BFH Urteil v. - VIII R 47/03

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gewährte zusammen mit R am dem Z ein mündlich vereinbartes Darlehen in Höhe von 62 000 DM, wovon auf den Kläger 30 000 DM entfielen, die dieser als Darlehen bei der Kreissparkasse K unter Vereinbarung von 0,58 % monatlicher Zinsen sowie einer einmaligen Bearbeitungsprovision von 600 DM aufgenommen hatte. Am sollte Z 137 000 DM zurückzahlen (Darlehenssumme 62 000 DM zzgl. Zinsen 75 000 DM). Tatsächlich wurde am ein Betrag von 87 000 DM an den Kläger zurückgezahlt, wovon R 44 500 DM und der Kläger 42 500 DM erhielten. Hinsichtlich des ihm zustehenden Anteils der insgesamt noch ausstehenden 50 000 DM schloss der Kläger mit den Eheleuten Z in Höhe von 25 000 DM einen schriftlichen Darlehensvertrag, der auf den datiert war. Das Darlehen sollte bis Ende 1993 fest mit 10 % verzinst werden, danach mindestens mit 8 %. Die für den vereinbarte Rückzahlung erfolgte nicht. Über den versprochenen Gesamtbetrag von 137 000 DM stellte Z eine von ihm sog. weiße Quittung auf den aus, die der Kläger unterschrieb.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ging von Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe der tatsächlich ausgezahlten Zinsen von 12 500 DM sowie weiterer Zinsen von 25 000 DM aus. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1474 veröffentlichten Urteil vom (8 K 5126/01) als unbegründet zurückgewiesen. Es hat offen gelassen, ob von einem Zinszufluss im Wege der Novation durch Abschluss des zweiten Darlehensvertrags —trotz des nach Angaben des Klägers auf Z ausgeübten Zwangs zur Auszahlung des Geldes— auszugehen sei. Aus § 367 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) folge die Klassifizierung des dem Kläger zugewandten Geldbetrags als Zinseinkünfte. Es fehle an Anhaltspunkten für eine von den Vertragsparteien gewählte abweichende Bestimmung der Tilgungsreihenfolge. Aus der Bemerkung des Z bei Rückgabe der 87 000 DM, „Da hast Du Dein Geld zurück!”, ergebe sich keine zureichende Bestimmung. Zum einen sei das Kapital nicht nur vom Kläger, sondern auch von R zur Verfügung gestellt worden. Zum anderen sei die Bemerkung nicht nachvollziehbar, weil die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger aus der Sicht des Z angesichts der Gewährung eines neuen Darlehens in Höhe von 25 000 DM noch nicht beendet gewesen sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1992 unter Berücksichtigung von Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 12 500 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zu Unrecht aus § 367 Abs. 1 BGB die Klassifizierung des dem Kläger zugewandten Geldbetrags als Zinseinkünfte gefolgert. Im zweiten Rechtsgang wird zu klären sein, ob von einem Zinszufluss im Wege der Novation durch Abschluss des zweiten Darlehensvertrags auszugehen ist.

1. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das FG einen Zinszufluss beim Kläger i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 8 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG aus der Zahlung von 87 000 DM seitens des Z in Höhe von 12 500 DM angenommen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) i.S. von § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. Senatsurteil vom VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138, m.w.N.). In der Auszahlung von 87 000 DM, wovon 42 500 DM auf den Kläger entfielen, war unabhängig davon, ob primär Kapital zurückgezahlt oder Zinsen erstattet sein sollten, jedenfalls ein Zinsbetrag in Höhe von 12 500 DM zugunsten des Klägers enthalten.

Dass der Darlehensvertrag wegen einer erheblichen Überschreitung des Marktzinses sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig war (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1986, 2568 f.), ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unerheblich, da die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Darlehensgeschäfts gleichwohl eintreten ließen.

2. Jenseits des Zinsbetrags von 12 500 DM tragen die Feststellungen des FG jedoch die Annahme eines weiteren Zinszuflusses in Höhe von 25 000 DM nicht. Nach der maßgebenden Tilgungsbestimmung des Schuldners Z in der Bemerkung „Da hast Du Dein Geld zurück!” sollte in Gestalt der 87 000 DM primär eine Kapitalrückzahlung erfolgen.

Die Frage, ob es sich bei der zu beurteilenden Leistung um eine Kapitalrückzahlung oder um einen Geldbetrag für die Kapitalüberlassung handelt, hängt davon ab, bei welcher dieser Verpflichtungen der Leistungserfolg eingetreten ist (Senatsurteil vom VIII R 31/97, BFH/NV 2001, 1554, unter II.1.b dd aaa, m.w.N.). Diese Frage ist unter ergänzender Heranziehung zivilrechtlicher Grundsätze zu beantworten.

Danach steht das Leistungsbestimmungsrecht grundsätzlich dem Schuldner zu (vgl. § 366 Abs. 1 BGB). Dieses Leistungsbestimmungsrecht hat Z mit der Bemerkung „Da hast Du Dein Geld zurück” ausgeübt. Diese Bemerkung ist nach dem Empfängerhorizont des Klägers auszulegen. Das Wort „zurück” lässt eindeutig erkennen, dass es sich um einen Betrag handeln muss, der als Rückzahlung übergeben wird. Zurückbezahlt wird aber der Darlehensbetrag, nicht werden es die Darlehenszinsen. Jenseits dessen ergibt sich aus den Worten „Dein Geld” zwar auch, dass der Betrag aus der Sicht des Z dem Kläger zustand. Dies bedeutet jedoch eine lediglich sekundäre Tilgungsbestimmung auch hinsichtlich von Zinsen. Es kann dahinstehen, ob Z von der Person des R überhaupt Kenntnis hatte. Dem FG ist nicht zu folgen, wenn es die Bemerkung „Da hast Du Dein Geld zurück” deshalb nicht als nachvollziehbar erachtet, weil die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger aus der Sicht des Z angesichts der Gewährung eines neuen Darlehens noch gar nicht beendet gewesen sei. Vielmehr bezog sich dieses zweite Darlehen unter Zugrundelegung der genannten Bemerkung des Z auf noch nicht geleistete weitere Zinsen aus dem ersten Darlehensvertrag.

Eine andere Tilgungsreihenfolge ergibt sich auch nicht aus § 367 Abs. 1 BGB. Danach wird zwar, hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet. Bestimmt jedoch der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger lediglich die Annahme der Leistung ablehnen (§ 367 Abs. 2 BGB). Die andere Anrechnung ist vorrangig. Im Übrigen greift die Regelung des § 367 Abs. 1 BGB bei Nichtigkeit des Vertrags nicht ein (, NJW 1987, 830). Bei Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags lässt die objektiv bestehende Unwirksamkeit jedoch eine erfolgte einseitige Leistungszweckbestimmung des Zahlenden unberührt (BGH-Urteil in NJW 1987, 830). Diese Maßgeblichkeit der individuellen Zweckbestimmung des Zahlenden im Zivilrecht entspricht der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung des zu beurteilenden Lebenssachverhalts.

3. Jenseits der im Rahmen der Zahlung von 87 000 DM zugeflossenen Zinsen in Höhe von 12 500 DM (s. oben 1.) könnten dem Kläger im Streitjahr 1992 die im ersten Darlehensvertrag vereinbarten und auf ihn entfallenden weiteren 25 000 DM Zinsen im Wege einer Novation in Gestalt des zweiten Darlehensvertrags zugeflossen sein. Ein Zufluss kann auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet werden soll. In einer solchen Schuldumschaffung kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen hätte (= Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluss des Geldbetrags beim Gläubiger; vgl. Senatsurteil vom VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755). Hiervon kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers über den Gegenstand der Altforderung —vorliegend der Wucherzinsen aus dem ersten Darlehensvertrag— darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht (Senatsurteil vom VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646, unter II.2.a, m.w.N.). Die Feststellungen des FG gestatten hierzu keine abschließende Entscheidung. Das FG wird im zweiten Rechtsgang aufzuklären haben, inwieweit die finanzielle Situation des Z sowie der auf ihn im Zusammenhang mit der Auszahlung der 87 000 DM ausgeübte Zwang der Annahme einer Novation entgegenstehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 2181 Nr. 12
EStB 2005 S. 455 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 52
YAAAB-66991