Bayerisches Landesamt für Steuern - S 2256 - 5 St 32M S 2256 - 6 St 33N

Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften; Verkauf von Wertpapieren innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

Bezug:

Bei der Ermittlung der Einkünfte von sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Veräußerung von Wertpapieren – insbesondere Aktien – ist, Folgendes zu beachten:

I. Girosammelverwahrung

Bei der Girosammelverwahrung verliert der Wertpapierinhaber das Einzeleigentum an bestimmten Wertpapieren und wird stattdessen Bruchteilseigentümer an allen Wertpapieren einer Art und Gattung, die gemeinsam im Girosammeldepot verwahrt werden (§§ 5 ff des Depotgesetzes – DepotG).

a) Rechtslage ab Veranlagungszeitraum 2005 (Fifo-Methode)

Für die Wertpapiere der Girosammelverwahrung schreibt das Gesetz eine Verwendungsreihenfolge vor. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG n. F. fingiert, dass die zuerst angeschafften Wertpapiere auch zuerst veräußert werden (sog. Fifo-Methode).

Der Vorteil der Fifo-Methode liegt – gemessen an der alten Rechtslage – in der einfacheren Ermittlung der realisierten Einkünfte. So werden jedem Veräußerungsgeschäft sowohl zeitlich als auch betragsmäßig ein oder mehrere Anschaffungsgeschäfte eindeutig zugeordnet. Dies erleichtert die Entscheidung darüber, ob die Veräußerung innerhalb der Veräußerungsfrist (steuerbar und steuerpflichtig) oder außerhalb (nicht steuerbar) liegt. Im Fall der Steuerpflicht sind die feststehenden Anschaffungskosten aus den zugeordneten Erwerben zu berücksichtigen.

Beispiel 1:

Der Steuerpflichtige Z erwirbt im Laufe der Jahre 2005 und 2006 folgende Aktien der X – AG:


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Anschaffungszeitpunkt
Anzahl
AK je Aktie
100
100,00 €
40
90,00 €
30
100,00 €
30
110,00 €

Am veräußert Z 150 Aktien zu einem Preis von je 150,00 €.

Nach der Fifo-Methode gelten die am angeschafften Wertpapiere als zuerst veräußert und zwar vorliegend außerhalb der Veräußerungsfrist.

Danach folgen nacheinander bis zur Stückzahl der verkauften Aktien die am und am erworbenen Aktien, die innerhalb der Veräußerungsfrist steuerpflichtig veräußert wurden.


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Berechnung des Veräußerungsgewinns:
Veräußerungserlös
150 Aktien × 150,00 €
 
22.500 €
davon nicht steuerbar
100 Aktien × 150,00 €
./. 
15.000 €
 
= 
7.500 €


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Steuerpflichtiger Veräußerungserlös [1] =
 
3.750 €
abzgl. AK der am erworbenen Aktien
 
 
40 Aktien × 90,00 € = 3.600 €, davon ½ [2]
./. 
1.800 €
abzgl. AK der am erworbenen Aktien
 
 
10 Aktien × 100,00 € = 1.000 €, davon ½ [3]
./. 
500 €
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
= 
1.450  €

b) Rechtslage bis VZ 2003 (Durchschnittswertmethode)

Zur Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren in Girosammelverwahrung hat der (BStBl 1994 II S. 591) entschieden, dass die Veräußerungsfrist i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann gewahrt ist, wenn nach der Art und der Stückzahl ausgeschlossen werden kann, dass die veräußerten Wertpapiere außerhalb dieser Frist erworben wurden (vgl. H 169 „Sammeldepot” EStH 2004).

Auf die Rzn. 45–48  IV C 3 – S 2256 – 238/04 (BStBl 2004 I S. 1034) wird verwiesen.

Beispiel 2:

Der Steuerpflichtige A erwarb am und am je 100 Aktien gleicher Art und Güte der X-AG, die bei der Y-Bank in einem Girosammeldepot verwahrt werden. Am veräußert er 150 Aktien der X-AG.

Bei 100 Stück der veräußerten Aktien kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie zu den am erworbenen Wertpapieren gehören und damit außerhalb der einjährigen Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erworben wurden. Somit hat A im Veranlagungszeitraum 1999 ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit 50 Aktien der X-AG verwirklicht.

Soweit private Veräußerungsgeschäfte vorliegen, sind sowohl das Lifo- als auch das Fifo-Verfahren nicht anwendbar. Die Anschaffungskosten sind nach den Durchschnittswerten zu ermitteln (vgl. a. a. O.).

Beispiel 3:

Der Steuerpflichtige Z erwirbt im Laufe der Jahre 1999 und 2000 folgende Aktien der X – AG:


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Anschaffungszeitpunkt
Anzahl
AK je Aktie
100
100,00 €
40
90,00 €
30
100,00 €
30
110,00 €

Am veräußert Z 150 Aktien zu einem Preis von je 150,00 €.

Nach der Rechtsprechung des (a. a. O.) hat Z ein privates Veräußerungsgeschäft bezüglich des Verkaufs von 50 Aktien verwirklicht, da hinsichtlich 100 Aktien nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie außerhalb der Veräußerungsfrist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (am ) erworben wurden.

Die Anschaffungskosten der veräußerten Wertpapiere sind nach Durchschnittssätzen zu ermitteln. Damit ergeben sich folgende durchschnittliche Anschaffungskosten:


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40 Aktien
je  90 € = 
3.600,00 €
 
30 Aktien
je 100 € = 
3.000,00 €
 
30 Aktien
je 110 € = 
3.300,00 €
Summe:
100 Aktien
=
9.900,00 € = durchschnittlich 99,00 € je Aktie

Der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnet sich gem. § 23 Abs. 3 EStG damit wie folgt:


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Veräußerungserlös
50 Aktien × 150 €
 
7.500 €
abzgl. AK
50 Aktien ×   99 €
./. 
4.950 €
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
= 
2.550  €

Offen gelassen hat der BFH jedoch, wie zu verfahren ist, wenn nach der Ermittlung eines Veräußerungsgeschäfts aus dem Girosammeldepot aufgrund weiterer Verkäufe nachfolgende Veräußerungsgeschäfte zu beurteilen sind. Hierzu ist unter Beachtung des o.g. BFH-Urteils wie in folgendem Beispiel dargestellt zu verfahren:

Beispiel 4:

Der Steuerpflichtige C lässt Aktien (Privatvermögen) im Girosammeldepot bei der Y-Bank verwahren. Dabei handelt es sich ausschließlich um Aktien der X – AG (jeweils 100-€-Aktien).

In den Jahren 1999 und 2000 tätigte M folgende Geschäfte:


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Anschaffungsdatum
Anzahl
AK je Aktie
400
200,00 €
600
250,00 €
800
206,25 €


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Veräußerungsdatum
Anzahl
Veräußerungserlös
400
111.000,00 €
700
175.000,00 €
700
210.000,00 €

C veräußert am insgesamt 400 Aktien. Er hatte bereits am 400 Aktien angeschafft; für diese Aktien ist die Einjahresfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abgelaufen. Bezüglich der 400 veräußerten Aktien kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um den Altbestand handelt, den C außerhalb der Einjahresfrist erworben hat, so dass hier kein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt.

Der Aktienbestand des C in seinem Girosammeldepot beläuft sich nun auf 1.400 Stück (1.800 Stück abzüglich 400 Stück). Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die verbliebenen 1.400 Aktien zu den am und am angeschafften Aktien gehören, da für die Beurteilung des Veräußerungsgeschäfts vom alle 400 am angeschafften Aktien als veräußert gelten.

C veräußert am insgesamt 700 Aktien. Die sich noch im Girosammeldepot befindenden 1.400 Aktien wurden allesamt innerhalb der Einjahresfrist erworben ( und ). Somit tätigt C bei dem Verkauf der 700 Aktien insgesamt ein privates Veräußerungsgeschäft, da ausgeschlossen werden kann, dass die Aktien außerhalb der Einjahresfrist erworben wurden.

Die Anschaffungskosten der veräußerten Aktien sind nach Durchschnittswerten zu ermitteln (s.o.). Damit ergeben sich folgende durchschnittlichen Anschaffungskosten:


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600 Stück
á 250,00 € =
150.000,00 €
 
800 Stück
á 206,25 € =
165.000,00 €,
Summe:
1.400 Stück
 
315.000,00 € = durchschnittlich 225,00 €/Aktie

Der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften berechnet sich nach § 23 Abs. 3 EStG damit wie folgt:


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Veräußerungserlös 700 Aktien á
250,00 €
 
175.000,00 €
Anschaffungskosten 700 Aktien á
225,00 €
./. 
157.500,00 €
+ 
17.500,00  €

Der Aktienbestand des C in seinem Girosammeldepot beläuft sich nun auf 700 Stück (1.400 Stück abzüglich 700 Stück). Die 700 veräußerten Aktien sind anteilsmäßig wie folgt auf die am und am angeschafften Aktien aufzuteilen:


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Aktienbestand vor der Veräußerung insgesamt
1.400 Stück =
1.400/1.400
davon am erworben
600 Stück =
600/1.400
davon am erworben
800 Stück =
800/1.400

Die 700 veräußerten Aktien entfallen damit zu 600/1.400 = 300 Stück auf die am angeschafften Aktien und zu 800/1.400 = 400 Stück auf die am angeschafften Aktien.

Von den restlichen 700 im Girosammeldepot verbliebenen Aktien wurden somit 600 Stück ./. 300 Stück = 300 Stück am und 800 Stück ./. 400 Stück = 400 Stück am angeschafft.

C verkauft am insgesamt 700 Aktien. In seinem Girosammeldepot befinden sich noch exakt 700 Aktien. Bei diesen ist jedoch, insgesamt auszuschließen, dass sie innerhalb der Einjahresfrist erworben wurden (letzter Erwerb am ), so dass hier kein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegt.

c) Wahlrecht im VZ 2004

 IV A 3 – S 2259 – 7/05 (BStBl 2005 I S. 617) Tz. 3

Bei der Ermittlung des Gewinns aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften ist im Veranlagungszeitraum 2004 im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung weiterhin die so genannte Durchschnittswertmethode ( BStBl 1994 II S. 591) anzuwenden. Dabei wird es aber nicht beanstandet, wenn Institute

  • für den Veranlagungszeitraum 2004 in den nach. § 24c EStG zu erstellenden Jahresbescheinigungen teilweise nur Veräußerungsdaten bescheinigen oder

  • bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (erstmalige Erstellung der Jahresbescheinigungen nach § 24c EStG) von vorneherein nur Werte nach der „First-in-first-out”-Methode (Fifo-Methode) ermitteln

können.

Ebenfalls für den Veranlagungszeitraum 2004 wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige der Gewinnermittlung einen von der Jahresbescheinigung abweichenden. Wert nach der jeweils anderen Berechnungsmethode zu Grunde legt und nachweist, dass dies zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führt.

Bei der Erstellung der Jahresbescheinigungen nach § 24c EStG für den Veranlagungszeitraum 2005 müssen die verpflichteten Institute das neue Berechnungsverfahren (Fifo-Methode) anwenden. Abweichende Berechnungsmethoden oder Einzelnachweise nach einer anderen Berechnungsmethode sind ab dem Veranlagungszeitraum 2005 nicht mehr zulässig.

II. Sonderverwahrung (Streifbandverwahrung)

Bei der Streifbandverwahrung bleibt der Wertpapierinhaber Eigentümer der speziellen von ihm erworbenen Wertpapiere. Die Wertpapiere werden unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den Beständen der Bank oder von deren Dritter verwahrt. Der Name des Eigentümers wird auf Papierstreifen o. Ä. vermerkt, der als Streifband die Wertpapiere – ähnlich gebündelten Banknoten – umgibt (vgl. § 2 DepotG). Dabei ist allerdings zu beachten, dass alle Wertpapiere, die ein Steuerpflichtiger gemeinsam zur Sonderverwahrung bestimmt hat, mittels eines einzigen Streifbandes verwahrt werden; eine beispielsweise nach Anschaffungsdatum getrennte Verwahrung erfolgt regelmäßig nicht.

In den Fällen der Streifbandverwahrung ist zu bedenken, dass lediglich die speziellen Aktien als solche einem bestimmten Eigentümer zugeordnet werden können. Es ist dagegen regelmäßig nicht möglich, den einzelnen Aktien ein genaues Anschaffungsdatum zuzuordnen, da dieses grundsätzlich nicht auf dem Streifband bezeichnet wird.

Aus diesem Grunde kann die Rechtsprechung zum Girosammeldepot nach alter Rechtslage (Durchschnittswertmethode) grundsätzlich analog auch auf die Sonderverwahrung übertragen werden.

(übernommen von – 1 – St II 2.08)

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Fundstelle(n):
WAAAB-58990

1Bei der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen, ist die Hälfte des Veräußerungspreises i. S. d. § 23 Abs. 3 EStG steuerfrei, § 3 Nr. 40 Buchst. j EStG.

2vgl. § 3c Abs. 2 EStG

3vgl. § 3c Abs. 2 EStG