OFD Magdeburg - S 2221 - 68 - St 224 V

Folgen der Erstattung von Sonderausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum

Bezug:

Ist im Jahr der Erstattung von Sonderausgaben ein Ausgleich mit gleichartigen Aufwendungen nicht oder nicht in vollem Umfang möglich, so ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung insoweit um eine nachträgliche Erstattung zu mindern (rückwirkendes Ereignis, vgl.  ESt-Kartei § 10 K 1.9). Nach einem bundeseinheitlichen Beschluss der AO-Referenten findet die in derartigen Fällen maßgebliche Korrekturnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch Anwendung in den sog. Kaskadenfällen. Nachfolgende Erläuterungen sollen in diesem Zusammenhang nochmals grundlegend den Rücktrag von Übererstattungen verdeutlichen.

Hauptanwendungsfall in der Praxis ist die Erstattung von Kirchensteuer (KiSt). Ein Aufgriff der Fälle erfolgt jedoch erst bei einem Erstattungsüberhang von mehr als 200 € (sog. Nichtaufgriffsgrenze, siehe Vfg. O 2252 – 36 – St 231 vom ). Der Aufgriff von Erstattungsüberhängen im Bereich der KiSt wird hierbei maschinell durch Ausgabe des folgenden Prüfhinweises E1-4449 unterstützt:

„Die in diesem Veranlagungszeitraum erstattete KiSt übersteigt die Höhe der gezahlten KiSt. Es ist zu prüfen, ob ggf. die Vorjahre zu ändern sind.”

Geht eine Übererstattung auf Erstattungen für mehrere VZ zurück, ist der auf den jeweiligen VZ entfallende Anteil zu ermitteln (in der Regel im Rahmen der I-Abfrage). Die Übererstattung ist sowohl im Jahr des Eintritts des Überhangs als auch im Rücktragsjahr in UNIFA in den Dauertatbeständen zu vermerken (siehe Vfg. O 2252 – 36 – St 231 vom ).

Hiernach ergeben sich folgende Fallkonstellationen von Erstattungsüberhängen:

Beispiel 1: Grundfall

Bei der Veranlagung 2004 des Stpfl. beträgt die gezahlte KiSt 4.000 €. Die erstattete KiSt beträgt 6.000 €. Sie besteht ausschließlich aus KiSt für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2002, die auch in 2002 gezahlt wurde (insgesamt 9.000 €). Im VZ 2002 wurde keine KiSt erstattet.

Lösung:

Im VZ 2004 mindert der Erstattungsbetrag von 6.000 € aus Praktikabilitätsgründen die dort gezahlte KiSt von 4.000 € bis auf 0 €. Der verbleibende Erstattungsüberhang von 2.000 € ist in das Jahr der Zahlung, also in den VZ 2002 zurückzutragen. Der Rücktrag dient der Berücksichtigung der endgültigen wirtschaftlichen Belastung des Stpfl., da insoweit eine Verrechnung im Erstattungsjahr nicht möglich ist. Ein Rücktrag nach 2003 ist nicht zulässig. Sowohl die BFH-Rechtsprechung als auch o. g. BMF-Schreiben sehen lediglich im Jahr der Zahlung eine Korrektur des Sonderausgabenabzugs vor. Der Einkommensteuerbescheid für 2002 ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Maßgabe zu ändern, dass die bisher i. H. v. 9.000 € als Sonderausgaben berücksichtigte KiSt um 2.000 € zu mindern ist.

Beispiel 2: Kaskadeneffekt

Bei der Veranlagung 2004 des Stpfl. beträgt die gezahlte KiSt 4.000 €. Die erstattete KiSt beträgt 6.000 €. Sie besteht ausschließlich aus KiSt für den VZ 2002, die auch in 2002 gezahlt wurde (insgesamt 9.000 €). Aufgrund einer Verrechnung mit einer in 2002 erfolgten KiSt-Erstattung aus 2001 i. H. v. 8.000 € wurden jedoch nur 1.000 € als Sonderausgaben berücksichtigt.

Lösung:

Im VZ 2004 mindert der Erstattungsbetrag von 6.000 € aus Praktikabilitätsgründen die dort gezahlte KiSt von 4.000 € bis auf 0 €. Der verbleibende Erstattungsüberhang von 2.000 € ist in das Jahr der Zahlung, also in den VZ 2002, zurückzutragen. Der Rücktrag dient der Berücksichtigung der endgültigen wirtschaftlichen Belastung und hat insoweit Vorrang vor einer im Rücktragsjahr 2002 aus Praktikabilitätsgründen erfolgten Verrechnung. Die im VZ 2002 gezahlte KiSt i. H. v. 9.000 € ist daher vorrangig um den aus dem VZ 2004 stammenden Rücktrag (2.000 €) und erst hiernach aus Praktikabilitätsgründen um die aus dem VZ 2001 stammende KiSt-Erstattung (8.000 €) bis auf max. 0 € zu verrechnen. Die Verrechnung führt zu einem erstmaligen Erstattungsüberhang im VZ 2002 von 1.000 € nicht verrechenbarer KiSt-Erstattung aus dem VZ 2001.

Der Stpfl. ist somit in Bezug auf die im VZ 2001 gezahlte KiSt rückwirkend i. H. v. 1.000 € wirtschaftlich nicht belastet. Der Erstattungsüberhang ist daher in den VZ 2001 zurückzutragen (Kaskadeneffekt). Die Einkommensteuerbescheide für die VZ 2002 und 2001 sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Maßgabe zu ändern, dass die bisher als Sonderausgaben berücksichtigten KiSt-Beträge jeweils um 1.000 € zu mindern sind. Wurde die im VZ 2001 gezahlte KiSt bereits mit erstatteter KiSt aus einem Vorjahr verrechnet, ergibt sich hieraus ggf. ein weiterer Kaskadeneffekt.

Beispiel 3: Erstattungsüberhänge bei Erstattungen in einem VZ für mehrere Jahre

Bei der Veranlagung 2004 des Stpfl. beträgt die im VZ 2004 gezahlte KiSt 10.000 € und die im VZ 2004 erstattete KiSt 30.000 €. Von der Erstattung entfallen 22.500 € auf den VZ 2003 und 7.500 € auf den VZ 2002.

Für den VZ 2003 wurden im VZ 2003 Vorauszahlungen in Höhe von 30.000 € geleistet und 20.000 € aus der Veranlagung 2002 erstattet. Für den VZ 2002 wurden im VZ 2002 Vorauszahlungen in Höhe von 10.000 € geleistet und 10.000 € für die Veranlagung 2001 nachgezahlt.

Lösung:

VZ 2004

Im VZ 2004 mindert der Erstattungsbetrag von 30.000 € die dort gezahlte KiSt von 10.000 € bis auf 0 €. Der verbleibende Erstattungsüberhang von 20.000 € ist in das jeweilige Jahr der Zahlung, also in die VZ 2003 und VZ 2002, zurückzutragen. Der Rücktrag dient der Berücksichtigung der endgültigen wirtschaftlichen Belastung und hat insoweit Vorrang vor einer im jeweiligen Rücktragsjahr aus Praktikabilitätsgrenzen erfolgten Verrechnung.

Hierfür ist zunächst der Erstattungsüberhang auf die VZ aufzuteilen. Der Erstattungsüberhang von 20.000 € entfällt auf den VZ:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2003 in Höhe von
22.500 €/30.000 € × 20.000 € =
15.000 € 
2002 in Höhe von
7.500 €/30.000 € × 20.000 € =
5.000 €.

VZ 2003

Der auf den VZ 2003 entfallende Erstattungsüberhang in Höhe von 15.000 € mindert die im VZ 2003 gezahlte KiSt von 30.000 € auf 15.000 €. Die KiSt-Erstattung für den VZ 2002 führt zu einem neuen Erstattungsüberhang in Höhe von 5.000 €, der jedoch nur auf einen VZ, den VZ 2002, entfällt. Dieser Erstattungsüberhang ist ein rückwirkendes Ereignis und nach VZ 2002 zurückzutragen.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003 erfolgt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

VZ 2002

Der auf den VZ 2002 entfallende Erstattungsüberhang aus der Veranlagung 2004 in Höhe von 5.000 € mindert die im VZ 2002 insgesamt gezahlte KiSt von 20.000 € auf zunächst 15.000 €. Der allein auf den VZ 2002 entfallende Erstattungsüberhang in Höhe vom 5.000 €, der durch den Rücktrag des Erstattungsüberhangs von VZ 2004 nach VZ 2003 entstanden war, mindert die für den VZ 2002 schließlich zu berücksichtigende KiSt auf 10.000 €.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 erfolgt nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, wobei zu beachten ist, dass die Änderung auf zwei zurückwirkenden Ereignissen beruht, der Übererstattung in 2004 und der Übererstattung in 2003.

Bei den Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist auf den besonderen Zinslauf des § 233a Abs. 2a AO zu achten. Das Jahr, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, ist das Jahr, in dem der Erstattungsüberhang aufgetreten ist. Dementsprechend beginnt die Festsetzungsfrist für die Änderungsveranlagung des Zahlungsjahres nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO erst mit Ablauf des Jahres mit dem Erstattungsüberhang. Die Festsetzungsfrist für die Änderung der Steuerfestsetzung für das Zahlungsjahr bzw. die Zahlungsjahre bei Erstattungsüberhängen im Jahr 2001 endet beispielsweise frühestens mit Ablauf des Jahres 2005.

OFD Magdeburg v. - S 2221 - 68 - St 224 V

Fundstelle(n):
WAAAB-68577