BFH Urteil v. - I R 107/04 BStBl 2005 II S. 884

Verfassungsmäßigkeit der körperschaftsteuerrechtlichen Umgliederungsregelungen beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren

Leitsatz

Die gesetzlichen Regelungen zur Umrechnung des am vorhandenen verwendbaren Eigenkapitals einer Kapitalgesellschaft in ein Körperschaftsteuerguthaben (§ 36 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom ) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gesetze: KStG n.F. § 36KStG n.F. § 37

Instanzenzug: FG München, Außensenate Augsburg, vom 7 K 2991/03 (EFG 2005, 141) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der körperschaftsteuerrechtlichen Umgliederungsregelungen im Zusammenhang mit dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische Kapitalgesellschaft. Sie übt als Holdinggesellschaft die Koordination und einheitliche Leitung von Tochtergesellschaften aus, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung, der Vertrieb und die Wartung elektronischer Geräte ist.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) stellte gegenüber der Klägerin auf den Besteuerungsgrundlagen gemäß § 36 Abs. 7 und gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) vom (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428 —KStG n.F.—) gesondert fest. Dabei wurden die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals i.S. des § 47 KStG 1999 zum Ende des Wirtschaftsjahres, für welches das KStG 1999 letztmalig anzuwenden ist, wie folgt festgestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
EK 45
10 591 535 DM
EK 40
1 697 322 DM
EK 01
36 151 DM
EK 02
./.    142 039 DM
EK 04
2 000 000 DM

Nach Verringerung des Bestandes an EK 45 auf Grund von Ausschüttungen i.S. des § 36 Abs. 2 Satz 1 KStG n.F. (445 107 DM) und einer Erhöhung um Einkommensteile, die mit 45 v.H. der Körperschaftsteuer unterlagen (2 498 DM), wurde das verbleibende EK 45 (10 148 926 DM) gemäß § 36 Abs. 3 KStG n.F. in EK 40 (12 455 500 DM) und EK 02 (./. 2 306 574 DM) umgegliedert. Sodann wurde das negative EK 02 (insgesamt ./. 2 448 613 DM) zunächst in Höhe von 36 151 DM mit dem EK 01 und anschließend in Höhe des restlichen Betrags (./. 2 412 462 DM) mit dem EK 40 verrechnet. Daraus ergab sich unter Berücksichtigung einer Erhöhung des EK 40 um Einkommensteile, die mit 40 v.H. der Körperschaftsteuer unterlegen hatten, ein EK 40 von (14 187 292 DM ./. 2 412 462 DM =) 11 774 830 DM. Aus diesem wurde gemäß § 37 Abs. 1 KStG n.F. ein verbleibendes Körperschaftsteuerguthaben von 1 962 472 DM ermittelt.

Die Klägerin erhob gegen die Feststellungsbescheide eine Sprungklage, mit der sie geltend machte, dass die vom FA angewandten gesetzlichen Regelungen gegen Art. 14 des Grundgesetzes (GG) verstießen. Sie führten im Regelfall dazu, dass das nach der früheren Rechtslage bestehende Körperschaftsteuerminderungspotential reduziert werde, ohne dass den betroffenen Kapitalgesellschaften eine ausreichende Frist zur Vermeidung dieses Nachteils eingeräumt worden sei. Die einschlägigen Vorschriften seien daher in der Weise verfassungskonform auszulegen, dass das Körperschaftsteuerguthaben ein Sechstel des Endbestandes an EK 40 zuzüglich 15/55 des EK 45 betrage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 141 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass das Körperschaftsteuerguthaben auf den mit 3 056 490 DM festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die vom FA angewendeten gesetzlichen Regelungen mit dem GG vereinbar sind.

1. Nach § 36 KStG n.F. werden auf den Schluss des letzten Wirtschaftsjahrs, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für den das KStG 1999 letztmals anzuwenden ist, die Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) ausgehend von den gemäß § 47 KStG 1999 festgestellten Teilbeträgen in einer bestimmten —im Gesetz näher beschriebenen— Weise ermittelt (Abs. 1 bis 6) und dieser Ermittlung gemäß gesondert festgestellt (Abs. 7). Auf der Basis dieser Feststellung wird auf den Schluss des nachfolgenden Wirtschaftsjahrs ein Körperschaftsteuerguthaben errechnet, das sich auf ein Sechstel des Endbestands des mit einer Körperschaftsteuer von 40 v.H. belasteten Teilbetrags (EK 40) beläuft (§ 37 Abs. 1 KStG n.F.). Dieses Körperschaftsteuerguthaben wird ebenfalls gesondert festgestellt (§ 37 Abs. 2 Satz 3 KStG n.F.) und vermindert sich bei bestimmten nachfolgenden Gewinnausschüttungen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 KStG n.F.). In Höhe des jeweiligen Minderungsbetrags mindert sich zugleich die Körperschaftsteuer für denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr der Gewinnausschüttung endet (§ 37 Abs. 2 Satz 2 KStG n.F.).

2. Die hier zu beurteilenden Feststellungsbescheide entsprechen, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, diesen Vorgaben. Die Klägerin hält sie dennoch für rechtswidrig, da ihrer Ansicht nach die einschlägigen gesetzlichen Regelungen enteignenden Charakter haben und deshalb zu ihren —der Klägerin— Gunsten verfassungskonform ausgelegt werden müssen. Dem vermag der Senat nicht beizupflichten:

a) Die Klägerin leitet das Vorliegen einer Enteignung daraus ab, dass ihr durch die gesetzlich vorgesehene Umgliederung ihres vEK ein bislang vorhandenes Körperschaftsteuerminderungspotential ersatzlos entzogen werde. Unter der Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens habe sie —die Klägerin— einen Anspruch darauf erworben, durch Gewinnausschüttungen ihre künftig anfallende Körperschaftsteuer um insgesamt 2 767 889 DM mindern zu können. Dieses Minderungspotential werde durch die Umgliederung auf 1 691 488 DM reduziert. Damit vermindere der Gesetzgeber den Umfang eines Anwartschaftsrechts, das verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz genieße. Dies verstoße gegen Art. 14 GG, da es weder nur um eine Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) gehe noch für den Rechtsverlust eine Entschädigung (Art. 14 Abs. 3 GG) gewährt werde.

b) Die von der Klägerin beanstandete Reduzierung des „Körperschaftsteuerminderungspotentials” beruht zum einen darauf, dass das bisherige mit 45 v.H. Körperschaftsteuer belastete vEK (EK 45) in mit 40 v.H. Körperschaftsteuer belastetes Eigenkapital (EK 40) und in einen negativen Bestand des Eigenkapitals i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999 aufgeteilt wird (§ 36 Abs. 3 KStG n.F.). Denn während vor der Umgliederung Ausschüttungen aus dem EK 45 zur Minderung der Körperschaftsteuer um 15/55 des zur Ausschüttung verwendeten Betrags führten, steht im Anschluss an die Umgliederung der Kapitalgesellschaft statt des EK 45 nur noch EK 40 zur Verfügung, von dem lediglich ein Sechstel die künftig anfallende Körperschaftsteuer mindern kann (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KStG n.F.). Diese Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Ausschüttungsbetrag und Verminderung der Körperschaftsteuer wird dadurch, dass das EK 45 mit 27/22 seines Betrags in EK 40 umzurechnen ist (§ 36 Abs. 3 Satz 1 KStG n.F.), jedenfalls auf der Ebene der Kapitalgesellschaft nicht vollständig ausgeglichen (vgl. dazu Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 36 KStG Rz. 50 f.; Gosch/Bauschatz, Körperschaftsteuergesetz, § 36 Rz. 100 f.; jeweils mit Berechnungsbeispiel).

Eine zusätzliche Verschlechterung der anrechnungsrechtlichen Position einer Kapitalgesellschaft kann zudem daraus resultieren, dass im Rahmen der Umgliederung ein bisher vorhandenes EK 45 mit 5/22 seines Betrags das unbelastete vEK i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999 (EK 02) mindert (§ 36 Abs. 3 Satz 2 KStG n.F.) und ein verbleibendes negatives EK 02 ggf. mit den belasteten Teilbeträgen zu verrechnen ist. Diese Regelung führt nur für diejenigen betroffenen Unternehmen nicht zu steuerlichen Nachteilen, die aus der Zeit des Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahrens über positive unbelastete Eigenkapitalanteile i.S. des § 30 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 KStG 1999 verfügen und das durch die Umgliederung entstehende negative EK 02 in vollem Umfang hiermit verrechnen können (§ 36 Abs. 4 KStG n.F.). Ist hingegen kein positives unbelastetes vEK vorhanden, so führt die gesetzliche Regelung zur betraggleichen Umwandlung des vorhandenen EK 45 in EK 40 (Gosch/Bauschatz, a.a.O., § 36 Rz. 121; Bott in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 36 Rz. 137; Streck/Binnewies, Der Betrieb —DB— 2002, 1956; jeweils mit Berechnungsbeispielen). In der Folge steht der Kapitalgesellschaft dann statt des mit EK 45 verbundenen „Körperschaftsteuerminderungspotentials” von 15/55 nur noch ein solches von einem Sechstel des vEK zur Verfügung. Das ist die im Streitfall bei der Klägerin eingetretene Situation.

c) Die vorstehend skizzierte gesetzliche Regelung könnte indessen nur dann gegen Art. 14 GG verstoßen, wenn erstens das nach der früheren Rechtslage vorhandene „Körperschaftsteuerminderungspotential” dem Eigentumsbegriff dieser Norm unterfiele und zweitens die zu beurteilenden Vorschriften einen Eingriff in dieses Eigentumsrecht —und nicht nur eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Schrankenbestimmung— beinhalteten. Ersteres wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt (Eigentumsrecht bejahend Raber, DB 1999, 2596, 2599; Hey in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Steuerreformkommentierung, Anm. R 25 vor § 36 KStG; a.A. die Vorinstanz sowie , EFG 2005, 732; zweifelnd auch Streck/Binnewies, DB 2002, 1956, 1960), kann aber im Streitfall offen bleiben. Denn auch wenn das „Körperschaftsteuerminderungspotential” eine eigentumsrechtlich geschützte Anwartschaft der Klägerin dargestellt haben sollte, hat der Gesetzgeber in diese nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen. Vielmehr liegt dann eine verfassungsrechtlich zulässige Bestimmung der Schranken jenes Eigentumsrechts vor.

aa) Der Übergang vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren, in den die Regelungen über die Umgliederung eingebettet sind, beinhaltete eine grundlegende Systemumstellung. Diese hat der Gesetzgeber u.a. deshalb für notwendig erachtet, weil anderenfalls die Gefahr bestanden hätte, dass aus Gründen des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer eines inländischen Anteilseigners angerechnet werden musste (vgl. dazu auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-35/98 „Verkooijen”, EuGHE 2000, I-4071, sowie das nach der Gesetzesänderung ergangene „Manninen”, Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— 2004, Nr. C 262, 4). Die Entscheidung, das System der Körperschaftsteuer von dem bis dahin geltenden Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren umzustellen, beruht mithin auf sachgerechten Erwägungen und ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

bb) Bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets hat der Gesetzgeber, was die Berücksichtigung bestehender Eigentumsrechte angeht, einen weiten Gestaltungsspielraum. Er ist nicht darauf beschränkt, die durch Art. 14 GG geschützten Rechtspositionen entweder unangetastet zu lassen oder gegen Entschädigung (Art. 14 Abs. 3 GG) einzuziehen (, BVerfGE 58, 300, 351). Vielmehr darf er sie im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG umgestalten, wenn dies durch Gründe des Gemeinwohls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (, BVerfGE 71, 137, 144, m.w.N.). Unter dieser Voraussetzung kann auch eine Beseitigung bislang bestehender Eigentumsrechte verfassungsrechtlich zulässig sein (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1092/84, BVerfGE 78, 58, 75; vom 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201, 212 f.). Dabei ist der Gesetzgeber insbesondere berechtigt, die Möglichkeit zur Ausübung eines solchen Rechts zeitlich zu begrenzen. Allerdings können in diesem Zusammenhang der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gebot des Vertrauensschutzes zur Notwendigkeit einer angemessenen und zumutbaren Übergangsregelung führen (vgl. , BVerfGE 43, 242, 288; BVerfG in BVerfGE 58, 300, 351; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 7. Aufl., Art. 14 Rz. 45; Papier in Maunz/ Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 14 Rz. 327, m.w.N.), die ggf. so ausgestaltet sein muss, dass der Einzelne seine Rechtsposition noch effektiv ausüben kann.

cc) Mit den Regelungen zur Umgliederung des vEK hat der Gesetzgeber den ihm hiernach zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Denn die bisher dem Anrechnungsverfahren unterliegenden Kapitalgesellschaften hatten grundsätzlich die Möglichkeit, mit der Umgliederung verbundene Nachteile durch eigene Maßnahmen zu vermeiden. Dass diese Möglichkeit in Einzelfällen und speziell für die Klägerin nicht bestanden haben mag, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Vorschriften:

aaa) Die in § 36 Abs. 1 KStG n.F. getroffene Regelung geht in zeitlicher Hinsicht dahin, dass —bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr— die Umgliederung auf den und nach Maßgabe des zu diesem Stichtag vorhandenen vEK vorzunehmen ist (vgl. Streck/Binnewies, Körperschaftsteuergesetz, 6. Aufl., § 36 Rz. 2; Gosch/Bauschatz, a.a.O., § 36 Rz. 2 und 5). Nach § 34 Abs. 10a KStG i.d.F. des StSenkG war jedoch für Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhten und im Jahr 2001 erfolgten, das vor der Systemumstellung geltende Körperschaftsteuerrecht anzuwenden. Das bedeutet, dass durch eine im Jahr 2001 vorgenommene Gewinnausschüttung für das Jahr 2000 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung erreicht (Prinz, GmbH-Rundschau —GmbHR— 2001, 125, 126) und zugleich das der Umgliederung unterworfene vEK reduziert wurde (Dötsch/Pung, DB, Beilage 4/2000, S. 5; Hey, a.a.O., Anm. R 13 vor § 36 KStG). Durch ein „Leerschütten” des belasteten vEK konnte mithin dessen Umgliederung vollständig verhindert werden, womit die skizzierten umgliederungsbedingten Nachteile entfielen.

Im Schrifttum ist schon vor Inkrafttreten des StSenkG auf diese Gestaltungsmöglichkeit hingewiesen worden (z.B. Dötsch/Pung, DB, Beilage 4/2000, S. 5; Günkel/Fenzl/Hagen, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 445, 450 ff.; Kiesel, Betriebs-Berater —BB— 2000, 1014). Alsbald nach Inkrafttreten des Gesetzes wurden die insoweit bestehenden Optionen wiederholt beschrieben (z.B. Klapdor/Hild, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 2000, 737, 741 ff.; Roser, GmbHR 2000, 1189; Jost, DStR 2001, 961; Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, Steuerreform 2001, S. 63 ff.; Hey, a.a.O., Anm. R 43 ff. vor § 36 KStG). Tatsächlich haben deutsche Unternehmen denn auch in erheblichem Umfang von der Möglichkeit der Vollausschüttung Gebrauch gemacht, was u.a. zu einem deutlichen Rückgang des Körperschaftsteueraufkommens im Jahr 2001 geführt hat (Thurmayr in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 36 KStG Anm. 42; Jünger in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 36 Rz. 83). Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs hält der Senat die Annahme der Klägerin, für eine sachgerechte Reaktion auf die Systemänderung habe den Unternehmen zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, nicht für gerechtfertigt.

bbb) Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Vermeidung einer nachteiligen Umgliederung unter Umständen nur dann gelingen konnte, wenn schon bis zum bestimmte bilanzpolitische Maßnahmen getroffen wurden. Das gilt vor allem für diejenigen Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft aus handelsrechtlicher Sicht nicht über Eigenkapital verfügte, aus dem sie eine Ausschüttung von EK 45 finanzieren konnte. Einer solchen Kapitalgesellschaft musste das notwendige Kapital zunächst im Wege einer Einlage oder in anderer Weise zugeführt werden, wofür nur der Zeitraum bis zum zur Verfügung stand (Günkel/Fenzl/Hagen, DStR 2000, 445, 452; Klapdor/Hild, DStZ 2000, 737, 743). Ebenso konnten in mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen Schwierigkeiten auftreten, die darauf beruhten, dass in Untergesellschaften thesaurierte Gewinne über mehrere Stufen hinweg an die Obergesellschaft durchgeschüttet werden mussten. Dies führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung.

Sofern nämlich das Verfassungsrecht im Zusammenhang mit einer Systemumstellung die Schaffung einer Übergangsregelung gebietet, verlangt es nicht zugleich, dass diese Regelung auf alle denkbaren Fallgestaltungen Rücksicht nimmt. Vielmehr darf sich der Gesetzgeber insoweit am Regelfall orientieren, der in dem hier interessierenden Bereich dadurch gekennzeichnet ist, dass ein steuerrechtlich ausgewiesenes Eigenkapital auch handelsrechtlich vorhanden ist oder jedenfalls kurzfristig beschafft werden kann. Ob im Einzelfall eine Billigkeitsregelung (§ 163 der AbgabenordnungAO 1977—) in Betracht kommt, wenn ein Unternehmen wegen der genannten Schwierigkeiten nicht rechtzeitig auf die Gesetzesänderung reagieren konnte und deshalb steuerliche Nachteile erlitten hat, muss hier nicht erörtert werden; über Billigkeitsmaßnahmen ist nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern in einem hiervon gesonderten Verfahren zu entscheiden (Senatsurteil vom I R 89/99, BFHE 192, 513, BStBl II 2001, 261, 263). Eine Verfassungswidrigkeit der Umgliederungsvorschriften, die zur Nichtigkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung und damit zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide führen würde, ergibt sich aus den von der Klägerin vorgetragenen Überlegungen jedenfalls nicht.

dd) Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass im Zusammenhang mit der körperschaftsteuerrechtlichen Systemumstellung gleichermaßen andere gesetzliche Übergangsregelungen —z.B. die Fortführung des EK 45-Bestands (so Prinz, GmbHR 2001, 125, 131) oder eine parallele Fortgeltung des Anrechnungsverfahrens (vgl. dazu die von Wochinger in Rödder/Wochinger, Finanz-Rundschau —FR— 2000, 1, 10 f. erwähnten Überlegungen)— in Betracht gekommen sein mögen. Denn auch bei der Ausgestaltung einer notwendigen Übergangsregelung hat der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum; aus verfassungsrechtlicher Sicht kann seine Entscheidung nur daraufhin überprüft werden, ob bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und den Gründen für die getroffene Regelung die Grenze der Zumutbarkeit überschritten ist (BVerfG in BVerfGE 43, 242, 288). Das ist hier nicht der Fall. Denn der Gesetzgeber durfte zum einen berücksichtigen, dass der alsbaldige Übergang auf eine einheitliche Systematik die praktische Handhabung des Anrechnungsverfahrens im Übergangszeitraum erleichterte; gerade darin besteht der wesentliche Vorteil der von ihm angeordneten Umgliederung des EK 45 in EK 40 (ebenso Hey, a.a.O., Anm. R 7 vor § 36 KStG). Zum anderen durfte er im Rahmen einer generalisierenden und typisierenden Betrachtung (vgl. dazu , BVerfGE 81, 108, 119) davon ausgehen, dass die von der Systemumstellung betroffenen Unternehmen im Regelfall einen drohenden Verlust von „Körperschaftsteuerminderungspotential” durch rechtzeitige Maßnahmen verhindern konnten. Angesichts dessen ist die von ihm gewählte Lösung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, bestand keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, die für die Unternehmen günstigste Übergangsregelung zu schaffen.

d) Der Streitfall bietet keine Veranlassung, die Frage zu erörtern, ob die im StSenkG enthaltenen Regelungen im Hinblick auf die Behandlung der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften gegen Art. 14 GG verstoßen könnten. Denn ein solcher Verstoß könnte nicht durch die hier in Rede stehenden Umgliederungsvorschriften, sondern allenfalls von anderen Regelungen im Zusammenhang mit der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens ausgehen. Über deren verfassungsrechtliche Beurteilung ist im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden.

3. Die hier zu beurteilenden gesetzlichen Regelungen verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, dass die steuerlichen Nachteile der Umgliederung vor allem diejenigen Kapitalgesellschaften trafen, die —wie sie selbst— kein ausreichendes mit EK 45 verrechenbares unbelastetes vEK besaßen. Daraus lässt sich aber eine verfassungswidrige Benachteiligung jener Unternehmen nicht ableiten:

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG verstößt eine gesetzliche Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn sie entweder von der Interessenlage her gleich liegende Lebenssachverhalte ungleich behandelt oder bei der Behandlung ungleicher Sachverhalte eine sachlich gebotene Differenzierung nicht vornimmt. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, welche Sachverhalte er als gleichwertig und welche er als voneinander verschieden ansieht. Diese Entscheidung kann im Hinblick auf den Gleichheitssatz nur daraufhin überprüft werden, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar ist, ob also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt (, 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182, 200, BStBl II 1987, 240, 245; BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, 392; vom 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 245).

b) Im Rahmen der ihm hiernach obliegenden wertenden Entscheidung darf sich der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts u.a. von steuertechnischen Überlegungen leiten lassen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 74, 182, 200, BStBl II 1987, 240, 245; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 50, 386, 392, und in BVerfGE 85, 238, 244); Jarass, a.a.O., Art. 3 Rz. 45, m.w.N.). Eine solche Überlegung, nämlich die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Vereinheitlichung der für die Besteuerung maßgeblichen Werte des belasteten vEK, trägt —wie dargelegt— die von der Klägerin angegriffenen Umgliederungsvorschriften. Es liegt in der Natur der Sache, dass die konkreten Auswirkungen jener Vorschriften von den individuellen wirtschaftlichen Rahmendaten des einzelnen Unternehmens abhängen. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann daraus schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil eine Sonderbehandlung von Unternehmen ohne ausreichendes Eigenkapital wiederum zu Differenzierungen genötigt und damit die angestrebte Vereinfachung in Frage gestellt hätte. Darin liegt ein sachlicher Grund dafür, dass auch jene Unternehmen unterschiedslos in die Umgliederungsregelungen einbezogen worden sind.

4. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es zwar mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) regelmäßig unvereinbar, wenn der Gesetzgeber eine steuerbegründende oder steuererhöhende Vorschrift für einen Veranlagungszeitraum in Kraft setzt, der im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen war. Eine solche „echte” Rückwirkung („Rückbewirkung von Rechtsfolgen”) entfalten die im Streitfall zu beurteilenden Normen jedoch nicht, da sie am verkündet worden und erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden sind (§ 34 Abs. 1 KStG i.d.F. des StSenkG).

Unabhängig vom Vorliegen einer „echten” Rückwirkung im vorbezeichneten Sinne kann es dem Gesetzgeber im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip versagt sein, die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend zu ändern, wenn dadurch schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen ohne hinreichende Rechtfertigung enttäuscht würde. Bei der Prüfung dieses Merkmals sind Ausmaß und Gewicht des Vertrauens gegen die vom Gesetzgeber verfolgten öffentlichen Belange abzuwägen (BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 254; vom 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17, 36 f.). Dabei kann das Gebot des Vertrauensschutzes ggf. eine Übergangsregelung erfordern, die es dem Bürger ermöglicht, seine Dispositionen an die veränderten rechtlichen Gegebenheiten anzupassen. Dieser Verpflichtung hat der Gesetzgeber jedoch in dem hier interessierenden Bereich Rechnung getragen, indem er den betroffenen Unternehmen —wie dargelegt— eine Verwertung des bei ihnen vorhandenen „Körperschaftsteuerminderungspotentials” ermöglicht hat. Sofern die Klägerin auf eine unbegrenzte Fortgeltung des Anrechnungsverfahrens vertraut haben und deshalb zu einer rechtzeitigen Reaktion auf die Gesetzesänderung nicht in der Lage gewesen sein sollte, ist dies für die verfassungsrechtliche Beurteilung unerheblich, weil das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand des geltenden Rechts verfassungsrechtlich nicht geschützt ist (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287, 307, BStBl II 1985, 181; vom 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17; Jarass, a.a.O., Art. 20 Rz. 73a, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 884
BB 2005 S. 2229 Nr. 41
BFH/NV 2005 S. 2133 Nr. 11
BStBl II 2005 S. 884 Nr. 20
DB 2005 S. 2166 Nr. 40
DStR 2005 S. 1686 Nr. 40
DStRE 2005 S. 1239 Nr. 20
DStZ 2005 S. 691 Nr. 20
FR 2005 S. 1201 Nr. 23
GStB 2005 S. 42 Nr. 11
GmbH-StB 2005 S. 324 Nr. 11
GmbHR 2005 S. 1446 Nr. 21
HFR 2005 S. 1195 Nr. 12
INF 2005 S. 810 Nr. 21
KÖSDI 2005 S. 14846 Nr. 11
SJ 2005 S. 10 Nr. 22
StB 2005 S. 403 Nr. 11
StBW 2005 S. 3 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 19/2005 S. 855
WPg 2005 S. 1222 Nr. 22
NAAAB-66088