nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens im Besteuerungsver-fahren zur (wahrheitsgemäßen) Mitwirkung verpflichtet (, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328). Bei Verletzung dieser Mitwirkungspflicht sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO 1977 zu schätzen (, BFHE 196, 200, BStBl II 2002, 4; zuletzt bestätigt im Beschluss vom III B 83/04, BFH/NV 2005, 503). Mit dieser Rechtsprechung haben sich die Kläger nicht auseinander gesetzt.

Die Kläger haben auch keinen sog. qualifizierten, zur Revisionszulassung führenden Rechtsanwendungsfehler hinreichend substantiiert dargetan.

Es muss sich insoweit um einen Rechtsfehler handeln, der von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896, und vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632). Ein solcher Fehler kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung in Betracht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1632).

Die Kläger haben nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Vorentscheidung diese Voraussetzungen trotz Verletzung der ihnen nach § 76 Abs. 1 Sätze 3 und 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO 1977 obliegenden Mitwirkungspflicht erfülle (vgl. zu den Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht der Beteiligten zuletzt , BFH/NV 2005, 1605).

2. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

a) Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO)

Die Kläger wenden sich nach dem Inhalt ihres Vorbringens gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Einen Verfahrensfehler machen sie damit nicht geltend, sondern allenfalls einen materiellen Rechtsfehler, der nicht zur Zulassung der Revision führt (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 224). Die Kläger bringen nicht hinreichend vor, welche auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das FG ergeben hätten. Sie haben nicht deutlich gemacht, wie die Entscheidungserheblichkeit der von ihnen angesprochenen einzelnen Punkte ohne konkrete Angaben zu den nach ihrer Ansicht anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen zutreffend beurteilt werden könne. Sie haben auch nicht dargelegt, dass sie im finanzgerichtlichen Verfahren die Beiziehung der bei der Besteuerung berücksichtigten Arbeitsgerichtsakten beantragt hätten oder aus welchen Gründen sich dem FG trotz Fehlens eines solchen Antrags und trotz Verletzung der ihnen obliegenden Mitwirkungspflichten die Beiziehung hätte aufdrängen müssen und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den Akten ergeben hätten (vgl. zu den Anforderungen an eine Aufklärungs-rüge insoweit z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 224, sowie vom X B 2/05, BFH/NV 2005, 1601). Entgegen der Behauptung der Kläger hat die Steuerfahndungsstelle diese Akten im Ermittlungsverfahren beigezogen und dies Rechtsanwalt Sieversen, dem damaligen Verteidiger der Klägerin, am telefonisch und mit Schreiben vom unter Beifügung von Kopien aus der Akte auch schriftlich mitgeteilt.

Mit einer Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann im Übrigen nur ein Verfahrensfehler des FG und nicht auch ein solcher Fehler des FA oder der Steuerfahndungsstelle gerügt werden (, BFH/NV 2003, 1436).

b) Entscheidung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO)

Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten erfordert es, unter genauer Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen sich aus den Akten ergebende wesentliche Tatumstände zu benennen, die das FG nicht berücksichtigt hat, und darzulegen, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann (, BFH/NV 2005, 1585, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde ebenfalls nicht. Die Kläger haben bei ihrer Rüge die materiell-rechtliche Auffassung des FG, dass aufgrund der Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen geboten war und sich dabei das Beweismaß reduzierte, nicht berücksichtigt und nicht dargelegt, inwiefern sich der ohne nähere Konkretisierung behauptete Zusammenhang des der Klägerin zustehenden Schadenersatzanspruchs in Höhe von 500 000 DM mit Darlehen auf der Grundlage dieser Auffassung des FG auf die Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Steuerbescheide auswirken könnte. Entsprechendes gilt auch für die übrigen von den Klägern erwähnten Einzelpunkte (vgl. dazu bereits oben 2.a). Die Kläger haben nicht begründet, warum bei der Einkommensteuer für 1993 statt der vom FA angesetzten Werbungskosten die im Bd. I der Strafakte Bl. 38 für 1989 bis 1991 aufgelisteten Werbungskosten zu berücksichtigen sein sollten.

Bei der Vermögensteuerfestsetzung auf den ist das FA entgegen der Darstellung der Kläger nicht vom Bericht der Steuerfahndungsstelle vom abgewichen. In diesem Bericht wurde das sonstige Vermögen der Kläger zum auf 590 000 DM und das anzusetzende Gesamtvermögen auf diesen Stichtag auf 568 000 DM geschätzt. Nach Abzug von Steuerschulden von 14 408 DM ergab sich hieraus das im angefochtenen Bescheid vom angesetzte abgerundete Gesamtvermögen von 553 000 DM.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 24 Nr. 1
UAAAB-70198